Ethikrat-Tipps: Klimawandel gerecht bekämpfen - geht das?

    Ethikrat gibt Tipps:Klimawandel gerecht bekämpfen - wie geht das?

    |

    Im Kampf gegen den Klimawandel sind ohne Ausnahme alle gefragt: Zu diesem Schluss kommt der deutsche Ethikrat. Es gehe um die Verteilung der Lasten.

    Augetrocknetes Flussbett in Dresden
    Ausgetrocknetes Elbufer bei Dresden: der Klimawandel ist inzwischen allgegenwärtig.
    Quelle: pa/dpa-Bildfunk

    Der Deutsche Ethikrat sieht beim Kampf gegen die Erderwärmung zunächst den Staat in der Pflicht, aber auch jeden Einzelnen sowie Unternehmen und Organisationen.

    Eine moralische Kritik an Entscheidungen im Bereich der privaten Lebensführung und des Konsums ist kein Ersatz für notwendige politische Maßnahmen.

    Deutscher Ethikrat

    Das schreibt der Rat in einer Stellungnahme zum Thema Klimagerechtigkeit. Es bestünden "keine vernünftigen Zweifel mehr", dass die Erde sich durch menschlichen Einfluss und insbesondere die Verbrennung fossiler Energieträger erwärme, betont der Rat schon zu Beginn seiner fast 130 Seiten umfassenden Stellungnahme. "Eine ungebremste weitere Erderwärmung hätte katastrophale Folgen."
    War der vergangene Monat kälter oder wärmer als früher?

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.

    Frage der Gerechtigkeit

    Bei Fragen der Klimagerechtigkeit geht es darum, wie der Umgang mit dem Klimawandel möglichst gerecht zu gestalten ist - sowohl mit Blick auf die Folgen der Erderwärmung als auch auf die Kosten oder Belastungen, die Handeln dagegen mit sich bringen kann. Die Fragen, mit denen der Ethikrat sich befasst hat, skizzierte die Vorsitzende Alena Buyx so:

    Wie kann man die Lasten, die auf uns alle zukommen, möglichst gerecht verteilen? Wer hat dabei wofür die Verantwortung? Und wie schaffen wir das, ohne dass uns allen dabei die Puste ausgeht?

    Alena Buyx, Vorsitzende Ethikrat

    Die Debatten um das Thema seien belastend. "Aber es ist lösbar." Der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte Buyx: "Im besten Fall wird der Bericht bewirken, dass ein Bewusstsein dafür entsteht, dass viele Probleme im Umgang mit dem Klimawandel daher kommen, dass es um Gerechtigkeitsfragen geht." Das werde bislang zu wenig thematisiert.
    12.03.2024, Berlin: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister fu·r Wirtschaft und Klimaschutz, spricht über das erste Gebotsverfahren der Klimaschutzverträge mit einem Gesamtvolumen von bis zu 4 Milliarden Euro.
    Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Dafür muss sich auch die Industrie verändern. Um Firmen trotz Klimavorgaben im Land zu halten, läuft ein Förderprogramm.12.03.2024 | 1:51 min

    Manche Maßnahmen gegen den Klimawandel belasten Geringverdiener stark, die am wenigsten klimaschädliche Emissionen produzieren. Und das ist ungerecht. Es ist gar nicht erstaunlich, wenn es dann Abwehr gibt.

    Alena Buyx, Vorsitzende Ethikrat

    Die Lasten und Pflichten bei der Bewältigung des Klimawandels sollten so verteilt werden, "dass möglichst alle Menschen jetzt und in Zukunft die Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben erreichen können", sagte Ratsmitglied Kerstin Schlögl-Flierl.

    Schwellenwerte nicht unterschreiten

    "Dafür dürfen Schwellenwerte für wichtige Grundgüter wie etwa Gesundheit, Ernährung, Wasser, Sicherheit oder Mobilität nicht unterschritten werden."
    Vertrockneter Boden
    2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und kein Kontinent erhitzt sich so schnell wie Europa, das zeigen neue Daten. Besonders Südeuropa ist gefährdet.11.03.2024 | 1:45 min
    Gerechtigkeitsfragen stellen sich aus Sicht des Ethikrats innerhalb von Gesellschaften, international und zwischen den Generationen. Gerade besonders stark vom Klimawandel Betroffene seien kaum oder gar nicht in Entscheidungen über den Umgang damit eingebunden.

