Zwei Beispiele aus Deutschland:Was bringt Europa den Ländern eigentlich?
von Susanne Freitag-Cateron und Bernd Mosebach
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Am 9. Mai 1950 legte Robert Schuman mit seiner Europa-Rede den Grundstein für die EU. Was bringt sie heute? Beispiele aus dem Saarland und Mecklenburg-Vorpommern.
Vor allem in den Grenzregionen gibt es viele europäische Pendler. Viele Grenzen wurden abgebaut - auch nachdem sie in Zeiten der Corona-Pandemie wieder errichtet wurden. (Archivbild)
Quelle: dpa
Robert Schuman, der "Vater der EU", wird gerne als "Sohn der Großregion" im Südwesten Deutschlands gefeiert. Schulen, Häuser, Chöre werden nach ihm benannt. Geboren als Reichsdeutscher in Luxemburg, später eingebürgert in Frankreich - Europa eben. Er wurde groß mit Kohlegruben und Stahlwerken, die das Saarland und die Grenzregion reich und attraktiv machten.
Heute sind von der Kohle nur noch rostige Fördertürme übrig. Sie ragen im Saarland und in Lothringen in die Luft.
In Saarbrücken pendeln täglich tausende Menschen - die offenen Grenzen in Europa sind eine echte Errungenschaft. Was bedeutet das für die Arbeit in Kitas, bei der Polizei und im Einzelhandel?03.05.2024 | 2:58 min
Verbundenheit zu Europa im Saarland nicht größer als anderswo
Und Europa? Zwischen Saarland, Lothringen und Luxemburg wird der Geist Europas gerne hochgehalten. Nirgendwo sonst gibt es mehr Grenzpendler als hier. Deutsche Pflegekräfte in Luxemburg, französische Industriearbeiter im Saarland, deutsch-französische Schulen - Alltag.
Aber keine Garantie für Europa-Euphorie. Eine Umfrage der Saar-Uni hat gezeigt: Die Bewohner der Grenzregion fühlen sich Europa nicht verbundener als anderswo.
Durch die Grenznähe und die günstigeren Immobilienpreise in Deutschland ziehen viele Luxemburger ins Saarland, zum Beispiel nach Perl. Das treibt auf deutscher Seite die Immobilienpreise in die Höhe.26.03.2024 | 2:03 min
Bürokratie-Hürden im Arbeitsalltag
"Ein Gabelstaplerfahrer aus Forbach in Frankreich kann in Deutschland nicht arbeiten, weil sein Führerschein nicht anerkannt wird" berichtet Corina Mörsdorf, die ein Ausbildungszentrum leitet. Nur eine von vielen Verwaltungsfallen im Alltag.
Trotzdem: Ohne den grenzübergreifenden Arbeitsmarkt geht es nicht. Lothringen und das Saarland wären abgehängt, Luxemburg, der kleine, reiche Global Player wäre nicht überlebensfähig. Fast die Hälfte der Einwohner sind keine Luxemburger.
Perl ist bekannt als Weinanbau-Ort. Die kleine Gemeinde an der Mosel hat aber große Pläne: Sie will Wasserstoff produzieren, damit auch die Stahlindustrie im Saarland versorgen.26.03.2024 | 3:10 min
Grenzübergreifendes Wasserstoffprojekt für "grünen" Stahl
Für die noch existierenden Industriebetriebe kann die Zukunft nur grenzübergreifend sein. Die Stahlbranche setzt auf CO2-armen "grünen" Stahl - gefördert mit EU-Milliarden.
Um die Transformation zu schaffen, ist ein grenzübergreifendes Wasserstoffprojekt geplant, unter anderem mit noch existierenden Pipelines, die in Kohle-Zeiten zum Gastransport dienten. Reicht das, um der Billigkonkurrenz zu trotzen? Das hoffen alle und setzen auf eine EU, die Billig-Importe mit Zöllen verhindern soll.
Industriepolitik grenzübergreifend - Schuman reloaded? Nicht ganz. Europa stößt in der Großregion Saar-Lor-Lux auch an seine Grenzen.
