Anne Brorhilker:Cum-Ex-Chefermittlerin kündigt überraschend
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Anne Brorhilker, Chefermittlerin im Cum-Ex-Skandal, hat überraschend gekündigt. Sie ist mit der Art und Weise, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt werde, unzufrieden.
Anne Brorhilker, Chefermittlerin im Cum-Ex-Skandal, wirft hin.
Quelle: Picture Alliance/dpa
Die Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker hat gekündigt - und übt Kritik an der Aufarbeitung des Steuerskandals.
Die Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker hat gekündigt und kritisiert die politische Aufarbeitung des Steuerskandals. "Dort, wo es um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe geht, ist der Staat schwach aufgestellt", so Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick.23.04.2024 | 4:47 min
Brorhilker habe um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Köln am Montag auf dpa-Anfrage. Zuvor hatte der WDR berichtet. Zu Brorhilkers Gründen äußerte sich die Behörde nicht. Die Oberstaatsanwältin nahm eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Cum-Ex-Steuerbetrügern ein.
Gegenüber dem WDR erklärte Brorhilker, sie sei mit der Weise, "wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt" werde, "nicht zufrieden". Oft würden dabei "Täter mit viel Geld und guten Kontakten" auf eine "schwach aufgestellte Justiz" treffen.
Die Politik habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Cum-Ex-Fälle noch immer nicht hinreichend reagiert. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle. Grund seien fehlende Kontrollen, was bei Banken und auf den Aktienmärkten geschehe.
Cum-Ex-Geschäfte sind eine Form der Steuerhinterziehung, bei der Aktien um den Stichtag der Dividendenzahlung hin und her gehandelt wurden. Mal mit (also "cum"), mal ohne ("ex") Dividendenanspruch. Dieses Vorgehen wurde so oft wiederholt, dass die Behörden nicht mehr hinterherkamen. So war es den Finanzinstitutionen möglich, sich eine einmal auf Aktiendividenden gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten zu lassen. Der Bundesgerichtshof hat diese Deals, bei denen den Steuerbehörden einige Milliarden Euro entgingen, als rechtswidrig eingestuft.
Brorhilker untersuchte Cum-Ex-Fälle seit 2012
In rund 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren wurde in Köln unter Brorhilkers Führung gegen 1.700 Beschuldigte ermittelt. Durch den Cum-Ex-Betrug, der seine Hochphase von 2006 bis 2011 hatte, wurde der deutsche Staat schätzungsweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt.
Der Cum-Ex-Betrug gilt als größter Steuerskandal der Bundesrepublik. Die 50-jährige Brorhilker untersuchte die Fälle seit 2012. Während ihrer Amtszeit wurde auch die Cum-Ex-Schlüsselfigur Hanno Berger verurteilt.
Bei den Steuerdeals wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenansprüche in kurzer Zeit zwischen Finanzakteuren hin- und hergeschoben. Bei dem Verwirrspiel erstattete der Fiskus unwissentlich Steuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Erst mit einer zum Januar 2012 greifenden Gesetzesänderung wurde den Deals ein Riegel vorgeschoben.
Quelle: dpa
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