Mouhamed Dramé bei Einsatz getötet: Hat die Polizei versagt?

    Prozess in Dortmund:Tod von Mouhamed Dramé: Versagte die Polizei?

    ZDF-Korrespondent Thomas Münten
    von Thomas Münten
    |

    Der geflüchtete Mouhamed Dramé befand sich im August 2022 in einer psychischen Krise. Die Polizei rückt an - ein Beamter verletzt ihn mit Schüssen tödlich. Nun startet der Prozess.

    Der 16-jährige Mouhamed Lamine Dramé wurde bei einem Polizeieinsatz erschossen.
    Nach dem Tod von Mouhamed Lamine Dramé sind fünf Polizisten angeklagt. Sie hatten Pfefferspray eingesetzt, die Situation eskalierte. Experten kritisieren das Vorgehen.13.05.2023 | 1:29 min
    Er war erst seit sieben Tagen in Deutschland. Mouhamed Dramé, 16 Jahre alt, geflüchtet aus dem Senegal. Die Flucht war lang - mehrere Tage Fußweg, Schleuser, Schlepper, Angst und immer das Ziel: Dortmund. Mouhamed wusste nichts über die Stadt und die Region, außer, dass sein Lieblingsverein dort Fußball spielt: Die Dortmunder Borussia. Allein kam er in Dortmund an, schwer traumatisiert, landete in einer Wohngruppe.

    Polizist erschießt Mouhamed Dramé mit sechs Schüssen

    Deren Betreuer hatte die Polizei gerufen. Aber nicht, um allgemein Gefahren abzuwehren, sondern weil sich Mouhamed mit einem Küchenmesser in eine Ecke auf einem Kirchengelände zurückgezogen hatte. Der Betreuer hatte Sorge, dass Mouhamed sich umbringen wollte, mit der einsamen Situation in Deutschland überfordert war. Kurz danach war der Junge tot, erschossen von einem Polizisten mit sechs Schüssen aus einer Maschinenpistole.
    Angeklagt sind ein 30-jähriger Beamter wegen Totschlags, er hatte geschossen sowie drei Kolleg*innen wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt und der Dienstgruppenleiter wegen Anstiftung dazu. Suspendiert ist lediglich der Schütze, die anderen Polizist*innen wurden innerhalb der Stadt versetzt.
    Zwölf Beamte nahmen am Einsatz teil
    Die Situation eskalierte, obwohl zwölf Polizist*innen einem 16-Jährigen gegenüber standen und obwohl dieser, so die Aussagen, zunächst überhaupt nicht aggressiv gegen die Beamt*innen war. Er konnte sie wahrscheinlich kaum verstehen, Sprachkenntnisse in Deutsch hatte er nur sehr geringe. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde zunächst Pfefferspray gegen den mit einem Küchenmesser in einer Ecke sitzenden Jungen eingesetzt.
    Als er daraufhin aufspringt, treffen ihn erst zwei Tasergeschosse mit Stromstößen und unmittelbar danach vier der sechs abgefeuerten Kugeln aus einer Maschinenpistole. Mouhamed Dramé stirbt während der Notoperation im Krankenhaus. Die Bodycams aller am Einsatz beteiligten Polizist*innen waren nicht in Betrieb, eine Telefonaufzeichnung des Betreuers jedoch lässt den Ablauf erahnen.
    Professor Raphael Behr bildet an der Akademie der Polizei in Hamburg junge Beamt*innen aus. Er sieht in vielen Aspekten dieses Ablaufs Fehler und Versagen. "Das hat ein Gschmäckle und wird das Vertrauen der Bürger in ihre Polizei weiter untergraben", meint er - und dass es eine Veränderung im allgemeinen Polizeiverhalten gebe.

    Wir bewegen uns weg vom "Freund und Helfer" in Uniform zum 'Law and Order'-Polizisten. Das ist bedenklich.

    Raphael Behr, Akademie der Polizei Hamburg

    Urteil im kommenden Jahr erwartet

    Seitdem rumort es in der Stadt. Die Polizei, die seit Jahren in der Dortmunder Nordstadt mit rechtsextremen Tendenzen zu tun hat und der dort oft eine gewisse "Blindheit auf dem rechten Auge" vorgeworfen wurde, muss sich wieder mit rassistischen und Vorwürfen zur hohen Gewaltbereitschaft auseinandersetzen. Und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kommen zu dem klaren Ergebnis: Eine Notsituation lag nach den Erkenntnissen nicht vor, insoweit war das Verhalten der Polizei unangemessen und strafbar.
    Im Vordergrund steht ein Polizist mit Maschinenpistole in der Hand, dahinter links das grün leuchtende Spur-Logo, rechts sieht man ein Plakat, auf dem Mouhamed zu sehen ist.
    Der 16-jährige Flüchtling Mouhamed droht, sich das Leben zu nehmen. Die Polizei wird gerufen, kurz darauf ist der Junge tot. Getötet von Kugeln aus einer Polizeiwaffe.03.05.2023 | 29:00 min
    Bei einer Verurteilung erwarten den Schützen bis zu fünf Jahre Haft, die anderen drei Jahre. Alle würden ihr Beamtenverhältnis verlieren. Der Prozess begann heute mit 30 Minuten Verspätung. Es wird damit gerechnet, dass ein Urteil erst im April 2024 fallen wird.
    Zu den Prozesstagen im Januar wollen auch die Eltern des getöteten Jungen anreisen. Sie warten auf ihr Visum, haben aber eine Nebenklage eingereicht.