Erstmals spricht Ehepaar im TV:Das sind die Millionenspender des BSW
von Christiane Hübscher
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Zum ersten Mal zeigt sich das Ehepaar von der Ostsee, das dem Bündnis Sahra Wagenknecht insgesamt 5 Millionen Euro gespendet hat. Lobbyexperten sehen zumindest eine Kontrolllücke.
Sehen Sie hier einen Zusammenschnitt des Interviews mit dem Spenderehepaar Lotte Salingré und Thomas Stanger.24.09.2024 | 9:36 min
Alles an Lotte Salingré und Thomas Stanger ist unerwartet normal: Die beiden begrüßen zum Interview im T-Shirt, vor der Tür steht kein Porsche, das Haus ist nicht protzig, aber groß und gemütlich. Von der Holzterrasse aus sieht man die Ostsee bei Boltenhagen, das Paar lebt dort, wo andere Urlaub machen. Die beiden machen sich Tee und Kaffee und beginnen zu erzählen.
Großspender mit links-grüner Vorgeschichte
"Wir hätten nicht gewusst, wen wir wählen sollten", sagt Thomas Stanger (67). Der Würzburger, der mit seiner Frau seit 20 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern lebt, sah Ende 2023 politisch "ein Vakuum, da fehlte irgendwas".
Eigentlich seien sie schon immer grün gewesen, Ostermärsche, Anti-Atomkraft-Proteste, all das gehört zu ihrer beider Biografie. Sie waren enttäuscht, als Joschka Fischer (Grüne) als Außenminister, kaum im Amt, mit Ja für den Nato-Einsatz im Kosovo stimmte.
Das Paar besitzt heute eine Finca in Spanien, experimentiert dort mit Permakultur. Sie spenden Geld an Klimaaktivisten, das Thema ist ihnen wichtig. Aber eine Sache ist ihnen noch wichtiger: Frieden.
Sahra Wagenknecht plant im Verborgenen und erschüttert ihre alte Partei.09.10.2024 | 35:29 min
Bruch kam mit der Zeitenwende
"Der große Bruch", so nennt es Thomas Stanger, kam für sie mit der sogenannten Zeitenwende. "Als auch die Linke gesagt hat, wir müssen Waffen liefern, gab es ja keine Partei mehr außer der AfD, die gesagt hätte, nee, machen wir nicht." Und die AfD sei für sie nie in Frage gekommen, so Lotte Salingré (61), geboren in Köln:
Mehr als eine halbe Million Menschen habe inzwischen das "Manifest für den Frieden" mit der Forderung nach Friedensgesprächen mit Russland im Ukraine-Krieg unterschrieben. Die Forderungen der Petition sind umstritten.22.02.2023 | 1:28 min
Sahra Wagenknecht fiel ihnen endgültig auf durch ihr "Manifest für den Frieden", das sie gemeinsam mit Alice Schwarzer verfasste. "Endlich mal wieder eine klare, starke Stimme für Frieden und Verhandlungen", so Salingré. Zur zweiten Wagenknecht/Schwarzer-Demo fuhr das Paar nach Berlin.
Jubelstimmung im Osten, Katerstimmung ganz im Westen09.10.2024 | 36:28 min
Salingré und Stanger nehmen inkognito am Bundesparteitag teil
Salingré und Stanger spendeten Ende November zweimal 20.000 Euro an den Verein Bündnis Sahra Wagenknecht, den Vorläufer der Partei. Und hörten von dort erstmal vier Wochen gar nichts. Dann meldete sich Ralph Suikat, der Schatzmeister, bedankte sich und hatte Fragen. "Die haben abgecheckt, was unser Hintergrund ist, was unsere Ziele sind, unsere Ideen", erzählt Stanger.
Die Partei erhält eine Millionenspende - von wem?09.10.2024 | 38:12 min
Das Paar will nach eigenen Angaben keinen Einfluss, stellt keine Bedingungen, das, was sie im Gründungsmanifest des BSW lesen, reicht ihnen. Stanger und Salingré überweisen am Tag nach der Parteigründung 990.000 Euro und treten in die Partei ein. Es gibt ein erstes kurzes Online-Meeting mit Sahra Wagenknecht, Ende Januar nehmen sie praktisch inkognito am ersten Bundesparteitag in Berlin teil.
