Nach Eklat in USA: Sondierungen im Schatten der Krise

Nach Eklat in Washington:Sondierungen im Schatten der Weltkrise

von Stefanie Reulmann
|

Nicht öffentlich über Inhalte reden, keine Pause an Karneval: Union und SPD wollen bei ihren Sondierungen "zügig" vorankommen, denn die Weltpolitik drängt auf die Tagesordnung.

Bürgerschaftswahl Hamburg - Wahlparty SPD
Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl hat die SPD klar gewonnen, die CDU wird vor den Grünen zweitstärkste Kraft. Alles läuft auf eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition hinaus.03.03.2025 | 0:32 min
Nach dem Absturz der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl am letzten Sonntag ist das Ergebnis der Hamburg-Wahl Balsam für die geschundene SPD-Seele. Mit 33,5 Prozent ist sie stärkste Kraft geworden. Peter Tschentscher, seit März 2018 Erster Bürgermeister der Hansestadt, kann weiterregieren. Es sieht danach aus, als würde er die derzeitige rot-grüne Regierung fortsetzen wollen.

Erleichterung bei der SPD

"Natürlich tut ein solcher Abend gut", sagt SPD-Parteichef Lars Klingbeil. Glückwünsche kamen auch von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann: "Chapeau", sagt er an Tschentscher gerichtet und empfiehlt "ein neues Aufbruchssignal für Hamburg zu senden, nämlich Rot-Schwarz".
Auch im Bund setzt die Union auf diese Option. In Berlin haben sie in dieser Woche bereits Sondierungsgespräche mit der SPD aufgenommen. Ausloten, was geht, und schauen, wo Kompromisse möglich sind. Steht am Ende eine Große Koalition?
Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, kommt zu Sondierungsgesprächen von Union und SPD nach der Bundestagswahl.
In Berlin setzen Union und SPD ihre Sondierungen fort. Es geht um die Finanzierung von Ukraine-Hilfen, der Bundeswehr und mögliche Reformen bei der Schuldenbremse.03.03.2025 | 1:47 min
Die Parteien stehen unter erheblichem Erfolgsdruck, denn es gibt kaum andere Koalitionsoptionen, und die Probleme drängen. Verteidigung, Bundeswehr, Wirtschaft, Infrastruktur - die neue Bundesregierung muss schnell handeln, und dafür braucht sie Geld.

Sondervermögen für die Bundeswehr aufstocken?

Eine Möglichkeit wäre die Lockerung der Schuldenbremse, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig wäre. Doch es wäre Eile geboten, denn man müsste die alten Mehrheiten noch nutzen. Die Union lehnt dies bislang ab. SPD-Chef Klingbeil äußerte sich nicht konkret, sagte aber im ZDF:

Ich kann nur sagen, wir sind gewillt, schnell zu einer tragfähigen Lösung auch zu kommen.

Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender

Berichten zufolge sollen Union und SPD das Sondervermögen für die Bundeswehr auf 400 Milliarden aufstocken wollen und darüber hinaus ein weiteres Sondervermögen für Infrastruktur von bis zu 500 Milliarden planen. In der "Berliner Runde" im ZDF wollten das die Beteiligten nicht kommentieren und verwiesen auf die Vertraulichkeit der Gespräche.
Flugabwehrraketensysteme Patriot am Bundeswehrstandort Schwesing
Flugabwehrraketensysteme Patriot am Bundeswehrstandort Schwesing
Quelle: dpa

Diese Regierung sei zum Erfolg verdammt, daher müsse man verantwortungsvoll handeln, sagt Linnemann:

Wenn wir jetzt anfangen, tagtäglich aus diesen Sondierungen irgendwelche Ergebnisse oder Zwischenstände nach draußen zu posaunen, dann war's das. Dann hat diese mögliche Konstellation keinen Erfolg.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär

Miersch: Gibt "keinen Automatismus"

