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Initiative der Ampel:Neue Bürgergeld-Regeln: Das ist geplant
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Die Ampelregierung will beim Bürgergeld wieder stärker durchgreifen. Unter anderem soll eine Pendelzeit von täglich bis zu drei Stunden zumutbar sein. Das ist sonst noch geplant.
Mit schärferen Regeln will die Ampel wieder mehr Bürgergeld-Bezieher zum Arbeiten bewegen.
Quelle: picture alliance / CHROMORANGE
Die Bundesregierung will mit schärferen Regeln mehr Bezieher von Bürgergeld zur Aufnahme einer Arbeit bewegen. So soll künftig ein längerer Weg zur Arbeit zumutbar sein, das Ablehnen einer zumutbaren Arbeit mit erhöhten Leistungskürzungen geahndet werden und auch Schwarzarbeit zu Kürzungen führen.
Schwung für die lahmende deutsche Wirtschaft?
Diese und weitere Maßnahmen sind ein Bestandteil der sogenannten "Wachstumsinitiative" der Ampel-Koalition. Das ausführliche Papier liegt dem ZDF vor. Die Maßnahmen sollen vor allem dazu dienen, die lahmende deutsche Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Dazu zählen Maßnahmen für den Wohnungsbau, Bürokratieabbau, den Ausbau von KI ebenso wie den Arbeitsmarkt.
"Die Regelungen für die Zumutbarkeit von angebotener Arbeit sollten zeitgemäß überarbeitet werden", heißt es unter anderem im Papier. Dazu zähle auch der Anfahrtsweg.
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Bis zu drei Stunden Pendelzeit zumutbar
So soll künftig bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden eine Pendelzeit von zweieinhalb Stunden zumutbar sein, bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden sollen sogar drei Stunden Hin- und Rückfahrt in Kauf genommen werden müssen.
Verschärfen wollen SPD, Grüne und FDP auch die Mitwirkungspflichten der Bezieher von Leistungen.
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Kürzungen bei Schwarzarbeit und Nicht-Meldung
Auch bei Meldeversäumnissen sind Kürzungen von 30 Prozent vorgesehen. Die Sanktion soll erst aufgehoben werden, wenn es wieder ein "Signal der Mitwirkungsbereitschaft" gibt.
Wer bei Schwarzarbeit erwischt wird, dem sollen für drei Monate die Bürgergeld-Bezüge um 30 Prozent gekürzt werden. Leistungsbezieher sollen sich zudem "monatlich in Präsenz bei der zuständigen Behörde melden".
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verteidigte die vereinbarten Verschärfungen.
Das sagte Buschmann im Online-Dienst X. Wer als Arbeitnehmer hingegen freiwillig mehr arbeite, habe künftig "mehr Netto vom Brutto". Dies sei "sozial gerecht" und "ökonomisch klug."
Demgegenüber kündigte die SPD-Fraktion eine eingehende Prüfung der tatsächlichen Effekte auf den Arbeitsmarkt an. Die Grünen sahen die Beschlüsse schon jetzt als wenig hilfreich an.
Die Ampel plant offenbar eine härtere Gangart gegen Bürgergeld-Betrüger. Bei Fällen von gleichzeitiger Schwarzarbeit soll das Bürgergeld gestrichen werden. "Die Diskussion geht am eigentlichen Problem vorbei", so der SPD-Politiker Jan Dieren.17.06.2024 | 5:02 min
Kritik von SPD-Fraktion und den Grünen
"Nicht auf der Fachebene getroffene Kompromisse müssen jetzt in Ruhe sachlich eingeordnet werden - insbesondere in Bezug auf ihre tatsächlichen Arbeitsmarkteffekte", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP.
Das sei vor allem bei Entscheidungen zum "inzwischen überwiegend populistisch diskutierten Bürgergeld" der Fall, so Schmidt. Sie ergänzte jedoch: "Jeder Arbeitslose, der gut betreut und qualifiziert im ersten Arbeitsmarkt langfristig Fuß fasst, spart dem Steuerzahler Geld und stärkt unsere sozialen Sicherungssysteme."
