Gedenkstätte Hoheneck: "Symbol für Widerstand der Frauen"

    Interview

    Gedenkstätte Gefängnis Hoheneck:"Nationales Symbol für Widerstand der Frauen"

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    Tausende Frauen waren im früheren DDR-Frauengefängnis Hoheneck aus politischen Gründen in Haft. Die SED-Opferbeauftragte Zupke sieht die neue Gedenkstätte als nationales Symbol.

    Bundespräsident Steinmeier in Gedenkstätte Hoheneck
    Es gilt als eines der berüchtigsten Frauengefängnisse der DDR: Das Schloss Hoheneck in Stollberg (Sachsen). Nun wird es zur Gedenkstätte als Erinnerung an die SED-Diktatur.11.07.2024 | 2:38 min
    ZDFheute: Mehr als drei Jahrzehnte ist es jetzt her, dass die letzten politischen Häftlinge das Frauengefängnis Hoheneck in der DDR verlassen haben. Jetzt wird dort eine Gedenkstätte eröffnet. Was bedeutet das?
    Evelyn Zupke: Dass die Gedenkstätte endlich eröffnet wird, ist sehr wichtig, weil es auch ein Symbol sein soll: ein nationales Symbol für den Widerstand der Frauen in der SED-Diktatur.

    Durch die Gedenkstätte erfahren die ehemaligen Häftlinge eine Anerkennung ihres Leidens, und ihr Widerstand gegen das repressive Regime wird nicht vergessen. 

    Gedenkstätte Berliner Maueropfer
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    Wir als Gesellschaft erhalten mit der Gedenkstätte Hoheneck auch einen Lernort für unsere Demokratie. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, an Diktatur zu erinnern, damit wir wissen, dass Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung nicht selbstverständlich sind.

    Berlin: Evelyn Zupke, SED-Opferbeauftragte des Bundestags, stellt ihren Jahresbericht vor.
    Quelle: Britta Pedersen/dpa

    ... wurde im Juni 2021 zur Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur gewählt. Die in Bintz geborene Fachberaterin für Psychotraumatologie war ab 1987 Teil des oppositionellen Friedenskreises Weißensee und sorgte 1989 maßgeblich für die Aufdeckung des Wahlbetrugs bei den DDR-Kommunalwahlen.

    Seit mehr als 20 Jahren ist Zupke als Zeitzeugin deutschlandweit in Schulen tätig. Zudem ist sie Mitglied im Beirat für den Härtefallfonds für Opfer der SED-Diktatur beim Berliner Aufarbeitungsbeauftragten.

    Als SED-Opferbeauftragte kümmert sie sich um die Anliegen der Opfer der SED-Diktatur und deren Würdigung als Opfer. Außerdem berät sie den Bundestag und seine Ausschüsse.

    Quelle: Deutscher Bundestag

    ZDFheute: Sie haben sich für diese Gedenkstätte eingesetzt. Was ist Ihnen besonders wichtig an diesem Ort?
    Zupke: Es braucht eine Gedenkstätte von nationaler Bedeutung, die auch das spezifische Leid der Frauen darstellt, die unschuldig eingesperrt waren unter menschenunwürdigen Bedingungen. Getrennt von ihren Familien, aber auch oft getrennt von ihren Kindern, über deren Verbleib sie oft nichts wussten. Die dann oft in Heimen untergebracht waren, es gab auch Zwangsadoptionen.
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    Das ist eine besondere Situation, der Frauen ausgesetzt waren. Durch die Gedenkstätte, für die die Frauen sehr viel geleistet haben, über Jahre hinweg, mit viel Mut und Entschlossenheit, zeigt das auch die Wirkkraft dieser Frauen.
    Deswegen ist es für mich ein Ort, dessen Bedeutung über Sachsen hinausgeht. Hoheneck war ein besonders berüchtigtes Frauengefängnis. Dort saßen etwa 8.000 Frauen, die politisch unschuldig inhaftiert waren.
    ZDFheute: Gewalt, Isolation, Hunger, Zwangsarbeit - die Haftbedingungen waren besonders grausam. Welche Unterstützung fordern Sie für die Betroffenen heute?
    Zupke: Bei der aktuell anstehenden Überarbeitung der Rehabilitierungsgesetze ist vorgesehen, die Opferrente zu dynamisieren, aus meiner Sicht muss eine Erhöhung vorausgehen. Aber das größte Manko sehe ich bei der Anerkennung der verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden.

    Isolierhaft, Einzelzelle, Wasserzelle, kaum oder keine medizinische Versorgung, nicht genug zu essen. Unter den Folgen leiden viele Frauen bis heute - körperlich, aber auch psychisch.