    Gegen Verbote von Produkten oder Dienstleistungen

    "Ansonsten geht unsere heutige Freiheit ungerechterweise auf Kosten der Freiheit anderer schlechter gestellter Menschen bei uns im Land, Ländern im globalen Süden oder auch auf Kosten der jungen und zukünftigen Generationen", erklärte Ratsmitglied Armin Grunwald.
    Landwirt steht vor riesigem Misthaufem, er hält Kuhmist in den Händen
    Für die Energiewende will die Bundesregierung neue Back-up-Kraftwerke bauen lassen, die zunächst mit Erdgas und dann mit grünem Wasserstoff laufen sollen. Das wird teuer. 06.02.2024 | 8:55 min
    Verbote bestimmter Produkte oder Dienstleistungen hält der Rat für eine der schlechteren Möglichkeiten.

    Wir schlagen keine konkreten Verbote vor, auch deswegen, weil wir sehr darauf hinweisen, dass Verbote ja das Individuum am meisten betreffen.

    Alena Buyx, Vorsitzende Ethikrat

    Dem Rat geht es eher um politische Entscheidungen und Rahmenbedingungen. "Es ist unangemessen, von staatlicher Seite bei den Menschen emissionsärmeren Lebensstil und Konsum zu erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind", schreibt der Rat.

    "Moralisches Heldentum" nicht hilfreich

    "Emissionsärmeres Handeln erfordert in vielen Feldern immer noch die Inkaufnahme von Opfern, Nachteilen, möglicherweise gar ein "moralisches Heldentum", gerade von finanziell Schlechtergestellten." Das sei ungerecht und nicht hilfreich.
    Schaltgespräch mit Isabelle Schaefers am 06.02.2024
    Die EU-Kommission hat als Klimaziel die Senkung der Emissionen bis 2040 um 90% im Vergleich zu 1990 vorgeschlagen. Eine Einschätzung von ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers.06.02.2024 | 1:48 min
    Grunwald sagte, auf dem Land komme man vielerorts ohne Auto schlecht zurecht. Das entbinde aber nicht von "einer individuellen moralischen Mitwirkungspflicht", so der Rat.

    Warnung vor Technikverliebtheit

    Der Ethikrat warnt davor, sich allzu sehr auf Techniken etwa zur unterirdischen CO2-Speicherung (CCS) zu verlassen und dabei weniger gegen die Erderwärmung zu tun. "Wir haben in der Tat in der technischen Zivilisation so eine Neigung, ein Problem zu lösen mit Technik, und die Nebenfolgen der Technik kommen dann später", sagte Grunwald mit Blick auf mögliche Risiken.

    ... versteht sich als unabhängies Gremium von Sachverständigen. Es kümmert sich nach eigenen Angaben um ethische, gesellschaftliche, naturwissenschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen". Außerdem kann es von Bundestag und Bundesregierung aufgefordert werden, Themen einzuschätzen. Der Ethikrat besteht vor allem aus Theologen, Naturwissenschaftlern, Juristen und Naturwissenschaftlern. Derzeit besteht das Gremium aus 24 Mitgliedern.

    Drei Mitglieder distanzierten sich mit einem Sondervotum teilweise von den Schlussfolgerungen des Rats. Dieser berücksichtige zu wenig die Rolle von Innovationen, bleibe in seiner Argumentation teils zu vage.
    Der Ethikrat fordere weitreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel, obwohl deren Erfolgsaussichten unklar blieben.

    Zeitdruck macht eine ineffektive Maßnahme nicht zu einer effektiven.

    Deutscher Ethikrat

    Grunwald hingegen betonte: "Es wäre geradezu unverantwortlich, auf nationale und europäische Klimaschutzmaßnahmen nur deshalb zu verzichten, weil die weltweite Umsetzung entsprechender Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung noch nicht gesichert erscheint."
    ZDFheute-Klimaradar Dashboard

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    Seine Kollegin Kerstin Schlögl-Flierl warnte:

    Sich nur auf die anderen zu verlassen, führt letztendlich dazu, dass niemand etwas tut.

    Kerstin Schlögl-Flierl, Mitglied deutscher Ethikrat

    Quelle: dpa

    Mehr zum Thema