Das Bürgergeld ist die Sozialleistung, die früher als Arbeitslosengeld II oder umgangssprachlich Hartz IV bezeichnet wurde. Es ist eine Grundsicherung für Arbeitssuchende, soll also Menschen den Lebensunterhalt sichern, die arbeiten können, deren Einkommen aber nicht zum Leben reicht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales definiert das Bürgergeld als "Leistung des Sozialstaats zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums".
- Seit Anfang 2024 erhalten Alleinstehende 563 Euro pro Monat.
- Mit Partnern zusammenlebende Erwachsene erhalten 506 Euro.
- Für Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre fließen 471 Euro.
- 390 Euro erhalten Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.
- Für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres fließen derzeit 357 Euro.
Arbeitslosengeld steht Menschen zu, die in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und arbeitslos werden. Es wird maximal 24 Monate ausgezahlt - danach folgt das Bürgergeld. Anders als beim Bürgergeld ist die Höhe des Arbeitslosengelds abhängig vom vorherigen Einkommen.
Laut Bundesagentur für Arbeit erhalten Menschen Bürgergeld, wenn sie erwerbsfähig und leistungsberechtigt sind und damit mindestens folgende Bedingungen erfüllen:
Hilfebedürftig bedeutet, dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft unter dem Existenzminimum liegt und sie den Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können. Erwerbsfähig bedeutet, dass keine Krankheit oder Behinderung sie hindert, eine Arbeit aufzunehmen. Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld erhalten, wenn die Person mit einer erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
- Sie sind mindestens 15 Jahre alt und haben die Altersgrenze für Rente noch nicht erreicht.
- Sie wohnen in Deutschland und haben hier ihren Lebensmittelpunkt.
- Sie können mindestens drei Stunden pro Tag arbeiten.
- Sie oder Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft sind hilfebedürftig.
Hilfebedürftig bedeutet, dass das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft unter dem Existenzminimum liegt und sie den Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können. Erwerbsfähig bedeutet, dass keine Krankheit oder Behinderung sie hindert, eine Arbeit aufzunehmen. Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld erhalten, wenn die Person mit einer erwerbsfähigen und leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
Asylbewerber*innen und Geduldete bekommen in der ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland kein Bürgergeld, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Erst nach anderthalb Jahren steht ihnen Bürgergeld zu. Laut neuem Asylbeschluss soll sich das aber ändern: Künftig sollen sie erst nach 36 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben.
Eine Ausnahme wurde für Menschen aus der Ukraine getroffen, die vor Russlands Krieg geflüchtet sind: Sie zählen nicht als Asylbewerber und haben nach der Flucht Anspruch auf eine Grundsicherung - also auch das Bürgergeld.
Eine Ausnahme wurde für Menschen aus der Ukraine getroffen, die vor Russlands Krieg geflüchtet sind: Sie zählen nicht als Asylbewerber und haben nach der Flucht Anspruch auf eine Grundsicherung - also auch das Bürgergeld.
Von den Grünen hieß es: "Das sind alles Maßnahmen, die uns bei der Integration in Arbeit kein bisschen weiterhelfen", sagte die grüne Arbeits- und Sozialpolitikerin Beate Müller-Gemmeke AFP. "Und was nicht hilft, sollten wir auch nicht machen."
Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten im Zuge der Haushaltseinigung Verschärfungen für Bürgergeld-Empfänger beschlossen.
Bürgergeld-Empfänger, die nicht zum Jobcenter Kassel kommen und nicht auf Anschreiben reagieren, bekommen Hausbesuche. Dadurch können die, die nur kassieren wollen, auch konsequent sanktioniert werden.15.06.2024 | 13:11 min
Quelle: dpa, AFP, ZDF
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