Warum Ost-Länderchefs mehr Hilfe von Scholz fordern

    Ministerpräsidenten bei Scholz:Warum Ost-Bundesländer mehr Hilfe fordern

    nicola-albrecht
    von Nicola Albrecht
    |

    Am Donnerstag beraten Bund und Länder. Nach den herben Verlusten von Scholz' SPD bei der Europawahl hoffen die Länderchefs im Osten auf mehr Hilfe durch den Bund.

    Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident des Landes Sachsen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Dietmar Woidke (SPD), Brandenburgs Ministerpräsident, Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, und Bodo Ramelow (Linke), Thüringens Ministerpräsident, Carsten Schneider (SPD), Ostbeauftragter der Bundesregierung, sowie Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, stehen beim Fototermin auf einer Treppe der Leucorea, einem historischen Universitätsgebäude. Dort findet das eintägige Treffen der Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder und dem Bundeskanzler statt.
    Die Ergebnisse der AfD bei den Europa- und Kommunalwahlen sorgen für Unruhen. Bundeskanzler Scholz traf sich mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten, um Probleme zu besprechen. 18.06.2024 | 1:41 min
    Die Wähler im Osten haben bei der Europawahl vor allem die Ampel und Bundeskanzler Olaf Scholz abgestraft. Die AfD reüssiert mit 30 Prozent und ist jetzt Volkspartei.
    Und im September sind Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg - nicht mehr viel Zeit für die amtierenden Ministerpräsidenten die Stimmung in den Ländern zu wenden.

    Brandenburg: Schlechte Infrastruktur und Kohleausstieg

    Die drängendsten Probleme der Ministerpräsidenten in Brandenburg, Sachsen und Thüringen sind vielfältig und umfassen Themen wie wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Ausbau von Infrastruktur in ländlichen Räumen, Bildung, demografischer Wandel und die Integration von Zuwanderern.
    Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, spricht vor der Präsidiumssitzung der CDU im Konrad-Adenauer-Haus zu Journalisten.
    In Sachsen und weiteren Bundesländern wird im Herbst ein neuer Landtag gewählt. Umso interessanter ist der Erfolg der AfD und des BSW bei der Europawahl. 10.06.2024 | 1:31 min
    Beispiel Brandenburg: hier stehen unter anderem die Menschen im südlichen Brandenburg vor großen Herausforderungen. Nicht nur der Strukturwandel in der Region, sondern auch der geplante Kohleausstieg fordert viel ab.
    Nach wie vor ist die Infrastruktur verbesserungsbedürftig, die Anbindung der kleineren Orte mangelhaft, es fehlen Ärzte, Kitas und Schulen. Zudem leidet die Region, so wie der gesamte Osten in den ländlichen Regionen, nach wie vor unter der massiven Abwanderung in den 90er-Jahren und der damit verbundenen Überalterung.
    Auf dem Bild ist Bundeswirtschaftsminister Habeck zu Besuch beim Kohlekraftwerk in der Lausitz zu sehen.
    Bundeswirtschaftsminister Habeck besucht das Kraftwerk Schwarze Pumpe in der Lausitz. Bis 2038 soll die Stromerzeugung auf erneuerbare Energie umgestellt werden.22.02.2023 | 2:00 min

    Schlechte Umfragewerte trotz Milliarden-Investition

    Aktuell steigt die Rückkehrerquote nur langsam, Fachkräfte sind Mangelware. Dass Bund und Länder die Menschen hier seit Jahren kräftig unterstützen und allein in die brandenburgische Lausitz zehn Milliarden Euro investieren und dass neue Arbeitsplätze entstehen, reichte offenbar nicht aus, um die Wähler von der Arbeit der Regierung zu überzeugen.
    Den Menschen dauert vieles zu lange, sie sind "wandelmüde" und haben das Vertrauen in die Politik der etablierten Parteien verloren. Mancherorts konnte die AfD hier bei den Europawahlen und auch bei den Kommunalwahlen knapp 40 Prozent der Stimmen holen.

    AfD und BSW: Migration als Schwerpunktthema

    Das politisch wichtigste und emotionalste Thema für die Menschen in den ostdeutschen Bundesländern - und das Topthema der AfD - ist die Migration. So sieht es auch der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt.
    Bieniek_volodoku_LSBrandenburg_AbdalraofAlhamidi_TN3
    Abdalraof Alhamidi ist als 15-Jähriger nach Deutschland geflüchtet. In Cottbus fand er eine Ausbildung und neue Heimat.18.04.2024 | 4:15 min

    Viele Menschen in Ostdeutschland wünschen sich, dass die Migration deutlich verringert oder sogar beendet wird.

    Werner J. Patzelt, Politikwissenschaftler

    Die Energiepolitik und Russlands Krieg gegen die Ukraine sind ebenfalls Themen, die die Menschen besonders bewegen. Neben der AfD besetzt diese Themen schwerpunktmäßig nur das Bündnis Sahra Wagenknecht.
    Wenn die ostdeutschen Ministerpräsidenten nun wieder einmal mit dem Kanzler sprechen, werden sie all das sicher adressieren. Aber ob es hilft?

    Gefahr der Bedeutungslosigkeit für SPD im Osten

    Selbst Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, Scholz' Parteigenosse, distanziert sich bereits seit geraumer Zeit von Kanzler und Ampel-Koalition.
    Bei den Bauernprotesten stellte er sich an die Seite der Landwirte, forderte Nachbesserungen in der Haushaltspolitik und nannte den Streit innerhalb der Ampel "demokratiezersetzend".
    Landtag Sachsen
    Die AfD will die Landtagswahl in Sachsen gewinnen. CDU-Ministerpräsident Kretschmer will das verhindern, doch die Koalitionspartner SPD und Grüne bangen um den Einzug in den Landtag.15.06.2024 | 4:12 min
    Die schlechten Wahlergebnisse der SPD bei den Europa- und den Kommunalwahlen sind kein guter Auftakt für die Kanzlerpartei vor den Landtagswahlen im Herbst. In Brandenburg läuft sie Gefahr, ihren Ministerpräsidenten zu verlieren. In Sachsen und Thüringen könnte sie im Nirvana verschwinden. Sie spielt schon jetzt in vielen Debatten kaum eine Rolle.

    Kernforderung Ost: Kein Kürzung bei Wirtschaftsförderung

    Und Erklärungen, dass in Zeiten von multiplen Krisen das Regieren in einer Dreier-Koalition nicht die einfachste Aufgaben ist, wollen die Menschen nicht mehr hören.
    Testfall Thüringen - Demokratie in Gefahr?
    Umfragen sehen Björn Höcke und die erwiesen rechtsextremistische AfD in Thüringen bei der Landtagswahl vorn. Warum wollen dort so viele ihr Kreuz ganz rechts machen? 19.05.2024 | 20:00 min
    Wenn es um konkrete Forderungen an Scholz geht, werden die Ost-Ministerpräsidenten wohl mit einer Stimme sprechen: Bei der Wirtschaftsförderung darf in ihren Augen nicht gekürzt werden, denn noch immer fehlen hier vergleichsweise Fachkräfte.
    In diesem Kontext werden sie vermutlich erneut um Unterstützung bitten, Programme für die Integration von Fachkräften aus dem Ausland zu fördern und gleichzeitig darauf drängen, illegaler Migration Einhalt zu gebieten. Der AfD nicht das Feld überlassen zu wollen, dürfte wohl ein großer gemeinsamer Treiber sein.
    Nicola Albrecht ist Leiterin des ZDF-Landesstudios Brandenburg.

    Mehr zur Lage in den Ländern