Bürgergeld: CDU-Vorstoß zu "Totalverweigerern" in der Kritik
Umgang mit "Totalverweigerern":CDU-Vorstoß zum Bürgergeld entfacht Debatte neu
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Aus der CDU-Spitze kommt ein rigoroser Reform-Vorschlag für das Bürgergeld: "Totalverweigerern" solle die Stütze gestrichen werden. Grüne und Sozialverbände sind entsetzt.
Sollte "Totalverweigerern" das Bürgergeld komplett gestrichen werden? An diesem CDU-Vorstoß gibt es Kritik (Symbolfoto).
Grüne und Sozialverbände warfen Linnemann unter anderem Populismus und Hetze vor. Die FDP pocht auf weitreichende Verschärfungen beim Bürgergeld. Unterdessen wurde bekannt, dass die Bundesregierung beim Bürgergeld im kommenden Jahr eine Nullrunde für möglich hält.
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Linnemann für Komplettstreichung
Linnemann hatte sich dafür ausgesprochen, mehr als 100.000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er:
Der Staat müsse dann davon ausgehen, dass der- oder diejenige nicht bedürftig sei. "Dann muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden." Auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, machte sich für einen radikalen Kurswechsel stark.
Vom Sozialflügel der eigenen Partei bekam Linnemann Gegenwind. Seine Forderung gehe an der Wirklichkeit vorbei, kritisierte der Vize-Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler. Menschen in Deutschland dem Hunger auszusetzen, sei mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar.
Fragen und Antworten zum Bürgergeld in Deutschland:
Erwerbsfähige und leistungsberechtigte Bürgerinnen und Bürger: Man muss mindestens 15 Jahre alt und noch nicht im Rentenalter sein, in Deutschland wohnen, mindestens drei Stunden täglich arbeiten können und hilfebedürftig sein. Das heißt, wer mit dem eigenen Einkommen unter dem Existenzminimum landet und den Lebensunterhalt nicht ausreichend bestreiten kann.
Auch wer nicht erwerbsfähig ist, kann Bürgergeld bekommen - wenn er oder sie mit jemand Erwerbsfähigem in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft lebt.
Nein. In einem Grundsatzurteil verwies das Bundesverfassungsgericht 2019 auf das Grundgesetz: Die Ausgestaltung der Grundsicherung ergibt sich demnach aus dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Denn staatliche Verpflichtung ist es, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.
Der Staat hat folglich den Auftrag, die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen. Seine sozialen Leistungen darf er daran knüpfen, dass Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können, und an aktive Mitwirkung. Auch Sanktionen sind erlaubt. Aber: Der Staat muss laut Karlsruhe strenge Anforderungen der Verhältnismäßigkeit beachten. Nicht zu beanstanden ist laut den Richtern eine Leistungsminderung von 30 Prozent, bis ein Betroffener wieder mitwirkt.
Karlsruhe setzt dem enge Grenzen. Der vollständige Wegfall ist "auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar", heißt es im Urteil. "Es liegen keine tragfähigen Erkenntnisse vor, aus denen sich ergibt, dass ein völliger Wegfall von existenzsichernden Leistungen geeignet wäre, das Ziel der Mitwirkung an der Überwindung der eigenen Hilfebedürftigkeit und letztlich der Aufnahme von Erwerbsarbeit zu fördern."
Den Antrag auf Bürgergeld muss man persönlich stellen. Alle Angaben müssen korrekt gemacht, Urkunden und Bescheinigungen vorgelegt, Änderungen mitgeteilt werden. Wird man krank, muss man am dritten Tag ein Attest vorlegen. Die Hilfebedürftigen müssen an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken und sich auf Verlangen bewerben. Es gilt die Verpflichtung, jede zumutbare Arbeit anzunehmen, zu der man in der Lage sind.
Bei Pflichtverletzungen werden die Leistungen gekürzt - in Schritten um bis zu 30 Prozent. Jobcenter sollen Arbeitslosen das Bürgergeld für maximal zwei Monate auch komplett streichen können, wenn die Betroffenen die Aufnahme einer Arbeit nachhaltig verweigern. Dies gilt seit März und war zur Schließung von Finanzierungslücken beschlossen worden.
"Der Anstieg der vergangenen zwei Jahre ist maßgeblich auf den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zurückzuführen", sagte Dirk Heyden, Chef des größten deutschen Jobcenters in Hamburg, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Über eine Million Menschen seien seither nach Deutschland gekommen. Heyden machte auch den Krieg für die zurückliegende hohe Inflation und dadurch steigende Hilfebedürftigkeit verantwortlich.
Quelle: dpa
Grüne werfen Linnemann Hetze vor
Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke warf Linnemann "Hetze gegen Menschen im Bürgergeld" vor. Schleierhaft bleibe, wie Linnemann auf 100.000 Menschen komme, die im Bürgergeld nicht bereit zu arbeiten seien. Denn der überwiegende Teil sei minderjährig oder arbeite im Niedriglohnbereich.
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Von den verbliebenen rund 1,7 Millionen tatsächlich Arbeitslosen sei bisher maximal ein Prozent wegen Fehlverhaltens sanktioniert worden. "Das macht 17.000 Menschen." Etwa Alleinerziehende hätten es sehr schwer, in Arbeit zu kommen, vor allem die weiblichen Geflüchteten aus der Ukraine.
FDP kritisiert CDU-Vorstoß, will aber auch weitere Reformen
FDP-Fraktionschef Christian Dürr wies Linnemanns Forderung als "unausgegoren" zurück. Die Ampel-Koalition habe bereits beschlossen, "Totalverweigerern" das Bürgergeld ganz zu streichen, sagte Dürr im Nachrichtensender Welt TV.
Auch FDP-Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai wies auf die geplanten Verschärfungen hin, die die Ampel-Koalition im Zuge des Bundeshaushalts 2025 und eines Wachstumspakets bereits anpeilt. Doch Djir-Sarai sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) weiter:
Leistung solle sich wieder mehr lohnen. Die Sozialausgaben des Staates sollten sich mehr auf die konzentrieren, "die tatsächlich Unterstützung benötigen". Jobcenter können Arbeitslosen jüngsten Ampel-Beschlüssen zufolge das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen, wenn die Betroffenen die Aufnahme einer Arbeit nachhaltig verweigern.
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Diakonie: Nur wenig "Totalverweigerer"
Sozialverbände lehnten Forderungen nach weiteren Verschärfungen ab. Die Chefin des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, sagte der dpa:
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch sagte: "Dass mehr als 100.000 Menschen grundsätzlich nicht bereit seien, eine Arbeit anzunehmen, ist schlicht falsch." Nicht einmal ein Prozent der arbeitsfähigen Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger könnten als "Totalverweigerer" eingestuft werden.
Nullrunde 2025 wahrscheinlich
Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld müssen sich auf eine mögliche Nullrunde im kommenden Jahr einstellen. Anfang 2024 seien die Regelbedarfssätze im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegen, sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums. Dies habe an der hohen Inflation vorher gelegen.
Anfang 2024 waren die Beträge, die die Beziehenden von Grundsicherung erhalten, insgesamt um zwölf Prozent gestiegen.
Quelle: ZDF
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