"Wir sind uns alle der Verantwortung bewusst, aber es gibt keinen Automatismus, den kann es nicht geben", sagt SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. Aber zur Vertrauensbildung gehöre, "dass man über die Inhalte nicht redet". Er habe am Freitag Gespräche erlebt, die "konstruktiv und offen" waren, sagt er.
SGS mit Wulf Schmiese am 03.03.2025 zu den Sondierungen von SPD und Union zum Sondervermögen
ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese berichtet über die fortgesetzten Sondierungen zwischen Union und SPD in Berlin, bei denen vor allem finanzielle Themen im Fokus stehen.03.03.2025 | 1:17 min
Auch Klingbeil zeigt sich zufrieden, betont aber: "Wir haben die großen Themen zu klären, und es sind ja auch nicht weniger geworden in den letzten Tagen."
Die geopolitische Lage hat sich seit den Ereignissen am Freitag in Washington dramatisch verändert. Im ZDF sagt Klingbeil:

Ich glaube, wir alle haben ein bisschen geschockt doch auf die Situation im Oval Office am Freitag geguckt.

Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender

Die Lage zwinge Deutschland zum Handeln, genauso wie die europäischen Länder und ihre Verbündeten.
Friedrich Merz wirft seine Abstimmkarte in die Wahlurne ein. Im Bundestag wird über ein Sondervermögen abgestimmt.
Der Bundestag hat das milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Nichts verpassen im Liveblog.19.03.2025

Krisentreffen zur Ukraine in London

Diese kamen heute in London zu einem Krisentreffen zusammen. "Wir müssen dringend Europa wiederbewaffnen", sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in London. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz betont, alle hätten versichert, die Ukraine weiter unterstützen zu wollen. Deutschland habe allein bereits mit 44 Milliarden Euro unterstützt, finanziell und mit militärischen Mitteln.
Manfred Weber, CSU-Europapolitiker, sagt im ZDF, natürlich sei Europa in der Lage, sich eigenständig verteidigen zu können. Aber es fehle oft der politische Wille, Dinge umzusetzen. Statt verschiedener Modelle an Panzern oder anderer Ausrüstung, müssten sich die europäischen Staaten etwa zusammentun und eine gemeinsame Beschaffung organisieren, die erhebliche finanzielle Mittel einsparen könnte.
Schaltgespräch Petersen & Gellinek
Das Bemühen, die USA im Boot zu halten bei der Verteidigung der Ukraine, sei sehr greifbar gewesen beim Treffen der Staatschefs in London, so ZDF-Korrespondentin Hilke Petersen.02.03.2025 | 1:28 min
Wenn die USA ihre Unterstützung für die Ukraine einstellten, müsse Europa handlungsfähig sein. "Wir brauchen ein starkes Europa", sagt CSU-Generalsekretär Martin Huber in der "Berliner Runde". Man müsse sich fragen: "Wie können wir selbst stärker werden?" Eine dauerhafte Lösung ohne die USA sei "schwer denkbar". Deshalb müsse man auf die eigene Stärke setzen und dafür sorgen, dass auch die USA weiter unterstützten, sagt er.

Sondierungen werden Montag fortgesetzt

Man sei heute einen großen Schritt weiter gekommen, sagt CDU-Generalsekretär Linnemann:

Die Europäische Union zeigt heute zum ersten Mal richtig klar, dass sie handeln will.

Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär

Das sei dem britischen Premier Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu verdanken. Auch Deutschland mit einem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz müsse wieder eine größere Rolle in Europa spielen, sagt Linnemann.
Bevor am 6. März die europäischen Beratungen weitergehen, treffen sich die Sondierungsteams von SPD und CDU/CSU morgen zur nächsten Gesprächsrunde. Eigentlich wollten sie sich erst Ende der Woche treffen, aber unter den aktuellen Umständen könne man "keine Rücksicht auf Karneval nehmen", sagt Linnemann im ZDF.

Icon von whatsapp
Quelle: dpa

Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

Nachrichten zur Bundestagswahl