Die Anti-Geldwäsche-Einheit von Christian Lindner fiel immer wieder mit Pannen auf. Nun soll ein neues Gremium im Bundestag sie enger kontrollieren. Was kann das bringen?
Geldwäsche-Paradies Deutschland: Jedes Jahr werden laut Schätzungen rund 100 Milliarden Euro gewaschen.
Quelle: ZDF/Karolin Schnepper
"Das ist leider mal wieder typisch", sagt ein Bank-Mitarbeiter, als er vom Geldwäsche-Verdacht gegen einen seiner Kunden erzählt - und der Behörde, die den Fall offenbar verschlampt hat. "Vor zwei Jahren haben wir eine Meldung über den Kunden abgegeben - vor wenigen Tagen kam sie dann mal bei der Staatsanwaltschaft an."
Der Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, arbeitet in der Compliance-Abteilung einer großen Bank. Was er erzählt, scheint leider zu oft bei Deutschlands Anti-Geldwäsche-Behörde vorzukommen. Die Financial Intelligence Unit, kurz FIU, liegt im Aufsichtsbereich von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und fällt immer wieder mit Negativschlagzeilen auf.
Mehrfach hatte sie Berge an offenen Meldungen angehäuft. Wie eine ZDF-Frontal-Recherche zeigte, waren es im Januar mehr als 160.000 offene Verdachtsmeldungen. Der FIU-Chef sagte kürzlich in einem Interview: "Der Rückstau ist beseitigt" und versprach, es werde "keine neuen Rückstände mehr geben". Laut einem Medienbericht soll der mafiöse Miri-Clan zudem einen Spitzel in der FIU gehabt haben, monatelang sollen so vertrauliche Infomationen an den aus dem Libanon stammenden Clan geflossen sein.
Was läuft schief beim Kampf gegen Geldwäsche? Eine zentrale Behörde macht immer wieder negative Schlagzeilen. Frontal hat interne Fälle zugespielt bekommen, die das Ausmaß zeigen.16.05.2023 | 12:12 min
FIU ist zentrale Stelle im Kampf gegen Geldwäsche
Nun soll ihr parlamentarisch genauer auf die Finger geschaut werden - durch ein neues, eigens für sie geschaffenes Kontrollgremium im Bundestag, das an diesem Donnerstag eingesetzt werden soll. Wer den Vorsitz übernimmt, soll nach der Einsetzung bestimmt werden. Das Gremium soll geheim tagen und auch relevante Akteure wie Staatsanwaltschaften einladen dürfen, so wurde es per Gesetz schon im November beschlossen. Von den elf Sitzen sind je zwei für Grüne und FDP vorgesehen, je drei für Union und SPD sowie einer für die AfD.
Die Skepsis gegenüber der Behörde in Köln manifestiert sich dann in einer Art parlamentarischer Aufpasser-Runde. Das kann auch eine Chance sein - denn die FIU ist eine zentrale Stelle im Kampf gegen Geldwäsche.
Wenn Geld aus illegalen Quellen - wie Menschen-, Drogen- oder Waffenhandel - in den legalen Wirtschaftskreislauf gelangt, nennt man das Geldwäsche. Investiert wird das "schmutzige Geld" oft in Immobilien, teuren Schmuck oder Autos. Das "dreckige" Geld wird so "rein gewaschen". Deutschland gilt als Paradies für Geldwäsche. Laut einer Dunkelfeldstudie werden jährlich rund 100 Milliarden Euro gewaschen.
Wenn Banken, Autohäuser oder Notare einen Verdacht auf Geldwäsche haben, müssen sie das der FIU melden. Halten die Analysten in Köln den Fall für relevant, müssen sie ihn zügig analysieren, mit weiteren Infos anreichern und an die Strafverfolger abgeben. Dort wird dann ermittelt und Geldwäscher werden im besten Fall überführt.
Die neue Anti-Geldwäsche-Behörde der EU kommt nach Frankfurt. Das haben Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments beschlossen. Im Rennen waren auch Paris und Madrid.
Abgeordnete trauen der FIU nicht
Weil die Behörde zu intransparent und behäbig arbeitete, stand die FIU immer wieder auf der Tagesordnung im Finanz-Ausschuss. Manche sagen: Sie verstopfte ihn für andere Themen. Selbst dort gab man sich dann allzu oft verschwiegen. Das berichtet der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer, der künftig auch in dem Gremium sitzen soll:
Er beklagt gegenüber ZDF Frontal eine "Wagenburgmentalität" und fordert für das Kontrollgremium, die FIU solle dort ihre Arbeitsweise erklären, "einschließlich der Grundlagen der Risikobewertungssysteme". Das sind jene Filterkriterien, mit denen Analysten entscheiden, ob sie Geldwäschemeldungen für relevant erachten oder nicht.
Deutschland, ein Paradies für Geldwäsche? 09.02.2022 | 9:50 min
Die geheime Arbeit der FIU
Bei dem neuen Gremium liegt ein Vergleich mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) nahe, denn auch dort tagen Abgeordnete geheim. Allerdings kontrolliert das PKGr die Nachrichtendienste. Die FIU wehrt sich indes dagegen, als solcher gesehen zu werden.
Tatsächlich verfügt die Behörde über teils breite Befugnisse. So darf sie zum Beispiel auch unabhängig von einer Geldwäscheverdachtsmeldung Informationen von Banken erheben, etwa die Kontobewegungen von Kunden. Die Betroffenen werden darüber in der Regel nicht informiert und die Banken müssen über ihre Kooperation schweigen. Da die FIU auch auf bestimmte Polizeidatenbanken Zugriff hat, kann sie sensible Daten aus diversen Quellen zusammenführen.
Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten
Der Finanzkriminalitäts-Experte und Strafrechtler Kilian Wegner von der Europa-Universität Viadrina schätzt dies so ein:
Doch Wegner schränkt auch ein: "Die Ermittlungsinstrumente, derer die FIU sich bedienen kann, sind allerdings nicht so weitgehend wie bei den klassischen Nachrichtendiensten. Sie darf zum Beispiel niemanden observieren und auch keine V-Leute einsetzen."
Da es in Deutschland ein Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und der restlichen Sicherheitsarchitektur gibt, würde eine veränderte rechtliche Bewertung den Informationsaustausch zwischen FIU und den Strafverfolgern erschweren.
Olaf Scholz betont im Finanzausschuss, er habe mehr Stellen in der Anti-Geldwäsche-Einheit geschaffen. Fabio De Masi, Finanzexperte der Linken, sagt dazu: "Wir brauchen eine echte Finanzpolizei, es bringt nichts, mehr Stellen zu schaffen."20.09.2021 | 5:57 min
Bei einigen Beteiligten ist das Vertrauen in die Behörde indes kaum mehr vorhanden. Der Bank-Mitarbeiter in der Compliance-Abteilung hofft schlicht, dass man der FIU mit einem Kontrollgremium mehr Druck macht: