Gehsteigbelästigung: Wenn Abtreibungsgegner protestieren

    FAQ

    Gesetz zu "Gehsteigbelästigung":Wenn Abtreibungsgegner protestieren

    von Carolin Wolf
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    Mit Plakaten und Gesängen wird immer wieder vor Beratungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche protestiert. Der Bundestag will nun weiter dagegen vorgehen und Schwangere schützen.

    Symbolbild: Abtreibungsgegner demonstrieren auf dem Königsplatz
    Schwangere sollen künftig vor sogenannten Gehsteigbelästigungen besser geschützt werden. (Symbolbild)
    Quelle: picture alliance / SZ Photo / Robert Haas

    Am Freitag will der Bundestag über einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes abstimmen. Hier steht der Schutz von Schwangeren vor sogenannten Gehsteigbelästigungen im Fokus. Was es damit auf sich hat.

    Was bedeutet "Gehsteigbelästigung"?

    Ob mit Plakaten oder choralen Gesängen - in unmittelbarer Nähe von Beratungsstellen für Schwangerschaftsabbrüche kommt es immer wieder zu Protestaktionen. Auch vor Kliniken oder Arztpraxen, die Schwangerschaftskonfliktberatungen anbieten oder Schwangerschaftsabbrüche durchführen, gibt es solche Versammlungen.

    In Deutschland ist eine Abtreibung grundsätzlich strafbar, es sei denn, sie findet in den ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Geregelt wird das im Paragraf 218 Strafgesetzbuch (StGB). Nicht strafbar ist ein Abbruch nach derzeitiger Rechtslage auch, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn dieser wegen einer Vergewaltigung erfolgt.

    Vor dem Hintergrund einer erwarteten Experten-Empfehlung an die Bundesregierung gibt es derzeit viele Forderungen, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren.

    Quelle: dpa

    Dabei würden sowohl Schwangere als auch Fachpersonal zum Teil gezielt gegen ihren Willen angesprochen, um ihnen etwa eine andere Meinung zu Schwangerschaftsabbrüchen aufzudrängen, so die Bundesregierung. Sie würden zudem mit unwahren oder verstörenden Inhalten konfrontiert werden. Schwangere treffe das in einer ohnehin "besonderen physischen und psychischen Belastungssituation".
    Infolge des "erzeugten moralischen Drucks", könnten sich Schwangere in der Beratung nicht mehr öffnen oder würden von einem Besuch der Beratungsstelle Abstand nehmen, so der Paritätische Gesamtverband. Zudem wirken sich "Gehsteigbelästigungen" laut des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF) nachteilig auf die Bereitschaft der Frauenärzte aus, Schwangerschaftsabbrüche anzubieten und durchzuführen.
    Zwei Demonstranten, links Frau, rechts Mann, mit Plakaten "In Deutschland wird alle 5 Minuten ein Kind abgetrieben" "Ab wann haben Menschen Rechte?"
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    Wer gehört zu den Protestierenden?

    Zu den Protestierenden zählen Abtreibungsgegner, die laut Ulrike Lembke vom Deutschen Juristinnenbund den Zugang für ungewollt Schwangere zu "Beratung und medizinischer Versorgung erschweren oder verhindern". Lembke beschreibt sie als "fundamentalistisch orientierte Personen christlichen Glaubens".
    Laut BVF nehmen solche An- und Übergriffe nicht nur zu, sondern werden auch massiver und finden darüber hinaus sowohl analog als auch digital statt.
    Abtreigungsgegner bei Protestaktion
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    Wie will die Regierung dagegen vorgehen?

    Bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wurde festgehalten, dass die Regierung das Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken und "wirksame gesetzliche Maßnahmen" den "Gehsteigbelästigungen" entgegensetzen will.
    Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte, dass Schwangere vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken "vor Belästigungen und unzumutbaren Einflussnahmen" geschützt werden müssen.

    Diese Belästigungen sind nicht hinnehmbar.

    Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen)

    Die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes - über das nun abgestimmt wird - untersagt dabei nicht nur verschiedene Formen der Belästigung vor entsprechenden Stellen. Es geht auch darum, dass das Fachpersonal ungestört arbeiten kann.
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    Was sieht die Gesetzesänderung vor?

    Mit der geplanten Änderung will die Bundesregierung "bestimmte, nicht hinnehmbare Verhaltensweisen" untersagen, "wenn diese geeignet sind, die Inanspruchnahme der Beratung in der Beratungsstelle oder den Zugang zu Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, zu beeinträchtigen". Das gelte für "wahrnehmbare Verhaltensweisen" in einem Bereich von 100 Metern um den Eingangsbereich. Untersagt werden soll außerdem:
    • das absichtliche Erschweren des Betretens einer Einrichtung durch Hindernisse
    • einer Schwangeren gegen ihren erkennbaren Willen die eigene Meinung aufzudrängen
    • sie erheblich unter Druck zu setzen
    • sie mit unwahren Tatsachenbehauptungen oder verstörenden Inhalten zu konfrontieren
    Verstöße sollen in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro belegt werden.
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    Welche Kritik gibt es daran?

    Die geplante Änderung wird von Sachverständigen mitunter kritisch bewertet. So hieß es in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Mai etwa, dass der Gesetzentwurf "überflüssig und zugleich übergriffig" sei. Die Proteste seien durch Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt.
    Aus der Opposition wie etwa der Union oder AfD kam teils harsche Kritik. Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU), beklagte beispielsweise, dass Paus nicht beziffern könne, wie viele Menschen überhaupt betroffen seien. Paus spreche von "Einzelfällen", sollte diese aber offenlegen, wenn schon ein Bundesgesetz geändert werden solle, betonte Breher.
    Mit Material von KNA und dpa

    Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland

    Abtreibungsrecht weltweit