Fake News um Baerbock und angebliche Sex-Kontakte zu Gigolo

    Faktencheck

    Sex-Kontakte angedichtet:Fake News um Baerbock und angeblichen Gigolo

    Oliver Klein
    von Oliver Klein
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    Schmutzkampagne gegen Annalena Baerbock: Auf dubiosen Webseiten werden ihr Sex-Kontakte zu einem afrikanischen Gigolo angedichtet. Die Spur führt - wieder einmal - nach Russland.

    Screenshot YouTube: Gigolo Kinglsey
    Screenshot von Youtube-Video mit dem angeblichen Gigolo "Kingsley".
    Quelle: youtube.com

    "Wo gehen deutsche Steuergelder hin? Baerbock macht Sextourismus mit einem afrikanischen Prostituierten auf Amtsreisen", titelt die angebliche News-Webseite "zeitgeschenen.de". Es lägen "glaubwürdige Beweise" vor, dass die Außenministerin "in eine Affäre mit einem Escort-Mann aus Afrika" verstrickt sei.
    Der Bericht beruft sich auf ein Interview mit dem angeblichen Gigolo namens "Kingsley". Der Mann in dem präsentierten Video trägt einem marineblauen Anzug mit Karostreifen, Goldkette, Goldringe und eine orangene Mütze. Er berichtet, wie er schon mehrmals mit einer "Ministerin aus Deutschland" namens Annalena verabredet gewesen sei. Sie habe die Nähe zu einem "hübschen, schwarzen Gentleman" gesucht und die Nacht mit ihm verbracht. Die angeblichen Kosten für seine Dienste pro Date: "3.500 Euro und mehr".
    Screenshot zeitgeschenen: Gigolo Kingsley
    Screenshot "zeitgeschenen.de" - so berichtet die Fake-News-Seite über den angeblichen Sex-Skandal
    Quelle: zeitgeschenen.de

    Hinweise auf pro-russische Propaganda

    Das Auswärtige Amt reagiert auf Anfrage von ZDFheute empört:

    Das pro-russische Desinformationsportal "zeitgeschenen.de" verbreitet eine falsche, frei erfundene und völlig abstruse Geschichte.

    Pressestelle des Auswärtigen Amts

    Die angebliche Skandal-Geschichte ist tatsächlich fingiert. Die Art und Weise, wie die Story ins Netz gelangte, weist auf pro-russische Propaganda hin - sie ist offenbar Teil einer großangelegten Fake-News-Kampagne, die immer wieder nach dem selben Muster abläuft: Ein ganzes Netzwerk russischer Fake-News-Seiten verbreitet Desinformation.
    In der Regel sind es ganz neu aufgesetzte Internetseiten mit Namen, die an echte Newsportale erinnern und sich immer wieder nach Russland zurückverfolgen lassen. Die veröffentlichten Falschmeldungen werden rasch von prorussischen Accounts in Sozialen Medien aufgegriffen und massenweise weiterverbreitet.
    So funktionieren die russischen Desinformationskampagnen mit angeblichen News-Portalen:

    Dubiose Webseite verbreitet den Fake

    Auch in diesem Fall: In Deutschland erschien die Fake-Story auf einer dubiosen Webseite namens "zeitgeschenen.de" (das ähnlich klingende Portal "zeitgeschehen.de" verbreitet vor allem Polizeimeldungen).
    "zeitgeschenen.de" ist nach Recherchen von ZDFheute ganz neu: Die Seite wurde erst am 24. Juli online registriert - bei genau demselben Anbieter, der bereits die Fake-News-Webseite "berliner-wochenzeitung.de" ins Netz gestellt hatte, über die ZDFheute Anfang Juli berichte. Auch auf diesem angeblichen Nachrichtenportal erschien eine frei erfundene Story, mit der Ukrainer diffamiert werden sollten. Beide Webseiten haben kein Impressum.
    Maximilian Krah bei "Voice of Europe"
    Politiker aus mehreren EU-Ländern sollen über die prorussische Propagandaplattform "Voice of Europe" Geld erhalten haben. Erstmals meldet sich nun der Eigentümer zu Wort.14.05.2024 | 8:40 min

