Bundesverfassungsgericht: AfD scheitert mit Vorsitz-Klagen

    Bundesverfassungsgericht:Urteil: Kein Ausschussvorsitz für die AfD

    von Alexandra Tadey
    |

    Einmal mehr sah sich die AfD im Bundestag benachteiligt und hat vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Die Richterinnen und Richter konnten sie damit aber nicht überzeugen.

    Bundesverfassungsgericht Richter
    So hat heute das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die AfD hatte geklagt, weil keiner ihrer Kandidaten bei den bisherigen Vorsitz-Wahlen einen Posten erlangen konnte. 18.09.2024 | 1:41 min
    Mit gleich zwei Klagen ist die AfD vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gezogen. Zum einen sollte geklärt werden, ob die AfD ein verfassungsrechtliches Recht auf einen Vorsitz in einem Bundestagsausschuss hat - auch wenn die anderen Parteien keinen AfD-Abgeordneten zu ihrem Vorsitzenden wählen wollten. In der aktuellen Legislaturperiode beansprucht die AfD drei Ausschussvorsitze für sich: im Innenausschuss, im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und im Gesundheitsausschuss. Doch keinen ihrer Kandidaten konnte sie bei Wahlen in den Ausschüssen durchsetzen.
    Zum anderen ging es um die Abwahl von Stephan Brandner (AfD) als Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Jahr 2019 wegen verbaler Entgleisungen.

    AfD scheitert vor Bundesverfassungsgericht

    Heute hat das Gericht beide Klagen zurückgewiesen. Zwar haben alle Fraktionen das Recht, in einem Ausschuss in dem Verhältnis vertreten zu sein, wie sie im Parlament sitzen. Denn in den Ausschüssen findet die wichtige Sacharbeit im Vorfeld einer Entscheidung des Bundestags statt.
    Dieses Recht auf Gleichbehandlung der Fraktionen gilt jedoch nicht in Bezug auf die Ausschussvorsitzenden. Diesen sind nämlich nur organisatorische Aufgaben übertragen.
    AfD-Klagen zu Bundestagsausschüssen
    Die AfD ist gleich mit 20 sogenannten Organklagen vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Worum geht es darin?20.03.2024 | 2:36 min
    Außerdem gilt: Das Parlament hat das Recht, sich selbst zu organisieren und die Abgeordneten können deshalb frei entscheiden, wie die Ausschussvorsitzenden bestimmt werden und - falls sie sich für die Wahl entscheiden - frei entscheiden, ob ein Kandidat Ausschussvorsitzer wird oder nicht, so Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts:

    Mit einer freien Wahl wäre es unvereinbar, wenn eine Fraktion das Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis hätte.

    Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts

    Zugriffsverfahren für Ausschussvorsitz zulässig

    Bisher wurden die Vorsitze entweder im Ältestenrat des Bundestags ausgehandelt oder durch ein sogenanntes Zugriffsverfahren vergeben. Die Fraktionen dürfen danach in der Reihenfolge ihrer Größe reihum auf einen Ausschuss zugreifen und den Vorsitzenden oder die Vorsitzende benennen.
    Eine weitere Wahl in den Ausschüssen fand in der Vergangenheit üblicherweise nicht statt. 2021 aber wurden die Vorsitzenden in den meisten Ausschüssen abweichend von der bisherigen Praxis durch Wahl bestimmt.

    Brandner-Abwahl zulässig wegen Vertrauensverlust

    Auch die Abwahl von Stephan Brandner (AfD) im Jahr 2019 hat das Bundesverfassungsgericht als zulässig erachtet. Eine solche dürfe jedoch nicht willkürlich geschehen. Willkür hat das Bundesverfassungsgericht in der Absetzung Brandners indes nicht gesehen.
    AfD-Politiker um Chef Chrupalla im Plenum des Deutschen Bundestages.
    Die möglichen Verwicklungen der AfD-Politiker Bystron und Krah nach Russland und China sind Anlass für eine aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag.25.04.2024 | 1:40 min
    Die Abwahl erfolgte unter anderem, nachdem Brandner die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Udo Lindenberg als "Judaslohn" bezeichnet hatte. Der Sänger hatte Thüringens AfD-Vorsitzenden Björn Höcke zuvor einen "echten Fascho" genannt.
    Das Gericht führte dazu aus, dass die Ausschussmehrheit im Fall Brandner erkennbar das Vertrauen in den Vorsitzenden und seine Fähigkeit zur amtsangemessenen Amtsführung verloren hätte.

    Eine gedeihliche und effektive Zusammenarbeit im Ausschuss war damit aus ihrer Sicht nicht mehr möglich.

    Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts

    Dann sei eine Abwahl rechtlich möglich.
    Die Verfassungsrichterin  Christine Langenfeld, Doris König und Astrid Wallrabenstein im Verhandlungssaal des Bundesverfassungsgerichts.
    Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden.
    Quelle: dpa

    Guter oder schlechter Tag für den Parlamentarismus?

    Brandner zeigte sich wenig überrascht über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Aus seiner Sicht sei es aber ein schlechter Tag für den Parlamentarismus in Deutschland:

    Der Ausschussvorsitz unterliegt jetzt immer der Gnade der Mehrheit.

    Stephan Brandner, Bundestagsabgeordneter der AfD

    Dass heute ein guter Tag für den Parlamentarismus sei, meinte dagegen der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Johannes Fechner:

    Wir sind und bleiben eine wehrhafte Demokratie und dazu gehört es, unqualifiziertes Personal und rechte Hetzer von wichtigen Ämtern im Deutschen Bundestag fernzuhalten.

    Johannes Fechner, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion

    Alice Weidel sitzt mit verschränkten Armen im Bundestag und blickt verärgert zur Seite
    Von den einstigen Gründungsmitgliedern der AfD will kaum jemand noch mit der Partei in Verbindung gebracht werden. Über Jahre hat sie erfolgreich den rechten Rand im politischen Spektrum besetzt.31.01.2023 | 13:31 min

    Urteil stärkt die Rechte der Parlamentsmehrheit

    Zurzeit sind die drei in Frage stehenden Ausschüsse ohne Vorsitzende. Auch nach dem Urteil heute kann die AfD weiter Vorschläge für den Vorsitz machen. Es besteht allerdings keine Pflicht der anderen Parteien diese zu wählen.
    Aus der Abwahl Brandners lassen sich ebenfalls Grundsätze für alle Fraktionen ableiten: Verliert ein Ausschussvorsitzender das Vertrauen der anderen Mitglieder, kann dieser abgewählt werden, solange dies nicht willkürlich geschieht.
    Mit diesem Urteil haben die Richterinnen und Richter in Karlsruhe die Rechte der Parlamentsmehrheit gestärkt - aber auch die Freiheit einzelner Abgeordneter, die nicht verpflichtet sind, Ausschussvorsitzende zu akzeptieren, von denen sie sich nicht repräsentiert sehen.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

    Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Quelle: dpa, AFP, ZDF

    Mehr zur AfD und zum Rechtsstreit