FDP-Parteitag verabschiedet Papier zur "Wirtschaftswende"
FDP-Parteitag:"Kein Scheidungsantrag für die Koalition"
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Der FDP-Parteitag hat das umstrittene Papier zur "Wirtschaftswende" verabschiedet. Es sei aber kein "Scheidungsantrag für die Koalition", versicherte Generalsekretär Djir-Sarai.
Die FDP hat bei ihrem Bundesparteitag einen Antrag zum Wiedereinstieg in die Atomkraft knapp abgelehnt. Generalsekretär Djir-Sarai stimmte die Partei auf die Europawahl ein.28.04.2024 | 0:22 min
Die FDP geht in der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf noch größere Distanz zu den Koalitionspartnern der Ampel. Die Delegierten des Bundesparteitags in Berlin billigten mit überwältigender Mehrheit das vom FDP-Vorstand vorgelegte Zwölf-Punkte-Programm für eine "Wirtschaftswende", das bei SPD und Grünen auf klare Ablehnung stößt.
Djir-Sarai: Streben keinen Koalitionsbruch an
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betonte bei der Einbringung des Antrags, dass die FDP nicht einen Bruch der Koalition anstrebe. "Das ist kein Scheidungsantrag an die Koalition", sagte Djir-Sarai. "Dieser Leitantrag ist eine Liebeserklärung an Deutschland, an unser Land."
Die wichtigsten Punkte aus dem FDP-Papier im Wortlaut - ein Auszug:
Reform des Bürgergelds: Das Bürgergeld braucht eine Reform. Zumutbare Arbeitsangebote, auch sogenannte Ein-Euro-Jobs, müssen angenommen werden. Sanktionen für Verweigerer müssen zudem verschärft werden. Wer seinen Mitwirkungspflichten im Bürgergeld nicht nachkommt und beispielsweise zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen. Der verfassungsrechtliche Spielraum für verschärfte Sanktionen muss ausgenutzt werden, bis hin zu einer vollständigen Streichung von Leistungen.
Moratorium für Sozialleistungen: Für mindestens drei Jahre soll die Politik keine neuen Sozialleistungen beschließen. Ausgabenprogramme müssen konsolidiert werden. Bei der Berechnung der Höhe der Grundsicherung (Bürgergeld) wird strikt die regelsatzbezogene Preisentwicklung berücksichtigt. Für das Jahr 2025 ist daher eine Nullrunde zu erwarten.
Steuerliche Vorteile für Überstunden: Wer über die volle Arbeitszeit hinaus arbeitet und damit zu Wachstum und Fortschritt in unserem Land beiträgt, muss davon profitieren. Überstunden und ausbezahlte Überstundenzuschläge sollen daher wie Bezüge aus einem Minijob oder besser behandelt werden.
Förderung Erneuerbarer Energien schnellstmöglich beenden: Wir wollen Erneuerbare Energien endgültig in den Markt übernehmen und die EEG-Förderung beenden. Es müssen kurzfristig alle Möglichkeiten für Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen im EEG genutzt werden. Dazu können beispielsweise die Abschaffung der Vergütung von negativen Strompreisen oder die Senkung der Höchstpreise dienen.
Rente mit 63 abschaffen und Arbeitsanreize für ältere Menschen steigern: Die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte entzieht dem Arbeitsmarkt wertvolle Fachkräfte. Angesichts des Fachkräftemangels können wir uns die sogenannte "Rente mit 63" nicht leisten. Wir wollen den Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung nach Erreichen der Regelarbeitsgrenze streichen.
Vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags: Dieser ist in erster Linie zu einer Steuer für die Wirtschaft geworden und benachteiligt Unternehmen im Wettbewerb. Der Solidaritätszuschlag soll in zwei Schritten abgeschafft werden.
Parteichef Christian Lindner hatte zuvor für eine Umkehr in der Wirtschaftspolitik geworben. "Unser Land steht sich zu oft selbst im Weg", hatte er vor den Delegierten in Berlin geäußert. Er warb für das Konzept der FDP für eine Wirtschaftswende. "Was wir brauchen, ist ein nüchterner Realismus", sagte Lindner. Dieser Realismus müsse "Mut zum Handeln" hervorbringen. "Das verstehen wir unter Wirtschaftswende."
In seiner rund 70-minütigen Rede zeichnete der Bundesfinanzminister ein kritisches Bild der Wirtschaft in Deutschland:
Rede in ganzer Länge: Christian Lindner beim 75. Ordentlichen Bundesparteitag der Freien Demokraten27.04.2024 | 72:00 min
Lindner: Wieder in Weltspitze zurückkehren
Im internationalen Vergleich sei das Land in Bereichen wie Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumspotenzial zurückgefallen, sagte der FDP-Chef. Deswegen müsse die Bundesregierung einen anderen Kurs einschlagen. "Wenn ein Land in zehn Jahren von Platz 6 der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 22 zurückfällt, was ist dann dringlicher als eine Wende?", sagte er.
Eine stagnierende Gesellschaft führe zu einem "hart ausgefochtenen Ellenbogenwettbewerb", warnte der Bundesfinanzminister. "Anders gewendet: Wirtschafts- und wachstumsfreundliche Politik ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit."
Die FDP kämpft mit bescheidenen Umfragewerten, wie sehr dies zu Unruhe in der Partei führt, berichtet ZDF-Reporter Ralph Schumacher aus Berlin.27.04.2024 | 1:11 min
FDP-Chef: Wachstum nötig für Ukraine-Hilfen
Wachstum habe "einen tieferen Sinn", betonte Lindner mit Blick auf Kriege und geopolitische Krisen auf der Welt. Die militärische Unterstützung der Ukraine und die Finanzierung der deutschen Wehrausgaben könne langfristig "nicht auf Pump erfolgen", sagte der Parteichef. "Dafür brauchen wir unsere Wirtschaftsleistung."
Die Wirtschaft müsse auch deshalb wieder wachsen, damit der "spitzenmäßige Lebensstandard" gehalten werden könne. Wenn die Wirtschaft schwächele, wüchsen die Abstiegsängste in der Bevölkerung - was wiederum die AfD stärke.
Auf das Angebot der Union, Themen des 12-Punkteplans der FDP mit ihr umzusetzen, will FDP-Chef Lindner nicht eingehen. Die Opposition könne aber gerne helfen, Impulse zu setzen.22.04.2024 | 7:19 min
Lindner verteidigt von Koalitionspartnern kritisierte Punkte
In seiner Rede verteidigte Lindner auch die von den Koalitionspartnern SPD und Grüne kritisierten Punkte des am Abend verabschiedeten Wachstumsprogramms - etwa die Forderung nach schärferen Sanktionen beim Bürgergeld. Dieses sei "kein bedingungsloses Grundeinkommen", sondern es seien dafür "Gegenleistungen zu erwarten".
Auch die Forderung nach einer Abschaffung der Rente mit 63 verteidigte der FDP-Chef einmal mehr. "Wir sollten nicht mehr bezahlen, wenn Menschen nicht mehr arbeiten, sondern wir sollten belohnen, wenn Menschen im Arbeitsleben bleiben wollen."
Bis zuletzt war das neue Klimaschutzgesetz umkämpft, nun hat der Bundestag es beschlossen. Künftig soll die Einhaltung der Klimaziele eine sektorenübergreifende Verantwortung sein.26.04.2024 | 2:10 min