Neue Studien zeigen: Arbeiten lohnt sich mehr als Bürgergeld
Nach Bürgergeld-Erhöhung:Studien: Arbeiten lohnt sich auf jeden Fall
von Anne Sophie Feil
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Wer Sozialleistungen bezieht, erhält seit Jahresanfang mehr Geld. Kritiker befürchten, dass es sich so nicht mehr lohne, einen Job anzunehmen. Zwei Institute ziehen das in Zweifel.
Arbeiten lohnt sich zwei Studien zufolge mehr als Bürgergeld.
Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Arbeiten in Deutschland lohnt sich nicht - diese Behauptung kursiert vor allem, seit die Regierung plante, Sozialleistungen zu erhöhen. Doch eine Untersuchung zeigt: Rein monetär gesehen lohnt es sich immer, einen Job anzunehmen. Wie hoch dieser Anreiz ausfällt, variiert allerdings.
Schon in 2023 gab es Diskussionen um die Bürgergeld-Erhöhung
Wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann, hat in der Regel Anspruch auf Sozialleistungen. Diese, darunter auch das Bürgergeld, wurden im Januar um gut zwölf Prozent erhöht.
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Grundlage der Entscheidung waren unter anderem die gestiegenen Verbraucherpreise. Die Inflation lag 2023 bei durchschnittlich 5,9 Prozent. Inzwischen steigen die Preise weniger schnell.
Union und FDP wollten die Erhöhung des Bürgergeldes verhindern
Es gibt daher auch die weitverbreitete Kritik, die Anhebung sei nicht verhältnismäßig. Angesichts der Engpässe im Bundeshaushalt 2024 forderten FDP und Teile der Union Ende vergangenen Jahres, diese Pläne zurückzunehmen.
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Ein weiteres Argument der Kritiker: Sozialleistungsempfänger, die einen Job annehmen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt zu einem größeren Teil aus eigener Kraft finanzieren können, bekommen weniger Leistungen. Einige Stimmen befürchten daher, dass es sich für Geringverdiener nicht lohne, zu arbeiten.
Durch die höheren Freibeträge haben Menschen, deren Einkommen aus Arbeit so gering ist, dass sie zusätzlich Sozialleistung erhalten, mehr Geld zur Verfügung als Menschen, die nur Sozialleistung beziehen.
Wer als Single ohne Kinder in einer Stadt mit mittlerem Mietniveau wie etwa Dresden lebt und
1.000 Euro brutto verdient, bekomme nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben und unter Berücksichtigung der Sozialleistungen 891 Euro heraus. Wer unter gleichen Bedingungen nur Sozialleistungen kassiert, erhalte 563 Euro Bürgergeld.
Bei 2.000 Euro brutto sind es für einen Alleinstehenden mit Sozialleistungen netto 1.020 Euro, ohne Leistungen 965 Euro. Beide Beiträge sind wesentlich höher als das Bürgergeld von 563 Euro.
Genauso laufe es bei Alleinerziehenden. Wer brutto 1.000 Euro verdient, bekomme mit den Sozialleistungen sogar 2.033 Euro heraus, ebenfalls mehr als jemand ohne Arbeitseinkommen und nur mit Sozialleistungen. Der komme auf 1.553 Euro. "Wer allerdings keinerlei Sozialleistungen beantragt, der landet mit 1.000 Euro brutto nur bei 622 Euro", sagt ifo-Forscherin Lilly Fischer.
Quelle: ifo Institut
Voraussetzung dafür sei, dass man alle Leistungen in Anspruch nehme, die man bekommen könne. Die Forschenden haben das für verschiedene Einkommens- und Haushaltskonstellationen überprüft und kamen zu dem Ergebnis:
Allerdings fällt die Differenz unterschiedlich groß aus. Bei einem Einkommen von über 1.000 Euro und Bürgergeld oder einer Kombination aus Wohngeld und Kinderzuschlag kann es passieren, dass für jeden Brutto-Euro mehr auf der Gehaltsabrechnung weniger als 20 Cent im Geldbeutel landen. Je nach Mietniveau und Heizkosten gebe es auch große regionale Unterschiede.
Wer früher Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, bekommt seit Januar 2023 Bürgergeld. Berechtigt sind laut Bundesregierung Menschen, die erwerbsfähig sind und trotz Bemühungen keine Arbeit finden oder Erwerbstätige, die so wenig verdienen, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht voll finanzieren können. Seit Januar 2024 erhält ein alleinstehender Erwachsener 563 Euro Bürgergeld im Monat – 61 Euro mehr als im Jahr zuvor. Lehnen Betroffene ein zumutbares Jobangebot ab, kann ihnen diese Leistung gekürzt werden.
(Quelle: Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit)
Wohngeld ist ein Zuschuss zur Wohnkostenbelastung für Haushalte mit geringen Einkommen. Anspruch und Höhe des Wohngelds hängen ab von der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder und der Höhe der zuschussfähigen Miete oder Belastung (bei selbst nutzenden Eigentümern). Auch Kosten für Heizen und energetische Sanierung werden berücksichtigt. Sind die Betroffenen berufstätig, wird ihr Einkommen mit den Sozialleistungen verrechnet. Besteht ein Anspruch auf Bürgergeld und Wohngeld, wird anhand einer Günstigerprüfung ermittelt, welche Leistung attraktiver ist.
(Quelle: Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit)
Wenn das Einkommen nicht für die ganze Familie reicht, können Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigte zusätzlich zum Kindergeld den Kinderzuschlag (umgangssprachlich: Kindergeldzuschlag) erhalten. Ob und in welcher Höhe dieser gezahlt wird, wird für jede Familie individuell berechnet. Maßgeblich sind unter anderem das Brutto-Einkommen (mind. 900 Euro für Paare, mind. 600 Euro für Alleinerziehende) sowie das erhebliche Vermögen des Haushalts (der Familienunterhalt könnte aus Einkommen, Kinderzuschlag und ggf. Wohngeld bestritten werden). Ab 2025 soll diese Leistung auf eine Kindergrundsicherung umgestellt werden.
Quelle: Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit
Der monetäre Anreiz, eine Stelle anzunehmen, sei damit "teilweise äußerst gering", so die Forschenden. Ob Betroffene aus diesem Grund tatsächlich Arbeitsangebote ablehnen, ist nicht belegbar, denn dazu führt die Bundesagentur für Arbeit (BA) keine Statistiken.
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Die Zu- und Abgänge ins Bürgergeld deuten allerdings nicht darauf hin, dass Menschen ihre Arbeit aufgeben, um Bürgergeld zu beziehen, bilanziert eine Sprecherin der Bundeagentur für Arbeit. Trotzdem empfehlen die Wirtschaftsforschenden eine Systemreform, indem Freibeträge und Anrechnungsregeln so angepasst werden, dass sich Mehrarbeit immer deutlich lohnt.
Anne Sophie Feil ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.