Olaf Scholz will die Vertrauensfrage stellen. ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke erklärt die rechtlichen Hintergründe.06.11.2024 | 1:58 min
Mit der Vertrauensfrage kann sich der Bundeskanzler vergewissern, ob seine Politik vom Bundestag unterstützt wird - er also noch die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten hat. Genau das hat
Olaf Scholz vor - am 16. Dezember.
Was passiert, wenn die Vertrauensfrage gestellt wird?
Das Grundgesetz macht zur Vertrauensfrage wenige, knappe Vorgaben. Dort heißt es in Artikel 68, Absatz 1: "Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den
Bundestag auflösen." Dieses Recht erlösche, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Kanzler wähle.
Festgelegt wird in Absatz 2 zudem, dass zwischen dem Antrag des Kanzlers und der Abstimmung im Bundestag 48 Stunden liegen müssen.
Daher wird Scholz die Vertrauensfrage am 11. Dezember schriftlich beantragen, damit am 16. Dezember im Bundestag darüber abgestimmt werden kann.
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Wie geht es nach der Auflösung des Bundestages weiter?
Wenn er die Auflösung des Bundestages verkündet, wird
Bundespräsident Steinmeier zugleich offiziell einen Termin für die Neuwahl bekanntgeben. Diese muss nach Artikel 39 Grundgesetz innerhalb von 60 Tagen stattfinden.
Union und
SPD verständigten sich inzwischen darauf, dass die Wahl am 23. Februar stattfinden soll. Die Bundesregierung bleibt derweil geschäftsführend im Amt - bis ein neuer Kanzler gewählt und seine Ministerinnen und Minister ernannt sind.
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Wann kann die Vertrauensfrage gestellt werden?
Das
Bundesverfassungsgericht erklärte, der Kanzler solle die Vertrauensfrage nur dann anstrengen dürfen, wenn es politisch für ihn nicht mehr möglich sei, mit den im Bundestag bestehenden Kräfteverhältnissen weiterzuregieren.
Karlsruhe machte zugleich deutlich, dass es dem Sinn von Artikel 68 nicht gerecht würde, wenn ein Kanzler mit einer ausreichenden Mehrheit im Bundestag sich zum geeignet erscheinenden Zeitpunkt die Vertrauensfrage negativ beantworten ließe - mit dem Ziel, damit den Bundestag aufzulösen.
In diesem Fall wird von einer sogenannten unechten Vertrauensfrage gesprochen: Das bedeutet, dass das Vorgehen des Kanzlers nicht darauf abzielt, sich das Vertrauen bestätigen zu lassen, sondern im Gegenteil die Vertrauensfrage zu verlieren, um zu einer Neuwahl zu kommen.
Wie stellt sich die aktuelle Situation von Kanzler Scholz dar?
Nach dem
Rauswurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und dem Rückzug der FDP aus der Ampel führt Kanzler Scholz nur noch eine rot-grüne Minderheitsregierung an. Es kann also keine Rede mehr davon sein, dass er eine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich weiß. Seine Handlungsfähigkeit ist auf diese Weise stark beeinträchtigt, er müsste sich für jeden Gesetzesbeschluss mühsam mit Stimmen aus der Opposition eine Mehrheit organisieren.
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Welche Möglichkeiten für eine Vertrauensfrage gibt es?
Der Bundeskanzler kann die Vertrauensfrage allein oder aber in Verbindung mit einer konkreten Sachentscheidung stellen.
Letzteres gab es bislang nur einmal: 2001 stellte die Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) den Antrag auf Entsendung deutscher Streitkräfte für den von den USA angeführten Kampf gegen den internationalen Terrorismus in Afghanistan. Vier Jahre später verzichtete er auf eine Verknüpfung mit einer konkreten Sachfrage - und verlor das Vertrauen der Abgeordneten. Die Folge waren Neuwahlen.
Die Ampel-Koalition ist Geschichte, am 23. Februar soll ein neuer Bundestag gewählt werden. Alle Entwicklungen im Liveblog.
Wie oft wurde die Vertrauensfrage bereits gestellt?
Dass ein Bundeskanzler im Bundestag die Vertrauensfrage nach Artikel 68 Grundgesetz stellt, ist in der Geschichte der Bundesrepublik erst fünfmal vorgekommen. Zweimal (November 2001 und Juli 2005) griff Gerhard Schröder (SPD) zu diesem Mittel.
Davor stellten Willy Brandt (SPD) im September 1972, Helmut Schmidt (SPD) im Februar 1982 und Helmut Kohl (CDU) im Dezember 1982 die Vertrauensfrage.
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Quelle: dpa