Extremismus: Wie Universitäten dagegen vorgehen dürfen
FAQ
Sanktionen gegen Studierende:Gegen Extremismus vorgehen? Was Unis dürfen
von Virginia Baumbach
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Extremistische Vorfälle an Universitäten häufen sich - mehrere Bundesländer reagieren mit verschärften Exmatrikulationsmaßnahmen. Was das bedeutet und welche Gefahren das birgt.
An der Berliner Humboldt-Universität kam es zuletzt zu Ausschreitungen während Protesten. (Archivbild)
Quelle: dpa
Es sind nicht nur Gewalt und Vandalismus bei propalästinensischen Protestcamps, die Hochschulen zunehmend Sorgen im Umgang mit studentischem Extremverhalten bereiten: Das Video einer jungen Frau, die auf Sylt beim Feiern "Ausländer raus" singt, hat nicht nur Empörung ausgelöst, sondern auch weitreichende Folgen: Die Hochschule, an der die Frau eingeschrieben ist, erteilte ein Hausverbot - es droht sogar die Exmatrikulation.
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Wer entscheidet über Exmatrikulationen an Universitäten?
Die Sanktionsmöglichkeiten von Universitäten sind bundeslandabhängig, denn: "Typischerweise sind es die Hochschulgesetze der Länder, die die einzelnen Tatbestände regeln", erklärt Roland Broemel, Professor für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität in Frankfurt.
Dass Hochschulgesetze schnell wieder geändert werden können, zeigt sich in Berlin: 2021 wurde die Möglichkeit von Zwangsexmatrikulationen abgeschafft. Nachdem ein jüdischer Student krankenhausreif geprügelt wurde, werden jetzt erneut Ordnungsmaßnahmen an Unis eingeführt.
Auch Bayern plant eine Verschärfung: Statt der bislang notwendigen strafrechtlichen Verurteilung soll künftig jedes diskriminierende Verhalten für eine Exmatrikulation genügen.
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Grundsätzlich gilt aber: Eine Exmatrikulation darf nur als letztes Mittel und damit ausschließlich in Extremfällen greifen. Vor der Exmatrikulation müssen mildere Mittel in Erwägung gezogen werden: eine Verwarnung bei erstmaligem Fehlverhalten, ein Hausverbot im Wiederholungsfall beispielsweise.
Welche Einschränkungen verhindern Sanktionen?
Grund für die vorzugsweise zurückhaltende Sanktionierungspolitik ist, dass nachteilige Maßnahmen zum Teil mit schwerwiegenden Grundrechtseingriffen verbunden sind. Nicht nur die Meinungsfreiheit ist betroffen, sondern auch die Berufsfreiheit. Denn den Studierenden wird - zumindest vorerst - die Möglichkeit genommen, ihre berufliche Laufbahn an der gewählten Universität auszubauen.
Broemel erklärt dazu: "Die Folge des Ausschlusses ist, dass insbesondere der Erhalt eines Abschlusszeugnisses nicht mehr möglich ist."
Inwieweit steht es Universitäten zu, über die Zukunft der Studierenden zu entscheiden? Eine Frage der Abwägung. Ein zu großer Spielraum für Universitäten könnte einer Uni-Justiz gleichkommen. Politisch motivierte Entscheidungen könnten sich häufen und das an einem Ort des öffentlichen Dialogs.
Propalästinensische Aktivisten hatten Ende Mai auf dem Campus der Frankfurter Goethe-Universität ein einwöchiges Protestcamp gestartet.24.05.2024 | 2:00 min
Gleichwohl tragen Universitäten die Verantwortung, ein sicheres Umfeld des freien Austauschs zu schaffen, was im Einzelfall nicht nur konsequentes Handeln erfordert, sondern auch mögliche Grundrechtseingriffe legitimiert. Zum Beispiel, wenn es zu Sachbeschädigung, Körperverletzung oder Volksverhetzung kommt.
Können Handlungen in der Freizeit zum Ausschluss führen?
Entscheidend ist auch, inwieweit das störende Verhalten im Zusammenhang mit der Universität steht und ob der Hochschulbetrieb gestört wird. Ein Vorfall am Campus oder eine verursachte Rufschädigung der Universität wiegt bei der rechtlichen Abwägung schwerer als extremistisches Verhalten in der Freizeit. Broemel sagt dazu:
"Tendenziell lässt sich sagen, dass je weniger ein Vorfall mit dem Kontext der Universität zu tun hat, sondern eine Person in ihrem privaten Umfeld betrifft, desto schwieriger ist es tatsächlich unmittelbare Folgen für die Universität abzuleiten", erklärt Broemel.
An der Humboldt-Universität in Berlin hatten Anfang Mai rund 150 Menschen gegen Israel demonstriert.04.05.2024 | 0:22 min
Heißt konkret: Trotz rassistischem Fehlverhalten wäre eine Exmatrikulation der Sylt-Grölerin wohl zu weitgehend. Gleiches gilt für den Kopf hinter Muslim Interaktiv: Seine verfassungsfeindliche Einstellung mit der Forderung nach einem Kalifat stört den universitären Betrieb nicht als solchen und eine realistische Aussicht auf eine staatliche Anstellung als Lehrer hat er als Verfassungsfeind ohnehin nicht.
Anders bei den Protest-Campern: Neben erfüllten Straftatbeständen, besteht hier der Bezug zur Universität - im Zweifel wird der Hochschulbetrieb, wie Vorfälle an der Berliner Humboldt-Universität gezeigt haben, unterbrochen und damit auch gestört. Doch im Falle einer Exmatrikulation können Studierende auch dagegen vorgehen - notfalls vor dem Verwaltungsgericht.