BSW-Gründung: AfD-Mann wollte verdeckt in Wagenknecht-Partei
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Einblick in Wagenknecht-Partei:Wie ein AfD-Mann zum BSW wollte
von Christiane Hübscher
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Mit Perücke und falschem Namen hätte es ein AfD-Mann fast in die neue Partei von Sahra Wagenknecht geschafft. Eine ZDF-Kamera ist zufällig dabei. Doch der AfD-Mann fliegt auf.
Falschspieler von der AfD: Als "Hans Kappelt“ wollte dieser Mann Mitglied vom Bündnis Sahra Wagenknecht werden.
Quelle: ZDF
Er stellt sich dem Bündnis Sahra Wagenknecht als Hans Kappelt vor. Ein kleiner, untersetzter Mann, der, so behauptet er es, noch nie zuvor in einer Partei aktiv war. Er hat eine Flasche Weißwein dabei für Sabine Zimmermann, die BSW-Landeskoordinatorin von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Die beiden treffen sich am 11. Dezember des vergangenen Jahres in einem Berliner Hotel. Ein ZDF-Team filmt das Kennenlerngespräch für die Dokumentation "Inside Bündnis Wagenknecht", Kappelt ist damit einverstanden. Weder Zimmermann noch das ZDF wissen zu dem Zeitpunkt, wer der Mann wirklich ist.
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BSW castet Interessenten für neue Partei
Sabine Zimmermann castet um den Jahreswechsel im Auftrag von Sahra Wagenknecht ehrenamtlich Hunderte von Interessenten aus den Ländern. Täglich bekommt sie Mails, die sie ausdruckt, einen ganzen Aktenordner füllt sie damit. Mit manchen telefoniert sie nur, andere, die ihr besonders vielversprechend erscheinen, trifft sie persönlich, so wie Kappelt.
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Das BSW ist zu der Zeit noch nicht mal eine Partei, nur ein eingetragener Verein mit sehr wenigen Mitgliedern. Wagenknecht hat schon vorab eine klare Ansage gemacht: Ihre künftige Partei soll langsam wachsen, um - wie sie sagt - "Spinner" und vor allem AfD-Leute draußen zu halten.
Die ZDF-Hauptstadtkorrespondentinnen Christiane Hübscher und Andrea Maurer dokumentieren mit "Inside Bündnis Wagenknecht" die Probleme und Verwerfungen, die der kontrollierte Parteiaufbau vom Bündnis Sahra Wagenknecht mit sich bringt. Und sie fragen nach den Gründen für den Erfolg, den die junge Partei bei Wahlen feiern kann. Auch die Millionenspender werden in dieser Doku-Serie zu sehen sein.
Die fünf Folgen der Doku-Serie sind jederzeit in der ZDF-Mediathek verfügbar.
Das Lügengebäude des "Hans Kappelt"
Hans Kappelt gibt im Gespräch mit dem BSW an, er habe zuletzt Immobiliendarlehen vermittelt, komme aus Schwerin, mit Standbein in Binz auf Rügen. Er sei dort involviert in die Proteste gegen das geplante LNG-Terminal. Alles, was er von Wagenknecht lese und höre, könne er unterschreiben.
Kappelt stellt Zimmermann viele Fragen, will wissen, wann genau die Gründung der Partei geplant ist, wie die Listenaufstellung organisiert wird. Zimmermann lädt ihn schließlich ein: "Da würde ich mich sehr freuen, wenn Sie Lust hätten auf den Gründungsparteitag."
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Im anschließenden ZDF-Interview begründet Kappelt sein Interesse am BSW so: Er sei nicht mehr der Jüngste, habe zwei Kinder und "so geht es ja nicht weiter". Er sei nie in einer Partei gewesen, "aber immer politisch interessiert". Er sei bereit, beim BSW mitzumachen, "freue mich da auch drauf, was Neues noch mal aufbauen".
Zum ersten Mal zeigt sich das Ehepaar von der Ostsee, das dem Bündnis Sahra Wagenknecht insgesamt 5 Millionen Euro gespendet hat. Lobbyexperten sehen zumindest eine Kontrolllücke.
von Christiane Hübscher
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Die verräterische Zahnlücke
Doch Hans Kappelt ist nicht der, für den er sich in dem Gespräch ausgibt. Er trägt bei dem Treffen eine Perücke und tritt sonst unter anderem Vornamen auf: Als Olaf Kappelt ist er bis heute Mitglied bei der AfD, wie die Partei dem ZDF bestätigt. Noch bei der Bundestagswahl 2021 war Olaf Kappelt Spitzenkandidat der AfD in Bremen, wie Fotos und Videos im Internet belegen.
Der als "Hans Kappelt" getarnte Dr. Olaf Kappelt war bereits Spitzenkandidat der AfD in Bremen bei der Bundestagswahl im Jahre 2021.
Quelle: Facebook/ Dr. Olaf Kappelt
Beim BSW fliegt Kappelt auf, bevor er Parteimitglied werden kann: In einer WhatsApp-Gruppe, in der Sabine Zimmermann frühe Unterstützer miteinander verknüpft, erkennt jemand am Profilfoto, dass Hans Kappelt mit der auffälligen Zahnlücke Olaf Kappelt von der AfD sein muss.
BSW sieht Auswahlverfahren als Erfolg an
Zimmermann konfrontiert ihn am Telefon, Kappelt versucht sich rauszureden, doch für Zimmermann ist das Gespräch beendet.
"Da sieht man, wie wichtig es ist, dass wir uns die Leute genau anschauen, mit denen wir zusammenarbeiten", so die heutige Vorsitzende des BSW Sachsen.
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Auch Sahra Wagenknecht wird damals über den Fall Kappelt informiert. Hundertprozentig ausschließen lasse sich so etwas nicht, sagt sie dem ZDF-Team, "zumal, wenn es so trickreich passiert".
AfD kennt den Vorgang angeblich nicht
Unklar ist, ob Kappelt nur auf einen Posten beim BSW aus war oder im Auftrag handelte. Auf Nachfrage dazu reagiert er nicht. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sagte dem ZDF gegenüber, sie kenne den Vorgang nicht. "Solche Correctiv-Stasi-Methoden anzuwenden, das ist überhaupt nicht unser Duktus." Das Innenleben des BSW interessiere sie auch überhaupt nicht.
Christiane Hübscher ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
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