Wie die Länder mit dem 49-Euro-Ticket umgehen

    Findet Stendal Nachahmer?:Wie die Länder mit dem 49-Euro-Ticket umgehen

    |

    Wirren um das Deutschlandticket: Findet der Rückzug des Landkreises Stendal Nachahmer? Eine Umfrage in den Verkehrsministerien zeigt, wie die Länder mit dem Fahrschein umgehen.

    Fahrgäste stehen am Berliner Hauptbahnhof neben einem Regionalexpress am Bahnsteig.
    Tarifliche Anordnungen zum Deutschlandticket gibt es vielerorts nicht.
    Quelle: dpa

    Nach dem Chaos rund um das Deutschlandticket im Landkreis Stendal könnten theoretisch auch weitere Regionen aus dem einheitlichen Fahrschein aussteigen - die Verkehrsministerien der meisten Länder sehen dazu aber keine Bestrebungen in den Kommunen. Tarifliche Anordnungen von den Landesregierungen, das Ticket zu akzeptieren, gibt es aber vielerorts nicht, wie eine Umfrage der dpa unter den Landesverkehrsministerien ergab.
    Die meisten Länder setzen darauf, dass Landkreise und Verkehrsunternehmen durch Beschlüsse innerhalb der Verkehrsverbünde an das Deutschlandticket gebunden werden. Dass ein ganzer Verkehrsverbund aus dem Deutschlandticket aussteigt, ist unwahrscheinlich - aber je nach Größe auch nicht unmöglich.
    Deutschlandticket-Nutzung
    Seit mehreren Monaten ist das Deutschlandticket auf dem Markt und wurde viele Millionen Mal verkauft. Wie viele Neukunden konnten gewonnen werden und wie steht es um die Finanzierung in Zukunft?11.10.2023 | 2:01 min

    Stendal: Ticket gilt ab 1. Januar nicht mehr in Bussen

    Im Landkreis Stendal hatte der Kreistag einen Beschluss zur Anerkennung des Deutschlandtickets nicht genehmigt. Damit gilt das Ticket in den Bussen dort ab dem 1. Januar nicht mehr. Der Landkreis hatte für die ersten vier Monate des Jahres mit zusätzlichen Kosten von 40.000 Euro gerechnet.
    Kommende Woche soll ein Sonderkreistag zusammenkommen, um erneut über die Anerkennung des Deutschlandtickets zu entscheiden. Zuvor hatte das Land den Kreisen weitere zehn Millionen Euro für die Finanzierung versprochen.

    Thüringen hat ÖPNV-Gesetz angepasst

    Das Verkehrsministerium in Hessen erklärte auf Anfrage:

    So etwas wäre in Hessen nicht möglich. Denn hier gilt in allen Verkehrsverbünden ein sogenannter Verbundtarif, zu dem auch das Deutschlandticket und andere Angebote wie zum Beispiel das Seniorenticket gehören.

    Verkehrsministerium Hessen

    Ganz ähnlich ist die Situation beispielsweise in Brandenburg und Schleswig-Holstein. Der Landkreis Stendal ist nicht Teil eines Verkehrsverbunds und konnte sich entsprechend leichter gegen das Deutschlandticket wenden.
    Thüringen hat das Deutschlandticket in seinem ÖPNV-Gesetz verankert - nach eigenen Angaben als einziges Bundesland. Im Gegenzug sei festgelegt worden, "dass der Freistaat Thüringen den Verkehrsunternehmen den Ausgleich der damit verbundenen Nachteile schuldet", erklärte das Ministerium in Erfurt.

    Baden-Württemberg und Sachsen prüfen Anordnung

    Die Verkehrsministerien in Baden-Württemberg und Sachsen teilten dagegen mit, dass eine tarifliche Anordnung noch geprüft werde. In Baden-Württemberg gibt es rund 20 Verkehrsverbünde, manche von ihnen repräsentieren nur einen einzelnen Landkreis. Die Hürden für einen Protest wie in Stendal wären also kleiner als etwa in Brandenburg, wo der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg alle Landkreise umfasst.
    Ein Sprecher des niedersächsischen Verkehrsministeriums teilte mit, dass eine Situation wie in Stendal auch dort theoretisch möglich sei. Man sehe diese Gefahr aber nicht. In Nordrhein-Westfalen hieß es:

    Auf Nordrhein-Westfalen bezogen, sind uns ähnliche Vorgänge wie in Stendal nicht bekannt. Daher sehen auch wir keine Notwendigkeit einer Anordnung.

    Verkehrsministerium NRW

    In Mecklenburg-Vorpommern wurden die Kommunen durch ein Schreiben des Landes aufgefordert, die bestehenden Tarifanordnungen für das Deutschlandticket bis zum 30. April 2024 zu verlängern.
    Straßenbahn in Dresden
    Die Finanzierungslücke bei den Verkehrsbetrieben wird immer größer. Weniger Einnahmen durch das günstige 49-Euro-Ticket und gleichzeitig steigende Energiekosten. Dresden will deshalb Fahrpläne kürzen.25.07.2023 | 2:03 min

    Zum 1. Mai 2024 droht Preiserhöhung

    Hintergrund der Debatte ist die nicht bis ins Detail geregelte Finanzierung des Deutschlandtickets für 2024. Bund und Länder sind sich zwar darüber einig, dass es das Deutschlandticket auch im kommenden Jahr geben soll, aber nicht, wie mögliche Mehrkosten getragen werden.
    Laut einer Prognose des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) dürften die Verluste der Branche durch die Einführung des Deutschlandtickets dieses Jahr 2,3 Milliarden Euro betragen, nachdem das Ticket erst Anfang Mai eingeführt wurde. Im vollen Jahr 2024 dürften es 4,1 Milliarden Euro sein.
    Bund und Länder haben bisher zugesagt, für 2023 und 2024 sechs Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen - es könnte also eine Lücke von 400 Millionen Euro entstehen. Die Verkehrsminister der Länder wurden Anfang November damit beauftragt, rechtzeitig vor dem 1. Mai 2024 ein Konzept für die weitere Finanzierung des Tickets vorzulegen. Mit zum Auftrag gehört ein Mechanismus zur Fortschreibung des Ticketpreises, "der auch eine Erhöhung beinhalten kann".
    Quelle: dpa

    Mehr zum Verkehr