Thomas Stanger sagt: "Deswegen haben wir bisher eigentlich auch vermieden, in Interviews unser Gesicht zu zeigen, weil wir eigentlich damit keine Sonderposition haben wollten."
Die ZDF-Hauptstadtkorrespondentinnen Christiane Hübscher und Andrea Maurer dokumentieren mit "Inside Bündnis Wagenknecht" die Probleme und Verwerfungen, die der kontrollierte Parteiaufbau vom Bündnis Sahra Wagenknecht mit sich bringt. Und sie fragen nach den Gründen für den Erfolg, den die junge Partei bei Wahlen feiern kann. Auch die Millionenspender werden in dieser Doku-Serie zu sehen sein.
Die fünf Folgen der Doku-Serie sind jederzeit in der ZDF-Mediathek verfügbar.
Größte private Parteispende an das BSW
Auf dem Parteitag wurde ihnen durch viele Gespräche klar, dass das BSW sehr viel mehr Geld brauchen wird für die anstehenden Wahlkämpfe. Stanger sagte zu seiner Frau:
Es gab keine Diskussionen, sagt sie, und so überwies das Paar Mitte März alles, was sie zu der Zeit an Geld flüssig haben an das BSW: Noch einmal 4 Millionen. Damit stammte rund die Hälfte des damaligen Budgets der jungen Partei aus dem Privatvermögen dieser zwei Menschen.
Erste Wahlerfolge und Provokation im Bundestag09.10.2024 | 34:18 min
Woher das Geld kommt
Thomas Stanger gründete als junger Mann mit Freunden in seiner Heimat bei Würzburg eine Elektronikfirma, die mit Beleuchtungs-Hightech für Veranstaltungen sehr erfolgreich wurde. Im Jahr 2000 stieg er aus dem operativen Geschäft aus, blieb aber weiterhin Teilhaber. Die Firma werfe bis heute gut Geld ab.
Jedes neue Mitglied wird auf Loyalität geprüft.09.10.2024 | 33:21 min
Was der BSW-Schatzmeister sagt
Der Schatzmeister des BSW, Ralph Suikat, bestätigt gegenüber dem ZDF, man habe natürlich im Fall dieser Großspenden sehr genau hingeschaut. "Wir wollen uns schließlich die Gerüchte, wir wären irgendwie aus Russland finanziert, nicht von anderer Seite belegen lassen."
Die nötigen Informationen seien "in fünf Minuten" über Firmen-Auskunfteien öffentlich recherchierbar und zudem im Handelsregister hinterlegt, so Suikat. Da werde klar, das Würzburger Unternehmen habe über die letzten Jahre einen zweistelligen Millionenbetrag an Gewinn gemacht. Suikat meldete die Großspenden vorschriftsgemäß der Bundestagsverwaltung, von dort kamen keine Nachfragen, die Summen wurden als Drucksache veröffentlicht.
Die Parteien im Bundestag machen den Großteil ihrer Zuwendungen nicht transparent. 2022 blieben rund 100 Millionen Euro ohne öffentlichen Nachweis, zeigen ZDF-frontal-Recherchen.
von J. Halbe, M. Heßlinger, T. Schober, S. Stahl
LobbyControl fordert Obergrenze für Parteispenden
Aurel Eschmann, Experte von LobbyControl, hat ebenfalls recherchiert:
Dennoch kritisiert LobbyControl fehlende Kontrollmechanismen des Bundestages. Es sei bekannt, dass Russland Gelder an politische Akteure in Deutschland und in der EU gebe, um innere Spannungen zu stärken und Institutionen lahmzulegen. "Die Bundestagsverwaltung müsste dem BSW wegen dieser Spende richtig auf den Zahn fühlen und das passiert hier nicht", so Eschmann.
LobbyControl fordert deshalb eine Obergrenze für Parteispenden und Sponsoring von 50.000 Euro pro Spender pro Jahr, "um sicherzustellen, dass Vermögende nicht mehr politischen Einfluss haben als andere, denn das ist undemokratisch".
Christiane Hübscher ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ZDF
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