Gegen Petr Bystron wird wegen Bestechlichkeit ermittelt. In seinem Wahlkreis ist der AfD-Politiker offenbar in einer Wohnung gemeldet, in der ein vorbestrafter Flüchtling lebt.
AfD-Politiker Petr Bystron im Fokus - offenbar ist er in seinem Wahlkreis unter einer Scheinadresse gemeldet.
Quelle: AFP
Das Haus in der Münchner Augustenstraße, in dem vor zwei Wochen zwölf Beamte eine Wohnung durchsuchten, ist ein unauffälliger Bau aus den Fünfzigerjahren. Sechs Stockwerke, mintgrüner Anstrich, kleine Balkone, im Erdgeschoss ein Laden. Trotz Bestlage sind die Wohnungen eher einfach, dreißig Klingelschilder findet man am Eingang. Auf keinem steht der Name Bystron.
Dabei ist dies die offizielle Meldeadresse des AfD-Politikers Petr Bystron. Er und seine Familie sind hier registriert. Bis vor kurzem hing an einem Briefkasten noch ein Namensschild - "Fam. Bystron" - nun, Tage nach der Razzia, ist es abgerissen.
Briefkasten der "Fam. Bystron" in der Münchner Maxvorstadt: offenbar eine Scheinadresse.
Quelle: ZDF frontal / Spiegel
Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt gegen Bystron wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Geldwäsche. Im Bundestag verlor er deshalb seine Immunität, es folgten Razzien in Berlin, Bayern und auf Mallorca. Auch in der Münchner Maxvorstadt rückten Beamte an.
Ermittlungen zu möglichem Schmiergeld für Bystron
Bystron soll über das Netzwerk "Voice of Europe" Geld aus Russland angenommen haben. Mitschnitte des tschechischen Geheimdiensts sollen eine Geldübergabe an den AfD-Abgeordneten dokumentieren und ihn belasten. Bystron bestreitet alle Vorwürfe.
Aus Ermittlungsunterlagen geht hervor, wonach die Beamten in der Münchner Wohnung suchten: Unterlagen zur Kommunikation Bystrons mit Verantwortlichen der Internetplatttform "Voice of Europe" zu möglichen Geldzahlungen an den Beschuldigten, die "sein Abstimmungsverhalten und seine Redebeiträge im Deutschen Bundestag und dessen Ausschüssen (…) zum Gegenstand haben."
Das FBI hat den AfD-Politiker und Spitzenkandidaten zur Europawahl Maximilian Krah zu möglichen Zahlungen aus kremlnahen Quellen befragt. Der weist die Vorwürfe zurück.16.04.2024 | 9:50 min
Flüchtling aus Türkei wohnt an Bystrons Meldeadresse
Nun gerät der AfD-Kandidat für die Europawahl noch weiter unter Druck.
Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel" zeigen: Bystrons Meldeadresse in München weist ihn wohl nur zum Schein als dort wohnhaft aus. In der Wohnung leben stattdessen zwei Brüder. Einer von ihnen ist ein aus der Türkei stammender vorbestrafter Flüchtling.
In den 1990er-Jahren kam der Mann als Asylbewerber aus der Türkei nach Deutschland. Wegen Nötigung wurde bereits ein Strafbefehl gegen ihn ausgestellt. Jetzt droht ihm gar sogenannte Erzwingungshaft, weil er wohl ein Bußgeld nicht bezahlt hat.
Als einer der Männer die Tür im fünften Stock des Hauses öffnet, spricht er nur gebrochen Deutsch. Er sagt, er habe Bystron noch nie getroffen und kenne ihn nicht. Selbst Tage nach der Razzia scheint er nicht recht zu wissen, wer Petr Bystron ist und warum Beamte die Wohnung durchsuchten.
"frontal" berichtete mehrfach über Skandale, in die der umstrittene AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, verwickelt ist. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen.28.05.2024 | 1:57 min
Bystron: "Ich werde am Einzug gehindert"
Auf Anfrage von "Spiegel" und ZDF frontal teilt Bystron mit:
Und weiter: "Ich habe einen ordnungsgemäßen Mietvertrag, werde jedoch am Einzug gehindert, weil sich der Vormieter weigert, auszuziehen. Sobald die Wohnung gerichtlich geräumt wird, werde ich sie auch beziehen." Die Nachfrage, wie er und seine ebenfalls dort gemeldete Frau mit den zwei Kindern in der winzigen Einzimmerwohnung Platz finden sollen, ließ Bystron unbeantwortet. Die AfD-Bundestagsfraktion teilte mit, ihr lägen dazu keine Informationen vor.
Über die prorussische Propagandaplattform "Voice of Europe" sollen Politiker aus mehreren EU-Ländern Geld erhalten haben. Erstmals meldet sich nun der Eigentümer zu Wort.14.05.2024 | 8:40 min
Wie könnte Bystron zu der Adresse gekommen sein?
Bystron hat in München studiert, länger dort gelebt und gearbeitet. Seine vorige Wohnung in der nahe gelegenen Türkenstraße mussten er und seine Familie nach einem Rechtsstreit räumen. In München ist Wohnraum knapp - und Bystrons Wahlkreis ist München-Nord. Wollte er weiterhin eine Meldeadresse haben, die in seinem Wahlkreis liegt? Rechtlich ist das nicht nötig, aber möglicherweise kommt das bei Wählern besser an.
Eine Schlüsselrolle in der Adress-Frage könnte Holger T. spielen, dem die Wohnung in der Augustenstraße gehört. Online findet man Artikel von ihm auf einem für rechte Verschwörungserzählungen bekannten Portal, auf dem auch Bystron publizierte. Bei Youtube hat er Bystrons Kanal abonniert. Am Telefon nach Bystron gefragt, behauptet Holger T. dagegen, den AfD-Funktionär nicht zu kennen. Man habe den falschen angerufen, beteuert Holger T.
Ob der AfD die Enthüllungen und Skandale um ihr Spitzenpersonal schaden, wird sich am 9. Juni, dem Tag der Europawahl, zeigen.