    Ursprung des Fakes: Ein anonymes Youtube-Video

    Im Fall des angeblichen Sex-Skandals mit Annalena Baerbock ist der Fake allerdings noch mal perfider aufgezogen: Zunächst wurde das Interview mit dem vermeintlichen Gigolo von einem anonymen Nutzer in einem neu erstellten Youtube-Kanal hochgeladen. Das war am 29. Juli.
    Nur einen Tag später erschien auf der Webseite der nigerianischen "Daily Post" eine Text-Version des Interviews. Überschrift: "'Ich spende einsamen Eliten emotionalen Trost' - Kingsley spricht über seine Karriere als Gigolo".

    Bericht auf nigerianischer Nachrichtenseite gekauft

    Die "Daily Post" ist eigentlich eine seriöse nigerianische Zeitung, gegründet 2011. Der Gigolo-Text ist jedoch kein redaktioneller Inhalt, sondern mit dem Hinweis "sponsored" versehen: Er wurde also wie eine Werbeanzeige auf der Seite der "Daily Post" platziert. Jemand muss dafür bezahlt haben. Wer das war? Unklar - die "Daily Post" hat auf eine Anfrage dazu bisher nicht reagiert. Doch indem das Interview auf der Seite einer echten afrikanischen Zeitung erscheint, bekommt es den Anschein von Seriösität.
    Screenshot Daily Post Nigeria: Gigolo Kingsley
    Screenshot der nigerianischen "Daily Post" mit dem Interview des angeblichen Gigolos "Kingsley" - links oben sieht man den Hinweis "sponsored".
    Quelle: dailypost.ng

    Der Bericht von "zeitgeschenen.de" stützt sich auf die gekaufte "Daily-Post"-Veröffentlichung. Und gibt sogar noch vor, die angeblichen Sex-Kontakte von Baerbock zu dem Gigolo kritisch überprüft zu haben:
    "Sie trug dieses purpurrote Kleid", berichtet der Mann von einem vorgeblichen Treffen in Nigeria im Dezember 2022. Zum Beweis, dass die Story stimmen muss, präsentiert "zeitgeschenen.de" ein Foto von Baerbock bei der Reise - sie trug tatsächlich ein pinkes Kleid.
    Annalena Baerbock
    Außenministerin Annalena Baerbock im Dezember 2022 in Nigeria: Auf etlichen Fotos sieht man sie in einem pinken Kleid.
    Quelle: imago

    Fake-Story wird massenhaft in Sozialen Medien geteilt

    In holprigem Deutsch heißt es weiter, dass die grüne Außenministerin ja eigentlich gegen Prostitution sei: "Baerbock spricht sich gegen Sexkaufverbot, Illegalität, Ausbeutung und Gewalt." (sic.!) Der gesamte Text klingt, als wäre er von einer anderen Sprache automatisch übersetzt und nicht mehr korrigiert worden.
    Dennoch verbreitet sich die Story rasant in den Sozialen Medien, bei Telegram, Facebook, X - wie auch schon die erfundene Geschichte der "berliner-wochenzeitung.de". Und wieder sind es die gleichen prorussischen Propaganda-Accounts, die die Meldung teilen, unter anderem Alina Lipp oder der reichweitenstarke X-Account "Aussie Cossack". Dahinter steckt der Australier Simeon Boikov, dem die russische Staatsbürgerschaft verliehen wurde.
    Fazit: Die angebliche Sex-Affäre Baerbocks mit einem Gigolo ist ein weiteres Beispiel für eine großangelegte Desinformationskampagne prorussischer Cyber-Akteuere. Immer wieder wird versucht, mit Fake News westliche oder ukrainische Politiker zu diffamieren oder Angst in der Gesellschaft zu schüren.

    Russische Fake News vor Olympia
    :Terror-Warnung der Hamas offenbar gefälscht

    "Flüsse von Blut" in den Straßen von Paris: In einem Fake-Video droht angeblich die Hamas mit Terroranschlägen. Doch der Clip stammt wohl aus einer russischen Fälscherwerkstatt.
    von Oliver Klein, Jan Schneider, Nils Metzger
    Videos der Hamas sind nicht echt
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