Captagon: Syrische Bürgerkriegs-Droge erreicht Deutschland

Zollfahnder haben am Donnerstag den bislang größten Fund der illegalen Droge Captagon in Deutschland verkündet. 461 Kilogramm der kleinen, bräunlichen Tabletten im Wert von 64,5 Millionen US-Dollar haben Behörden in Nordrhein-Westfalen sichergestellt. Vier Syrer wurden verhaftet.

Seit einem Jahr liefen die Ermittlungen gegen das Netzwerk der mutmaßlichen Drogenschmuggler. Ausgangspunkt waren Pakete, die Ende 2022 am Flughafen Köln/Bonn inspiziert wurden. Versteckt in Bremszylindern fand man damals 59.000 Captagon-Tabletten, kurz darauf am Flughafen Leipzig 32 Kilogramm, versteckt in Duftkerzen. Die Pakete hätten in die arabischen Golfstaaten, nach Saudi-Arabien und Bahrain gehen sollen. Nun stießen sie in einem angemieteten Garagenlager in Herzogenrath nahe Aachen auf ein Hauptlager mit mehreren Millionen Captagon-Pillen.

Das Amphetamin Captagon war vor Jahrzehnten vor allem im Sport-Doping beliebt, es putscht auf und macht extrem abhängig. Doch seit einigen Jahren erlebt es eine dramatische Renaissance in Folge des Syrien-Kriegs. Kämpfer aller Seiten benutzen es, manche der Gräueltaten des Krieges werden auch auf den Einfluss der Droge zurückgeführt. Auch bei an den Massakern in Israel beteiligten Hamas-Kämpfern sollen Tabletten gefunden worden sein.

Hinter dieser Drogen-Welle stehe die syrische Regierung, betont der Islamwissenschaftler Caspar Schliephack, der für die Konrad-Adenauer-Stiftung ein Papier zum Captagon-Problem verfasst hat. Für Diktator Baschar al-Assad sei Captagon eine "überlebenswichtige Einnahmequelle".

"Gemeinsam mit kriminellen Akteuren aus dem Libanon formen hochrangige Mitglieder der syrischen Sicherheitsbehörden und des erweiterten Assad-Clans regelrechte Drogen Kartelle", berichtet Schliephack.

Einer der besten Kenner dieser kriminellen Netzwerke aus Syrien ist der nur unter Pseudonym auftretende Syrien-Experte "Qalaat Al Mudiq". Seit Jahren berichtet er im Netz über diese Strukturen. "Die niedrigen Schätzungen belaufen sich auf einen Umsatz von fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr", schreibt er ZDFheute über das Ausmaß des syrischen Captagon-Handels. Die Labore seien vor allem im Grenzgebiet zum Libanon und an der syrischen Mittelmeerküste.

Bislang sind die Hauptabnehmer von Captagon in Nahost selbst, vor allem in den Golfstaaten. Das Bundeskriminalamt wie auch Experten schätzen Deutschland aktuell vor allem als Transitland ein.

"Jordanien und Saudi-Arabien haben ihre Grenzkontrollen in den vergangenen Jahren massiv verstärkt", sagt Schliephack. "Da Syrien mittlerweile de facto als Captagon-Zentrale gilt, versuchen die Kartelle ihre Lieferungen durch Zwischenstopps in Umschlagsplätzen zu verschleiern." Die jüngsten Fahndungserfolge deuten darauf hin, dass auch Deutschland einer dieser Umschlagsorte ist.

Für die arabischen Nachbarstaaten Syriens ist Captagon zu einem massiven Problem geworden. Die jordanische Luftwaffe bombardierte 2023 bereits mehrfach mutmaßliche Drogenlabore und Schmuggler-Konvois in Syrien, zuletzt in dieser Woche.

Im April erließ die Europäische Union ein weiteres Sanktionspaket gegen Syrien, das auch auf den Drogenhandel abzielte. Islamwissenschaftler Schliephack bezweifelt jedoch, dass die bisherigen Maßnahmen ausreichen, damit Syrien von seiner Drogen-Industrie abrückt.

Genaue Information zum Konsum von Captagon in Deutschland gibt es nicht. Je mehr die Droge nach Deutschland gelangt, desto mehr steigt auch die Gefahr, dass sie hier einen Absatzmarkt findet. "Qalaat Al Mudiq" merkt an, dass es auch in Europa Konsumenten gebe und speziell für den europäischen Markt eigene Captagon-Pillen gefertigt würden. "Sie sind weiß und von höherer Qualität", so der Experte.

Mitte Juli hob das Bundeskriminalamt (BKA) gar ein komplettes Captagon-Labor im Raum Regensburg aus. Material für rund drei Tonnen Drogen seien laut BKA sichergestellt worden. Beide Tatverdächtige stammten aus Syrien. Die syrischen Drogen-Kartelle würden auch in Europa meist auf Syrer setzen, berichtet "Qalaat Al Mudiq".

Das Büro des Drogenbeauftragten der Bundesregierung teilte ZDFheute mit, dass es mit Blick auf Captagon wichtig sei, "auch migrantische und nicht-deutschsprachige Communities mit Präventions- und Suchthilfeangeboten zu erreichen".