Einsturz der Carolabrücke in Dresden: Gutachten zeigt Ursache
Gutachten liegt vor:Warum die Carolabrücke in Dresden einstürzte
von Stefan Kelch
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Gutachter legen am Abend dem Verkehrsausschuss der Stadt Dresden das Gutachten zum Brückeneinsturz vor - die noch stehenden Brückenteile müssen abgerissen werden.
Vor drei Monaten war die Brücke teilweise eingestürzt. Nun besagt ein Gutachten, dass das marode Bauwerk komplett abgerissen werden muss.12.12.2024 | 1:27 min
Es hatte sich angedeutet. Es war der Stahl. Sogenannter Hennigsdorfer Spannstahl aus DDR-Zeiten. Schon beim Einbau gab es offenbar nicht sichtbare und damals unbekannte Risse, in denen der Rost in den vergangenen Jahrzehnten sein destabilisierendes Werk im Verborgenen vorantrieb.
Der Wiederaufbau der Carolabrücke soll 100 Millionen Euro kosten. Weil die Stadt das Geld nicht hat, könnten andere Projekte auf Eis gelegt oder etwa Kita-Gebühren erhöht werden. 19.10.2024 | 3:36 min
Als man den Stahl einbaute, ging man davon aus, dass er im Verbund mit gepresstem Beton quasi unzerstörbar war. 50 Jahre später stellt sich das als fataler Trugschluss heraus. Fast 70 Prozent der tragenden Elemente waren zerstört, ohne dass man das hätte feststellen können, so Gutachter Steffen Marx. Im Gutachten heißt es:
Die Ermittlungen ergaben als Grund für das Unglück eine sogenannte wasserstoffinduzierte Spannungsrisskorrosion. Sie führte in Verbindung mit der Materialermüdung durch die verkehrliche Beanspruchung zu einem Versagen zahlreicher Spannglieder.
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Prof. Steffen Marx, Institut für Massivbau TU Dresden
Und weiter:
Aufgrund der vor 50 Jahren gängigen Herstellungsart und dem Einfluss der Witterung auf den Stahl während der Bauzeit entstanden die Korrosionsschäden bereits während des Baus der 1971 fertiggestellten Carolabrücke.
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Gutachten Prof. Steffen Marx, Institut für Massivbau TU Dresden
Die vor drei Monaten zum Teil eingestürzte Carolabrücke in Dresden ist nicht mehr zu retten. Ein Gutachten ergab, dass das marode Bauwerk komplett abgerissen werden muss. 12.12.2024 | 1:05 min
Hunderte Brücken müssen auf den Prüfstand
Allein in Sachsen stehen 19 Brücken der gleichen Bauart unter Beobachtung. Bei neun Brücken scheint Gefahr im Verzug. Doch betrifft das Phänomen nicht nur Ostdeutschland. Die gleiche Spannstahl-Technologie wurde auch in der BRD verwendet. Hunderte Brücken in ganz Deutschland müssen deshalb nun auf den Prüfstand.
Dresden war ein großes Unglück, das allerdings nun zu einem Umdenken führen könnte.
Ein rotes Band bei der Brückeneinweihung schneiden Politiker gern durch - mit Investitionen in Erhaltung ist kein Staat zu machen.
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Prof. Steffen Marx, Institut für Massivbau TU Dresden
Viel zu wenig wurde in den Erhalt und in das Monitoring der bestehenden Brücken investiert. Wenn sich das jetzt nicht ändert, so die Wissenschaftler, wird es nicht bei der Dresdner Carolabrücke bleiben. Dass hier niemand zu Schaden kam, das gibt es vermutlich kein zweites Mal.
Dass Brücken massiv aussehen, heiße nicht, dass sie tragfähig seien, so Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer. Bei Infrastruktur laufe man den Problemen hinterher.11.09.2024 | 5:24 min
Wie kann man herausfinden, ob es einer Brücke gut geht?
In Bautzen versuchen sie es - indem sie eine neu gebaute Spannbeton-Brücke nach und nach zerstören; dafür wurde sie gebaut. Das gemeinsame Projekt der Brückenbaufirma Hentschke Bau und der TU Dresden versucht Parameter zu erkunden, wann es einer Brücke gut geht - und wann nicht mehr. Max Herbers von der TU Dresden erklärt:
Diese Sensoren kann man sich im Grunde wie so Fitness-Tracker für Brücken vorstellen. Und diese Sensoren erfassen Informationen über Verformung, über Neigung, Beschleunigung beispielsweise.
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Max Herbers, TU Dresden
"Und es werden sehr, sehr viele Daten gesammelt", sagt Herbers. "Beispielsweise einige Sensoren messen über 200 Messwerte in der Sekunde."
Nach dem Brückeneinsturz in Dresden stellt sich die Frage nach dem allgemeinen Zustand der Brücken in Deutschland. Ein Experte bilanziert: Sie sind in keinem erfreulichen Zustand.11.09.2024 | 5:24 min
Vollgestopft mit Sensoren aller Art wird die Forschungsbrücke den unterschiedlichsten Belastungen ausgesetzt. Ziel des Ganzen ist, der Brücke der Zukunft schon beim Bau entsprechende Sensoren mitzugeben, so dass ein zuverlässiges Monitoring während ihrer Lebenszeit möglich ist. Die Wissenschaftler der TU Dresden und die Baufachleute von Hentschke-Bau wollen am Ende ihres Experimentes sagen können, welche Sensoren brauchen neue Brücken und wie kann man bestehende Brücken nachrüsten.
Carolabrücke muss abgerissen werden
Für die Dresdner Carolabrücke kommt das alles zu spät. Sie muss komplett abgerissen werden. Alle Hoffnungen, dass wenigstens die verbliebenen beiden Brückenzüge nutzbar bleiben, haben sich mit dem neuesten Gutachten zerschlagen. Doch sie ist nicht nur ein Ärgernis für den Stadtverkehr, nicht nur eine Herausforderung für die Finanzplanung eines Ersatzneubaues - sie ist inzwischen auch ein Fall internationaler Frustration.
Dresden muss die eingestürzte Carolabrücke kontrolliert sprengen. Sonst könnte das drohende Hochwasser die Lage verschlimmern.13.09.2024 | 2:07 min
Denn noch immer blockieren die Trümmer eine internationale Wasserstraße. Tschechien hat nur über die Elbe Zugang zu internationalen Wasserstraßen. Dass Dresden nicht in der Lage zu sein scheint, die Trümmer schnell aus der Elbe zu räumen und die Elbe für den Schiffsverkehr wieder freizugeben, wird wohl enorme Schadenersatzforderungen des Nachbarstaates nach sich ziehen.
Stefan Kelch ist Korrespondent im ZDF-Studio Sachsen.
Quelle: dpa
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