Steuerbonus für Ausländer:"Das Ganze ist eine Schnapsidee"
von Kristina Hofmann
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Der geplante Steuerrabatt für Fachkräfte aus dem Ausland stößt auf breite Kritik. Auch in der Ampel-Koalition. Eine "Schnapsidee" nennt ihn der Ex-Wirtschaftsweise Bofinger.
Fachkräfte fehlen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die Ampel will Menschen aus dem Ausland mit Steuerrabatten locken.
Quelle: dpa
Punkt 27 des geplanten Wachstumspakets ist nur sieben Zeilen lang. Doch er birgt Sprengstoff und zwar innerhalb der Ampel-Koalition selbst, außerdem innerhalb der SPD, und dann auch noch innerhalb der Steuerzahlenden. Die Ampel-Spitzen hatten sich vorige Woche auf ein Wachstumspaket zum Haushaltentwurf geeinigt. Demnach sollen laut Punkt 27 Fachkräfte aus dem Ausland steuerlich begünstigt werden.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hätte den Rabatt nicht ins Papier geschrieben. Er befürchtet "gesellschaftliche Missverständnisse". Die FDP wirft ihm nun vor, er solle die Einigung der Ampel nicht kritisieren und solle "sich auf seinen Job konzentrieren", so Christoph Meyer, Vize-Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger spricht von einer "Schnapsidee".
Darum geht es:
Was ist im Wachstumspaket geplant?
Deutschland soll für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiver werden. Wer künftig kommt, soll in den ersten drei Jahren seines Aufenthaltes Steuervergünstigungen bekommen: Im ersten Jahr sollen 30 Prozent, im zweiten 20 Prozent und im dritten zehn Prozent vom Bruttolohn steuerfrei sein. Dieser Rabatt soll aber nicht für alle Arbeitskräfte, die nach Deutschland kommen, gelten. Geplant sind Unter- und Obergrenzen des Einkommens.
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Genaueres weiß die Regierung noch nicht. Alle Ministerien verweisen auf den Entwurf des Haushaltsgesetzes, das nächste Woche Mittwoch im Kabinett beschlossen werden soll. Eines stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit aber bereits klar: Der Rabatt solle für alle Fachkräfte gelten, nicht für bestimmte Branchen. Und: "Es geht nicht um ein breitgefächertes Angebot für alle Arbeitskräfte aus dem Ausland."
Für wen könnte der Steuerrabatt gelten?
Vorbild für dieses Modell könnte die Blaue EU-Karte sein. Mit dieser können Menschen mit Hochschulabschluss einfacher einreisen und eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Voraussetzung ist ein bestimmtes Einkommen: Derzeit sind das 43 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (2024 waren dies 41.041,80 Euro) bei so genannten Mangelberufen. Also etwa in der IT-Branche, der Medizin oder im Gesundheitswesen.
Für alle anderen Berufe liegt die Gehaltsgrenze bei 50 Prozent, also 45.300 Euro. Von einer Obergrenze ist dort nicht die Rede.
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Nach Informationen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kamen aus Drittstaaten außerhalb der EU im vergangenen Jahr 4.315 Menschen mit Berufsausbildung, 5.1870 Menschen mit einem akademischen Abschluss und 21.215 Menschen über die Blaue Karte der EU. In den jeweiligen Gruppen stammten die meisten Einreisenden jeweils aus den Philippinen, der Türkei und Indien.
Wer ist in der Ampel dafür, wer dagegen?
Das Wachstumspaket inklusive des Steuerrabatts ist über Wochen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ausgehandelt worden. Doch offensichtlich hat Scholz nicht seine ganze SPD hinter sich: Bundesarbeitsminister Heil sagte am Dienstag, dass er zwar zu dem Wachstumspaket stehe. Den Steuerrabatt hätte er aber nicht hinein geschrieben. Dem Deutschlandfunk sagte er:
Heil befürchtet "gesellschaftliche Missverständnisse". Dass sei alles "etwas luftig im Papier formuliert", sagte er RTL/ntv. Außerdem sei viel entscheidender für die Zuwanderung von Fachkräften, dass besser für Deutschland geworben werde.
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Bundeswirtschaftsminister Habeck verteidigte den Kompromiss, auch die FDP hält dagegen. Heil ignoriere, so Vize-Fraktionschef Meyer zu ZDFheute, den weltweiten Wettbewerb um Fachkräfte. Eine "Anwerbeprämie" sei "gängige Praxis" und auch nur ein Baustein des Wachstumspaktes. Die Unternehmen suchten händeringend nach Fachkräften.
Wäre die unterschiedliche Besteuerung mit dem Grundgesetz vereinbar?
Darüber gibt es verschiedene Meinungen. Grüne und FDP halten die unterschiedliche Besteuerung von Arbeitskräften für rechtens. Andere Wirtschaftsverbände befürchten, dass dies nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Vor allem aus den Ländern kommt Kritik: Der Plan könne "gerade im Osten zu neuen Gerechtigkeitsdebatten führen", sagte Thüringens Innenminister und SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Georg Maier, dem "Tagesspiegel".
Unternehmen befürchten zudem Unruhe in ihren Betrieben, wenn Menschen für die gleiche Arbeit unterschiedlich besteuert werden. Und Probleme für die Buchhaltung, wenn unterschiedlich abgerechnet wird.
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Peter Bofinger, früherer Wirtschaftsweise und VWL-Professor an der Universität Würzburg, hält den Steuerrabatt für juristisch schwierig. Das Hauptproblem sei aber doch, dass dies ein Anreiz für Arbeitgeber sei, geringere Löhne zu bezahlen. Das sei eine indirekte Subvention von Arbeitgebern und auch ein "falsches Signal" an die potenziellen Arbeitskräfte, so Bofinger zu ZDFheute. "Die Menschen müssten doch kommen, weil es so toll ist, in Deutschland zu arbeiten."
Bofingers Urteil:
Was wird der Steuerrabatt kosten?
Darüber gibt es noch keine offizielle Berechnung. Klar ist aber: Wer drei Jahre ein geringeres Bruttoeinkommen hat, zahlt drei Jahre weniger Steuern und weniger in die Krankenkasse, die Rentenkasse, die Pflegekasse ein. Der öffentlichen Hand, dem Gesundheitswesen und Rentensystem entgehen also Einnahmen, die für alle aufkommen.
Reiner Holznagel, Präsident vom Bund der Steuerzahler, findet, dass generell die Steuerlast zu hoch ist. Steuern runter sei richtig. Aber: "Es muss Entlastung für alle organisiert werden und nicht nur für einige wenige." Diese Maßnahme werde nicht dazu beitragen, "dass die Stimmung in Deutschland steigt".
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