ME/CFS: Wie Corona die Zahl der Erkrankungen verdoppelte
Fünf Jahre nach der Pandemie:Wie Corona ME/CFS-Erkrankungen verdoppelte
von Susana Santina
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Durch Corona hat sich die Zahl der ME/CFS-Erkrankten auf 620.000 erhöht. Viele kämpfen um Anerkennung. In der Medizin gibt es zu wenig Forschung und Versorgung, sagen auch Ärzte.
Kalea leidet nach Corona an ME/CFS, einer schweren Immunerkrankung, die ihr jede Kraft raubt. Katja und Andrea sind nach der COVID-Impfung erkrankt. Alle fühlen sich allein gelassen und vergessen.08.03.2025 | 10:50 min
Vor der Corona-Pandemie war die schwere neuro-immunologische Erkrankung ME/CFS für die meisten unbekannt. Viele Betroffene sind ans Bett gebunden, unter anderem mit Schmerzen und einer schweren Belastungsintoleranz. Schon alltägliche Dinge können dazu führen, dass es ihnen noch schlechter geht. Ursache ist oft eine vorangegangene Infektion etwa mit dem Epstein-Barr-Virus.
Durch die Corona-Pandemie hat sich die Anzahl der Betroffenen in Deutschland mehr als verdoppelt, auf rund 620.000.
ME/CFS macht 15-jährige zum Pflegefall
Auch die 15-jährige Kalea aus Dresden ist an ME/CFS erkrankt. Erst die Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, dann mit Corona. Das hat sie zum Pflegefall gemacht.
Seit Corona ist die Zahl der an ME/CFS erkrankten Patienten stark gestiegen. Häufige Symptome: Schmerzen und Erschöpfung. Die Betroffenen fühlen sich alleine gelassen, fordern mehr Unterstützung.09.03.2024 | 17:51 min
Seit mehr als zwei Jahren geht Kalea nicht mehr zur Schule, kann nicht laufen, braucht für Alltäglichkeiten die Hilfe ihrer Mutter. Sie leidet unter immer wiederkehrenden Schmerzen. "Alles ist eigentlich gleich schlimm", sagt Kalea.
Dass ich meine Familie weniger sehen kann, und dass ich immer so schlapp bin. Ich kann nicht so viel machen, obwohl ich das gern möchte.
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Kalea, ME/CFS-Erkrankte
Erkrankte demonstrieren liegend für Anerkennung
Ihre Mutter Elena Lierck fühlt sich im Stich gelassen: "Wir wissen, dass es eine unheilbare Krankheit ist, die man symptomatisch lindern kann. Wenn man Ärzte hat, die einen unterstützen. Was schwierig, teilweise aussichtslos ist."
Das chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS ist eine bislang rätselhafte Krankheit. Nun gibt es erste Erkenntnisse, die den Weg zu einer Therapie erleichtern könnten.13.05.2024 | 5:27 min
Elena Lierck geht es wie vielen Angehörigen von ME/CFS-Erkrankten, die immer wieder mit Demos - sinnbildlich liegend - auf fehlende Anerkennung, Forschung und Versorgung hinweisen.
Ärztin: Zu wenige Mediziner kennen sich mit ME/CFS aus
Nach wie vor kennen sich zu wenige Ärzte mit ME/CFS aus, sagt Dr. Anna Brock, Fachärztin für Innere Medizin: "Viele Patienten vegetieren zu Hause, ohne dass sie einen Zugang zu medizinischer Versorgung haben."
Was eklatant fehlt, sind stationäre Einrichtungen, um erst einmal eine neurologische Abklärung für diese Patienten zu machen.
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Anna Brock, Fachärztin für Innere Medizin
Hunderttausende leiden unter der chronischen Erschöpfung ME-CFS. Aber nur die, die wegen Corona daran erkrankt sind, bekommen Medikamente bezahlt.17.09.2024 | 1:35 min
Dr. Jürgen Steinacker, Professor am Institut für rehabilitationsmedizinische Forschung der Universität Ulm fügt hinzu:
Wir werden in 20 Jahren alles wissen. Aber jetzt müssen wir behandeln. Jetzt liegen die Leute im Bett. Jetzt sind die Leute krank.