Mit der Europawahl am 9. Juni stellen sich in Deutschland viele Bürger die Frage: Was geht mich Europa an? In einer Reise entlang der Außengrenzen Deutschlands möchten die Autoren aus den ZDF-Landesstudios Geschichten von nachbarschaftlichem Zusammenleben erzählen. Sie können zeigen, wo sich die europäische Idee durchgesetzt hat und die Bürger davon profitieren, aber auch, wo es noch hakt.
Die Doku "Was geht mich Europa an?" ist ab 23. Mai ab 16 Uhr jederzeit in der ZDF-Mediathek zu sehen und um 22:25 Uhr im TV.
Sie sind die Zukunft des Kontinents - und sehen ihre Zukunft selbst eher düster: Jugendliche in Europa. Zu diesem Ergebnis kommt eine Jugendstudie.
EU-Gelder für strukturschwache Regionen im Nordosten
Mecklenburg-Vorpommern ist ein strukturschwaches und landwirtschaftlich geprägtes junges Bundesland, das sich seit drei Jahrzehnten im wirtschaftlichen Aufholkampf mit den alten Ländern befindet. Doch was auf den ersten Blick wie ein Standortnachteil aussieht, entpuppt sich mit Blick auf Europa als Vorteil: Die Fördergelder der Europäischen Union fließen vorrangig in strukturschwache Regionen, in den Agrarsektor und in den Aufbau der ostdeutschen Länder.
Allein zwischen 1989 und 1993 stellte die EU drei Milliarden ECU (damalige europäische Währungseinheit) als Starthilfe für die neuen Länder zur Verfügung. 1994 wurde Ostdeutschland zudem in die Kategorie mit höchster Förderpriorität eingestuft.
In Brüssel geht es am zweiten Tag des EU-Gipfels unter anderem um Hilfe für die europäische Landwirtschaft. Zudem werden höhere Zölle auf russisches Getreide gefordert.22.03.2024 | 0:19 min
Auch aktuell profitiert Mecklenburg-Vorpommern von EU-Förderung, zum Beispiel aus dem "Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes". In der aktuellen Förderperiode (2023-2027) kommen so 653 Millionen Euro aus Brüssel, dazu weitere vom Bund, dem Land und den Kommunen kofinanzierte 303,5 Millionen Euro. Der "Europäischen Sozialfonds Plus", der eine "innovative, grüne und soziale Wirtschaft" fördern soll, stellt für Mecklenburg-Vorpommern weitere 333 Millionen Euro (2021-2027) bereit.
Förderung für Grundschule mit deutschen und polnischen Schülern
Der ergiebigste EU-Topf ist der "Europäische Fonds für regionale Entwicklung": 924,5 Millionen Euro (2021-2027) für den Nordosten, dazu 616,3 kofinanzierte Millionen Euro vom Land, macht rund 1,5 Milliarden Euro in sieben Jahren. Gefördert wird damit zum Beispiel der Neubau der Grundschule im Campus Löcknitz in Vorpommern. Hier werden 360 deutsche und polnische Schüler unterrichtet. 4.180.191 Euro kostet das Projekt, 2.733.642 Euro davon ist Geld der EU.
Am 1. Mai 2004 traten zehn Staaten der EU bei - die größte Erweiterung in der Geschichte der Union. 20 Jahre später fällt der Blick auf erfüllte Hoffnungen und bestehende Sorgen.01.05.2024 | 2:54 min
Auch die Wirtschaftsdaten zeigen die starke Bindung an Europa. Rund zwei Drittel der Einfuhren stammen aus anderen EU-Ländern, mehr als die Hälfte der Ausfuhren gehen dorthin.
Mecklenburg-Vorpommern zeigt: Europa hat etwas übrig für strukturschwache Regionen. Der Nordosten profitiert davon.
Susanne Freitag-Cateron ist Leiterin des ZDF-Landesstudios Saarland. Bernd Mosebach ist Leiter des ZDF-Landessstudios Mecklenburg-Vorpommern.
96 Abgeordnete fürs Europaparlament können die deutschen Bürger bei der Europawahl 2024 wählen. Der Wahl-O-Mat gibt einen Überblick, welche Positionen die Parteien vertreten.