Erhöhte Temperatur bei der FDP zum Jahresauftakt

So viele Vorschusslorbeeren gibt es selten: Als die Europa-Spitzenkandidatin die Bühne betritt, tobt der Saal. Applaus besonders von den Jungen für Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie zeigt rhetorische Schlagfertigkeit - jetzt müsse geliefert werden. "Manche fordern ja ein Moratorium von Russland! Dann sag ich: Ruf doch Putin an und sag es ihm!"

Die politische Ironie wechselt sich mit sehr ernsten Tönen ab. Sie erinnert an die vielen Menschen, die schon in Kriegen gefallen sind. Damit müsse Schluss sein. "Was sagen Frau Wagenknecht und ihre Busenfreundin Alice Schwarzer den Frauen, die in der Ukraine vergewaltigt wurden?", ruft sie. Sie wolle für Europa kämpfen - die Gefahren seien hoch. Aber natürlich kämpft sie auch für sich selbst. Denn es geht um ein gutes Ergebnis der Liberalen bei der Europawahl.

Ernste Worte schlägt auch der Generalsekretär an: Bijan Djir-Sarai erzählt von seiner eigenen Familie, geflohen aus dem Iran und nun weit verstreut in der Welt. Er wirbt dafür, dass gerade Kinder "ein ausländisches Bewusstsein, aber eine inländische Identität" bekommen - das sei bisher in Deutschland nicht der Fall.

Während dieses Dreikönigstreffens ist auffällig, was nicht gesagt wird. Generalsekretäre sind für die Attacke zuständig, aber Djir-Sarai kritisiert weder SPD oder Grüne. Selbst die politischen Gegner in der Opposition streift er nur. In das proppenvoll gefüllte Opernhaus fragt er:

Darum scheint es nun zu gehen.

Schon Anfang 2025 wird allmählich der Wahlkampf beginnen. Nicht mehr allzu viel Zeit, um Impulse zu setzen. Nur knapp hat sich eine FDP-Mitgliederbefragung pro Ampel ausgesprochen - die Führungsriege der FDP will nun weiterarbeiten, weiterregieren, vielleicht abarbeiten.

Hinter den Kulissen hört man den Hinweis: Ohne die FDP sehe das Land anders aus. Oder alternativ: Ohne die FDP wäre die Regierung nicht so erfolgreich gewesen. Das mögen sie hier so sehen, die Wähler sehen das anscheinend anders. Überzeugen wollen sie nun bei den offenen Themen: Der Haushalt 2024 ist noch nicht in trockenen Tüchern, der Haushalt 2025 wird wieder ein Kraftakt werden. Im Januar soll ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Migration umgesetzt werden. All dem will die FDP ihre eigene Handschrift mitgeben.

Christian Lindner hatte sich schon am Abend zuvor Aspirin eingeworfen - nun steht er mit Fieber auf der Bühne. Er spricht von Leitideen, vom Kampf gegen Antisemitismus. Der Aufstieg durch Arbeit. "Deutsch ist: den Lebensunterhalt durch Arbeit beschreiten", meint Lindner. Er fordert fordernde Integrationspolitik und neuer Realismus.

Es sind Schlagworte, die klar machen, was angegangen werden soll. Plötzlich schreien Aktivisten im Saal und entrollen ein Transparent: "Menschen mitnehmen - Klimaschutz geht nur sozial gerecht." Sie fordern ein Klimageld.

Lindner angestachelt zur Replik verweist auf den gesunkenen CO2-Ausstoß in Deutschland. "Wenn Attac nun für das Klimageld wirbt, ist es das erste Mal, dass linke Autonome für das Wahlprogramm der FDP sind." Die Stimmung im Saal ist aufgepeitscht, überbordender Applaus der eigenen Leute.

Gleich zu Beginn zeigt Lindner Mitgefühl mit den Opfern der Flut. Die Betroffenen könnten sich darauf verlassen, dass man solidarisch sei. Allerdings ohne ein Aufweichen der Schuldenbremse. Die Proteste von Landwirten sieht er kritischer. Man habe es bei der Landwirtschaft mit einem durch Bund und EU "hochsubventionierten Sektor" zu tun. Besonders der Sturm auf die Fähre mit Robert Habeck sei "völlig inakzeptabel" gewesen.

Vor Beginn der Veranstaltung steht vor dem Opernhaus Thomas Kemmerich, Landesvorsitzender der FDP Thüringen. Er ließ sich 2020 zum Ministerpräsidenten Thüringens wählen, auch mit Stimmen der AfD. Er verlor das Amt schnell wieder - und den Rückhalt seiner Partei. Nun sammelt er Geld für seinen Wahlkampf, denn die Bundes-FDP wird ihn nicht unterstützen. Kemmerich selbst sieht die Ampel kritisch. Das mag den Nerv einiger Menschen im Land treffen, in Stuttgart ist die Stimmung eine andere. Man möchte fast sagen: Jetzt erst recht.