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Geleaktes Verhandlungspapier:Informationsfreiheitsgesetz vor dem Aus?
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Dem Informationsfreiheitsgesetz verdanken wir die Aufdeckung von Skandalen und Mauscheleien. Die künftigen Koalitionäre überlegen, das Gesetz in seiner jetzigen Form abzuschaffen.
Ob es die Pkw-Maut von Verkehrsminister Andreas Scheuer, die Protokolle des Robert Koch-Instituts, die Masken-Deals von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn oder Cum-Ex-Akten waren, immer stand hinter den öffentlich gemachten Enthüllungen das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). 2006 in Kraft getreten, ermöglicht das IFG jedem Bürger den Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden.
Nun ist mit den geleakten Verhandlungspapieren der künftigen Koalitionäre ein kleiner, unscheinbarer, geschriebener Satz in eckigen Klammern ans Licht gekommen. Unter der Überschrift: "Stärkung der repräsentativen Demokratie" heißt es zunächst: "Wir wollen den Bundestag zu einem moderneren Gesetzgebungsorgan weiterentwickeln. Der Bundestag muss die Regierung und die Verwaltung effektiv kontrollieren können." Und weiter in blau:
[Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen.]
Auszug aus Verhandlungspapieren
Der Satz stammt aus dem Papier der Arbeitsgruppe zu "Bürokratierückbau und Staatsmodernisierung". Dass er blau und eckig ist, bedeutet, dass er auf CDU/CSU zurückzuführen ist. Die SPD hat zum Informationsfreiheitsgesetz nichts hinzugefügt, soll, so behaupten Stimmen aus der Union, auch nicht viel dazu gesagt haben.
"Starker Einschnitt in die Informationsfreiheit"
Die SPD selbst möchte heute nichts dazu sagen. Das Ganze ist noch nicht geeint, muss also so nicht kommen, doch der Aufschrei ist groß. "Reporter ohne Grenzen" warnt, der Wegfall des Gesetzes "wäre ein starker Einschnitt in die Informationsfreiheit und damit in unser aller Recht auf Information".
Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Mika Beuster, erklärte: "Wer die Transparenz einschränken möchte, hat offensichtlich etwas zu verbergen und gefährdet damit den Journalismus und die Demokratie zugunsten von Machterhalt und undurchsichtigen Machenschaften."
Jurist verweist auf Urteil aus Karlsruhe
Friedrich Schoch, Freiburger Jura-Professor und Kommentator des Informationsgesetzes, sagt gegenüber ZDFheute, es wundere ihn, dass die Union sich bei der geplanten Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes auf die Stärkung der repräsentativen Demokratie beziehe.
Dass in einer repräsentativen Demokratie die Kontrolle der Regierung durch das Parlament gewährleistet und keine weitere Kontrolle etwa durch Informationsfreigabe direkt an die Öffentlichkeit vorgesehen sei, habe das Bundesverwaltungsgericht im November 2011 als falsch bezeichnet.
"Die Rechtsprechung betonte ausdrücklich, demokratische Teilhabe erschöpfe sich nicht in der Teilnahme an Wahlen", so Schoch. Das Gesetz sei eine Voraussetzung zur Wahrnehmung von Bürgerrechten. Überlegungen, das IFG in der bisherigen Form abschaffen zu wollen, könne er "fachlich nur schwer nachvollziehen".
Amthor: Presse und Bürger haben mehr Rechte als Abgeordnete
Der Vorsitzende der AG Bürokratieabbau, Philip Amthor (CDU), hat selbst schon unter der mit dem Gesetz angestrebten Transparenz gelitten. Seine umstrittene Lobbytätigkeit für das US-Unternehmen Augustus Intelligence war 2020 Gegenstand einer IFG-Anfrage. Amthor versuchte heute zu beschwichtigen.
Es ginge nicht um eine ersatzlose Streichung, sondern um "Harmonisierung" des Gesetzes. Wie andere aus der Union beklagt auch er, Presse und Bürger hätten mehr Rechte als Abgeordnete. Dass der Vorschlag im Mantel des Bürokratieabbaus daher kommt, hat Tradition. Die Union hatte bereits vor der Einführung des Gesetzes 2005 gewarnt, die Behörden würden unter der Antragsflut zusammenbrechen.
Schoch: Abschaffung des IFG wäre "Rolle rückwärts"
Rechtswissenschaftler Schoch erwidert: "Eine Überlastung der Behörden, das ist empirisch nachweisbar, hat bis auf wenige Ausnahmefälle nicht stattgefunden." Die Abschaffung des IFG sei eine "Rolle rückwärts" und stünde im Gegensatz zu einem Mehr an Transparenz, wie es momentan in mehreren Bundesländern zu beobachten sei.
So wurden in Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen in den vergangenen Jahren Transparenzgesetze verabschiedet, nach denen Behördeninformationen ganz ohne Anfrage der Bürger online gestellt werden. So könne sowohl für Transparenz als auch für Entlastung in den Behörden gesorgt werden, Stichwort Bürokratieabbau. Schließlich muss der Bürger, was er auf den Websites der Behörden finden kann, nicht einzeln beantragen und beantwortet bekommen.
Noch ist der Vorschlag im Papier der AG Bürokratierückbau nicht geeint, er wandert nun also an die Chefverhandler. Wird der kleine blaue Satz mit der SPD geeint und landet in schwarzen Lettern im Koalitionsvertrag, dann droht im Zuge des Bürokratieabbaus auch gleich einer der Transparenz.
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