Bei einem kleinen Parteitag der Grünen wirbt die Partei für demokratische Werte und gegen Rechtsextremismus. Eine Zusammenarbeit mit der AfD im EU-Parlament sei ausgeschlossen.01.06.2024 | 1:30 min
Die erste Rede ist noch nicht gehalten, da gibt es schon den ersten, frenetischen Steh-Applaus. Dafür reicht schon, dass die Spitzengrünen (
Ricarda Lang,
Omid Nouripour,
Annalena Baerbock,
Robert Habeck) in die Potsdamer Schinkelhalle einziehen, gemeinsam mit der grünen EU-Spitzenkandidatin Terry Reintke. Auf Zwischenjubel und Standing-Ovations kann sich hier heute wirklich jede Hauptrednerin und jeder Hauptredner verlassen. Die knapp hundert Delegierten sind nicht für den inhaltlichen Streit angereist.
Heute geht es darum, sich selbst Schwung und Mut zuzuklatschen für die letzten Meter des
Europa-Wahlkampfs.
Der Streit bleibt draußen
Der Länderrat ist eine grüne Besonderheit. So etwas wie ein kleiner Parteitag, voll beschlussfähig und zugleich Bindemittel zwischen Bundespartei, Fraktionen und Landesverbänden. So ein Länderrat kann in ganz unterschiedlichen Betriebstemperaturen stattfinden. Im letzten Jahr
in Bad Vilbel etwa war der Frust groß. Die Basis war unzufrieden mit Entscheidungen in Berlin und Brüssel: Mit längerer Laufzeit für Atomkraftwerke, mit Asylentscheidungen der
Europäischen Union.
In vielen EU-Ländern führen Rechtspopulisten die Umfragen zur EU-Wahl an. Die Grünen richten ihren Wahlkampf daher gegen Rechts aus, wie der Auftakt in Berlin zeigt.13.05.2024 | 1:34 min
Eigentlich sind seitdem die Gründe für grünen Ärger nicht weniger geworden. Schließlich fehlt der Regierung jetzt auch noch das Geld für viele grüne Herzensangelegenheiten und der
FDP-Finanzminister mahnt gerade die
Grünen zu mehr Haushaltsdisziplin. Darüber aber heute kein Wort. Der Streit muss draußen bleiben. Stattdessen viel Selbstvergewisserung und Pathos.
"Grün vor Blau" - Warnung vor dem Rechtsruck
Bei der letzten
Europawahl vor fünf Jahren konnten die Grünen ein Rekordergebnis einfahren. 20,5 Prozent - deutlich mehr als die
SPD, fast doppelt so viel wie die
AfD. Jetzt aber drohen große Verluste. Das
ZDF-Politbarometer sieht die Partei diesmal bei 15 Prozent - Kopf an Kopf mit der AfD. Trotz
Krah, trotz
Bystron.
Die AfD war dann auch der der ständig präsente, unsichtbare Gegner in der Halle. Es gehe darum,
Rechtsextreme in die Schranken zu weisen, sagt die Bundegeschäftsführerin Emily Büning. Nach der Wahl müsse es heißen "Demokraten vor Faschisten. Grün vor Blau." Der Parteivorsitzende Nouripour buchstabiert das AfD-Parteikürzel als "Armut für Deutschland".
Wütende Landwirte, blockierte Straßen – seit Wochen protestieren Landwirte gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Negativer Höhepunkt sind Aktionen gegen Mitglieder der Grünen.27.02.2024 | 8:55 min
Die Grünen als Feindbild
Außenministerin Baerbock spricht an, dass auch und gerade für ihre Partei die Zeiten rauer würden. So viele Sicherheitskräfte wie jetzt in der Halle hätte es früher nicht gegeben - hätte man früher nicht gebraucht. Betretene Ruhe herrscht, als die Wahlkämpferin Anne-Katrin Haubold ihre Erlebnissen in Dresden schildert. Sie war dabei, als ein
Parteifreund zusammengeschlagen wurde, der gerade Plakate kleben wollte.
Haubold und auch viele andere Rednerinnen und Redner betonen, dass ihnen der Wahlkampf trotzdem noch Spaß mache, auch wenn das Klima rauer würde. Für sie sei Wahlkampf "die schönste Jahreszeit" sagt eine Delegierte aus dem Norden. Mut-Machen vor einem heißen Wahlherbst in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
Die ewige Habeck-Baerbock-Frage
Im Vorfeld dieses Länderrats war gemutmaßt worden, ob sich denn auch etwas ablesen lassen würde in der ewigen Habeck-Baerbock-Frage. Wer wird grüner Kanzlerkandidat beziehungsweise dann doch wieder grüne Kanzlerkandidatin? Kleinere Spitzen mag es gegeben haben, aber Favoriten wurden hier keinesfalls gekürt. Am Applaus konnte man ohnehin wenig ablesen - den gab es im Überfluss, für alles und jeden.
Bernd Benthin ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.
Der Green Deal ist das größte Transformationsprojekt der EU - und steht stark in der Kritik. Worauf es bei der Europawahl für die Zukunft des Projekts ankommen könnte.