Karlsruhe streicht NPD staatliche Finanzierung

    Bundesverfassungsgericht:Urteil: Keine staatliche Finanzierung für NPD

    Samuel Kirsch
    von Samuel Kirsch
    |

    Die rechtsextreme NPD, die sich inzwischen "Die Heimat" nennt, wird von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

    Zwei Richterinnen des Bundesverfassungsgericht beim Urteil über die Finanzierung der NPD-Nachfolgepartei.
    Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil um die Finanzierung der NPD-Nachfolgepartei "Die Heimat" entschieden. Die Partei bekommt sechs Jahre lang keine staatlichen Gelder mehr. 23.01.2024 | 1:37 min
    Mitten in die Diskussion um ein AfD-Verbot hinein hat das Bundesverfassungsgericht heute sein erstes Urteil zu einem anderen, neuen Instrument der wehrhaften Demokratie im Grundgesetz gesprochen. Die rechtsextreme NPD, die sich inzwischen "Die Heimat" nennt, wird von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. 

    So kam es dazu

    Bereits zwei Mal sollte die NPD verboten werden. Der zweite Antrag scheiterte 2017. Das Bundesverfassungsgericht urteilte damals: Die Partei verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, sei aber zu erfolglos, um verboten zu werden.
    Berlin: Tino Chrupalla (l), AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, nehmen an der aktuellen Stunde im Bundestag mit dem Thema "Wehrhafte Demokratie gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne" teil.
    Welche Auswirkungen hat das Urteil zur Finanzierung der Partei "Die Heimat" für die AfD? Bundeskanzler Scholz erklärte, das müsse man jetzt prüfen. 23.01.2024 | 1:33 min
    In der Folge profitierte die NPD weiter von der staatlichen Parteienfinanzierung und von Steuerbegünstigungen für Parteien. Um das künftig zu verhindern, änderten Bundestag und Bundesrat das Grundgesetz, schrieben die Möglichkeit, auch nicht verbotenen verfassungsfeindlichen Parteien die Finanzierung zu streichen, in die Verfassung.
    Über den 2019 von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gemeinsam gestellten Antrag, dies auf die NPD anzuwenden, hat das Karlsruher Gericht heute entschieden.
    German constitutional court verdict on financing for far-right NPD/Heimat party *
    Die NPD-Nachfolgepartei "Die Heimat" wird für die kommenden sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen - das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. 23.01.2024 | 2:43 min

    Was ist Voraussetzung für einen Ausschluss?

    Um von der Finanzierung ausgeschlossen zu werden, muss eine Partei darauf ausgerichtet sein,

    die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.

    Artikel 21 Absatz 3 Grundgesetz

    Die Hürden für einen solchen Ausschluss liegen hoch. Denn Parteien sind besonders gegen staatliche Benachteiligung geschützt.
    Außenaufnahme des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, aufgenommen am 23.01.2024
    Die rechtsextreme NPD wurde 2017 nicht verboten: Das Bundesverfassungsgericht lehnte damals einen Antrag der Bundesländer dazu ab. 17.01.2017 | 0:30 min

    Ist die "Heimat" verfassungsfeindlich?

    Für die NPD hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage 2017 bejaht und das unter anderem damit begründet, das Politikkonzept der Partei sei auf "Ausgrenzung, Verächtlichmachung und weitgehende Rechtlosstellung von gesellschaftlichen Gruppen" wie Migranten und Minderheiten gerichtet und verstoße gegen die Menschenwürde.

    Reaktionen auf die Entscheidung



    Steffen Kailitz, Rechtsextremismusforscher, der auch als Sachverständiger vom Bundesverfassungsgericht angehört wurde, bewertet die Ex-NPD "Heimat" unverändert als verfassungsfeindlich:

    Die NPD verfolgt nach wie vor einen ethnischen Nationalismus, auf deren Grundlage sie ein Vertreibungsprogramm entwickelt hat, das Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben würde, darunter auch Millionen mit deutschem Pass. Diese Positionierung ist eindeutig rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich.

    Steffen Kailitz, Rechtsextremismusforscher

    Laut Verfassungsschutz konzentriert sich die Partei zunehmend auf "Arbeit im vorpolitischen Raum" und ist bestrebt, sich mit anderen Akteuren der rechtsextremistischen Szene zu vernetzen.

    Wie viel Geld erhält die "Heimat" bislang?

    Mangels Wahlerfolgen hat die "Heimat" seit 2021 bereits ohne einen Ausschluss keine staatlichen Gelder mehr erhalten. Sie profitierte aber weiterhin von für Parteien geltenden Steuerbegünstigungen und dem Privileg, dass Spenden an sie von der Steuer abgesetzt werden können. Dies fällt bei dem Ausschluss jetzt weg.
    Schaltgespräch Tacke
    Parteiverbot und Ausschluss von staatlicher Finanzierung seien die zwei scharfen Schwerter des BVerfG gegen verfassungsfeindliche Parteien, so ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke.23.01.2024 | 1:50 min

    Wie verhält sich die "Heimat" zum Verfahren?

    Schriftlich hat die Partei vor Gericht geltend gemacht, die Vorschrift zum Finanzierungsausschluss auch für nicht verbotene Parteien sei "verfassungswidriges Verfassungsrecht".

    Welche Bedeutung hat das Verfahren für die AfD?

    Ganz grundsätzlich wäre auch für die AfD ein Verfahren denkbar, um diese von der Finanzierung auszuschließen, allerdings mit ungewissem Ausgang.

    Die Erfolgsaussichten wären genauso fraglich wie bei einem Verbotsverfahren, denn die Voraussetzungen, die beim Verbot für die AfD problematisch sind, die müssen auch für einen Finanzierungsausschluss erfüllt sein – es sei denn das Bundesverfassungsgericht interpretiert die neue Grundgesetzvorschrift überraschend anders.

    Sophie Schönberger, Staatsrechtlerin

    So schätzt die Düsseldorfer Staatsrechtlerin Sophie Schönberger die Rechtslage ein. Die politische Debatte um eine Anwendung auf die AfD hat indes schon vor der Urteilsverkündung begonnen.
    Demonstrationen gegen Rechts
    Nach Enthüllungen über ein Treffen von Rechtsextremisten mit AfD- und CDU-Mitgliedern rollt eine beispiellose Protestwelle gegen Rechtsextremismus und für Demokratie durchs Land.22.01.2024 | 2:34 min
    Ein Finanzierungsausschluss würde die AfD hart treffen. 2022 erhielt sie mehr als zehn Millionen Euro aus der staatlichen Finanzierung. Sollte sie bei den Landtagswahlen viele Stimmen bekommen, würde dieser Betrag noch wachsen.
    Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF- Fachredaktion Recht & Justiz.

    Mehr zum Thema NPD