    Sachsen, Stollberg: Die Türen im Zellentrakt des früheren Frauengefängnisses Schloss Hoheneck stehen offen.
    Hoheneck galt als berüchtigtes Gefängnis. Die Haftbedingungen waren hart, besonders für politische Gefangene.
    Quelle: Hendrik Schmidt/dpa

    Das Problem ist, dass diese Folgen oft nicht anerkannt werden, weil die Haft Jahrzehnte zurückliegt. Die ehemals politisch Verfolgten können sich strafrechtlich rehabilitieren lassen und danach beim Versorgungsamt einen Antrag auf Anerkennung der Gesundheitsschäden stellen. Und die sagen: Das kann ja gar nicht daher kommen - das ist ja schon 40, 50 oder 60 Jahre her.
    Die Erlebnisse holen die Frauen aber oft erst nach Jahrzehnten ein. Dann haben sie Schlafstörungen, Angstzustände, körperliche Leiden. Dann setzen sie sich diesen Anerkennungsverfahren aus, die teils sechs bis zwölf Jahre dauern und dann natürlich noch einmal retraumatisierend sind. Deswegen kämpfe ich für ein einfacheres Verfahren.
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    ZDFheute: Wichtig ist auch der Blick auf das Schicksal der Kinder, die von den inhaftierten Müttern getrennt wurden. Wie können sie mehr Aufmerksamkeit und Hilfe bekommen?
    Zupke: Ja, die transgenerationale Weitergabe von Traumata ist ein Thema. Das wird auch von vielen betroffenen Frauen an mich herangetragen. Die Kinder selbst melden sich gar nicht so sehr. Manche möchten damit auch nichts mehr zu tun haben.

    Die gesundheitlichen, vor allem psychischen Folgen, haben natürlich auch die Kinder der ehemals Verfolgten beeinträchtigt.

    Für die Eltern ist es auch oft schwer, wenn zum Beispiel auch Vorwürfe kommen von den Kindern: 'Warum hast du das gemacht? Sonst wäre mir das nicht passiert.' Es ist ein sehr sensibles Thema, wo wir noch mehr Räume schaffen müssen, wo darüber wertfrei gesprochen werden kann.
    Ich erinnere mich an ein Zitat: Als der frühere Bundespräsident Christian Wulff Hoheneck besuchte, hat eine ehemalige Gefangene von ihrem Sohn erzählt. Der habe zu ihr gesagt: "Nur weil du in den goldenen Westen wolltest, hatte ich niemanden im Kinderheim, der mich zugedeckt hat." Das ist ein Satz, der mich immer zu Tränen rührt.
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    ZDFheute: In der Haft mussten die politischen Gefangenen auch Zwangsarbeit leisten und Waren produzieren, die dann im Westen verkauft wurden. Sie haben sich für eine Entschädigung durch die beteiligten Firmen stark gemacht. Was ist daraus geworden?
    Zupke: Ja, auch in Hoheneck wurde Zwangsarbeit geleistet. Die Frauen mussten dort im harten Dreischichtsystem arbeiten, ohne ausreichenden Arbeitsschutz. Es gab auch Todesfälle.

    Auch viele westliche Firmen haben von der Haftzwangsarbeit profitiert.

    Zum Beispiel von den in Hoheneck hergestellten Strumpfhosen der Firma ESDA, die dann auf den Grabbeltischen bei Aldi oder sonst irgendwo gelandet sind. Ich habe seit meiner Amtszeit zirka 50 Firmen angeschrieben. Die Resonanz war mehr als dürftig.
    Ikea, als absolutes Vorbild, hat sich schon sehr frühzeitig zu seiner Verantwortung bekannt. Denn auch für Ikea haben in DDR-Gefängnissen politische Häftlinge Waren oder Teile produziert. Wir sind weiter im Gespräch, um nun zeitnah zu einer Vereinbarung zu kommen. Keine einzige deutsche Firma hat sich bisher bekannt. Sie haben meiner Meinung nach eine Verantwortung, sich auch mit diesem Teil ihrer Firmengeschichte auseinanderzusetzen.
    Das Interview führte Nora Liebmann.

    Sachsen, Stollberg: Markant ragt das Schloss Hoheneck zwischen den Dächern der Stadt Stollberg empor.
    Quelle: Hendrik Schmidt/dpa

    Die Gedenkstätte Hoheneck soll im ehemaligen zentralen DDR-Frauengefängnis an politische Repression und Verfolgung erinnern. Die Dauerausstellung im sächsischen Stollberg erzählt auch von den Haftbedingungen und der Haftarbeit. Gewalt, Willkür, Isolations- und Dunkelhaft, Kälte, Nässe, Überbelegungen und Arbeitszwang prägten die Haftbedingungen. Unter meist unmenschlichen Bedingungen und im Dreischichtsystem mussten die gefangenen Frauen Textilien für den Export der DDR in den Westen herstellen, darunter Bettwäsche und Feinstrumpfhosen.

    Das einstige Burgareal diente seit 1864 als Gefängnis. Ab 1950 richtete die DDR dort ihr zentrales Frauengefängnis ein. Bis 1989 waren etwa 24.000 Frauen eingesperrt, rund 8.000 von ihnen aus politischen Gründen. Die "Politischen" saßen in Hoheneck oft mehrere Jahre, weil sie einen Ausreiseantrag gestellt oder einen Fluchtversuch in den Westen unternommen hatten. Der Name "Hoheneckerinnen" wurde zum Synonym für die politische Verfolgung von Frauen in der DDR.

    Vor allem über die Kinder und Familien wurde hoher psychischer Druck aufgebaut. Zeitzeugen berichten von Brutalität der Aufseherinnen. Privatsphäre gab es nicht.

    Im Frühjahr 2001 wurde Hoheneck als Gefängnis geschlossen. Die Einrichtung der Gedenkstätte verzögerte sich aus verschiedenen Gründen über Jahre. Die Kosten von rund 1,4 Millionen Euro teilten sich vor allem Bund und Land Sachsen.

    Quelle: epd, dpa, Bundestag

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