Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandal: Wo bleiben die Milliarden?
Cum-Cum-Steuerbetrug:Versagt der Staat beim Rückholen der Gelder?
von Heiko Rahms
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Rund 40 Milliarden Euro Schaden sind durch Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte entstanden. Geld, das der Staat zurückholen könnte. Warum kommen die Ermittlungen so schleppend voran?
Die Zeit für das Zurückholen der Milliarden drängt.(Symbolbild)
Quelle: dpa
Der Moment am Freitagvormittag war historisch. Der Bundesrat stimmt für ein gigantisches Schuldenpaket, um die Bundeswehr aufzurüsten und die Infrastruktur im Land zu erneuern. Es könnten deutlich weniger Schulden sein, wenn ein gigantischer Steuerbetrug aufgeklärt würde.
So soll dem Staat allein durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Geschäfte etwa ein Schaden in Höhe von 40 Milliarden Euro entstanden sein, schätzt Anne Brorhilker von der Bürgerintiative Finanzwende in einem ZDF-Interview. Eine Summe, die der Staat zurückfordern könnte, wenn er denn seine Hausaufgaben machte. Doch genau an dieser Stelle hakt es.
Cum-Ex gilt als größter Steuerskandal Deutschlands. Bleibt er ungestraft? Warum hat Chefermittlerin Brorhilker hingeschmissen? Und was wusste Olaf Scholz? Ein Faktencheck.15.07.2024 | 17:51 min
Kürzere Fristen für Aufbewahrung von Buchungsbelegen
Nach höchstrichterlichen Urteilen wäre es längst möglich, dass sich der Fiskus das Geld zurückholt. Das hat er allerdings bis heute nur ansatzweise getan. Nach Kenntnisstand des Bundesfinanzministeriums wurden zum Stichtag 31.12.2023 bei Cum-Cum-Geschäften nur etwa 200 Millionen Euro zurückgefordert. Das entspricht nur 0,72 Prozent des Gesamtschadens. Und nun drängt die Zeit.
Grund ist das Bürokratie-Entlastungsgesetz IV. Es verkürzt die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen von zehn auf acht Jahre. Doch das sind die wichtigsten Beweismittel, um Cum-Cum und Cum-Ex nachweisen zu können.
Mit Cum-Ex verbindet man den wohl größten Steuerraub der Geschichte. Er blieb viele Jahre unentdeckt, bis einige mutige Menschen die Wahrheit ans Licht brachten.22.03.2025 | 91:05 min
Die Bürgerinitiative Finanzwende hat gegen die vorzeitige Vernichtung von Akten die Petition "CumCum-Milliarden: Schredderpläne stoppen!" gestartet. Bisher haben 327.000 Menschen unterzeichnet.
Cum-Ex-Geschäfte sind eine Form der Steuerhinterziehung, bei der Aktien um den Stichtag der Dividendenzahlung hin und her gehandelt wurden. Mal mit (also "cum"), mal ohne ("ex") Dividendenanspruch. Dieses Vorgehen wurde so oft wiederholt, dass die Behörden nicht mehr hinterherkamen. So war es den Finanzinstitutionen möglich, sich eine einmal auf Aktiendividenden gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten zu lassen. Den Erlös teilen sich die Akteure und der Staat geht leer aus. Der Bundesgerichtshof hat diese Deals, bei denen den Steuerbehörden einige Milliarden Euro entgingen, als rechtswidrig eingestuft.
Brorhilker: Politischer Wille fehlt
Doch warum kommen die Ermittlungen in den Cum-Ex- und Cum-Cum-Fällen nur so schleppend voran? Anne Brorhilker kennt die Gründe, denn sie war viele Jahre Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Köln und ist eine der bekanntesten Cum-Ex-Ermittlerinnen Deutschlands. Sie ließ sich im April 2024 aus dem Beamtenstatus entlassen und ist seither Co-Geschäftsführerin der Bürgerinitiative Finanzwende.
Anne Brorhilker hat als Staatsanwältin zehn Jahre lang an der Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals gearbeitet. Im April legte sie den Dienst nieder, jetzt hat sie erstmals über ihre Erfahrungen gesprochen.16.07.2024 | 1:59 min
Sie fordert mehr und besser geschultes Personal in den Staatsanwaltschaften. "Es gibt zu viel Personalfluktuation. Es werden immer wieder neue Leute eingesetzt, die sich wieder von vorne einarbeiten müssen."
Wir müssen aufpassen, dass uns nicht die guten Leute von teuren Kanzleien weggeschnappt werden.
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Anne Brorhilker
Außerdem fehle es am politischen Willen, organisierte Steuerkriminalität wirksam und zielgerichtet zu bekämpfen.
"Mehrere Anklagen befinden sich auf der Zielgeraden", sagt der Cum-Ex-Chefermittler Tim Engel. Nach dem Rücktritt seiner Vorgängerin Anne Brorhilker steht die Behörde unter Druck.
von Heiko Rahms
Erfolg in Bundesländern unterschiedlich
Die Bundesländer sind im Kampf um Rückholung der verschwundenen Steuermilliarden unterschiedlich erfolgreich. Hessen, das Bundesland mit dem bundesweit größten Bankensektor, hat bisher rund eine Milliarde Euro zurückgeholt.
In NRW läuft es weniger gut. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Die Grünen) steht unter hohem Druck, dass die Staatsanwaltschaft Köln auch nach dem Weggang Brorhilkers weitere Anklagen erhebt. Aktuell ermittelt die Behörde gegen 1.700 Beschuldigte in Cum-Cum- und Cum-Ex-Fällen.
Anne Brorhilker mahnt die rasche Aufarbeitung an: "Wenn der Staat im Bereich der Wirtschaftskriminalität nicht genauso entschlossen vorgeht wie in anderen Kriminalitätsbereichen, sondern da mit zweierlei Maß misst, dann kann eben schnell auch das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren gehen."
Quelle: dpa
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