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Jürgen Steinacker, Rehabilitationsmediziner
Mediziner sehen auch Covid-Impfung als Auslöser
Beide Mediziner betonen, dass auch die Covid-Impfung ME/CFS auslösen kann. Wie bei Katja aus Plauen im Vogtland. Bei der 49-jährigen war der Auslöser mit hoher Wahrscheinlichkeit die Impfung von Biontech. Das haben ihr zig Ärzte bescheinigt. Viele Nervenfasern in Katjas Gehirn sind entzündet. Nur eine von vielen Diagnosen.
"Ich hatte eine Herzmuskelentzündung gleich nach der Impfung. Eine Herzbeutelentzündung. Das Herz ist geschädigt. Ich habe fast 40 Diagnosen, und nicht eine davon wurde mir vor der Impfung gestellt. Der kausale Zusammenhang wurde zweifelsfrei nachgewiesen."
Sozialverband lehnt Anerkennung von Impfschaden ab
Trotzdem hat der Kommunale Sozialverband Sachsen ihren Antrag auf Anerkennung des Covid-Impfschadens abgelehnt. So entscheiden bislang die allermeisten Versorgungsämter in Deutschland. Auch wenn die Betroffenen teils viele medizinische Belege einreichen.
Katja ist komplett auf Hilfe angewiesen, kann sich nicht mal allein die Haare waschen. "Man hat sich solidarisch gezeigt", sagt sie. "Es wurde gesagt, die Impfung ist nebenwirkungsfrei, und ich habe das geglaubt. Jetzt hat man den schweren Schaden und wird völlig im Stich gelassen."
Fabian war kurz davor, Professor zu werden, als er Long Covid entwickelte. Mit ME/CFS kämpft er täglich gegen Erschöpfung. Eine Heilung gibt es noch nicht. 12.03.2025 | 1:22 min
Studie: Spike-Proteine bei Impfgeschädigten Hunderte Tage im Körper
Auffällig ist, dass in Katjas Körper bis heute Spike-Proteine nachgewiesen werden. Im Blut und in den Immunzellen. Die sogenannte Spike-Persistenz bei Impfgeschädigten wurde gerade auch in einer Yale-Studie belegt. Bei diesen Personen, ohne vorherige Infektion, waren Spike-Proteine 709 Tage nach der Impfung im Körper nachweisbar.
In den Aufklärungsbögen für Biontech- und Moderna-Impfungen wurde beschrieben, dass Spike-Proteine nicht lange nach der Impfung im Körper bleiben. In dem von Juni 2021 heißt es: "Die im Impfstoff enthaltene mRNA wird im Körper nach einigen Tagen abgebaut. Danach wird auch kein Virusweiß (Spikeprotein) mehr hergestellt."
Immer wieder muss sich die 18-jährige Pia hinlegen. Ihre Erschöpfungszustände sind teils so schlimm, dass sie im Bett bleiben muss. Was ME/CFS für Kinder und Jugendliche bedeutet.
von Olaf Schwabe
mit Video
Impfgeschädigte und Long-Covid-Erkrankte vermissen Solidarität
Fest steht: Spikeproteine verursachen immunologisch schwere Schäden. Klar ist auch, die Covid-Impfung hat unzählige schwere Krankheitsverläufe verhindert. "Ohne Impfung wären noch sehr viel mehr Menschen gestorben", sagt etwa Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Dass er die Impfungen während der Pandemie auch als nebenwirkungsfrei bezeichnet habe, sieht er selbstkritisch. Er plädiert für Aufarbeitung.
Das fordern auch viele Impfgeschädigte, die sich mit ihrer Impfung solidarisch zeigten und genau diese Solidarität nun vermissen. Sie fühlen sich mit ihren Problemen im Stich gelassen, so wie viele ME/CFS- und Long Covid-Erkrankte auch.
Susana Santina berichtet aus dem ZDF-Studio in Hessen.
Quelle: dpa
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