Konfliktforscher: Es gibt nicht "den einen" Bauernprotest
Verschiedene Akteure und Ziele:Experte: Gibt nicht "den einen" Bauernprotest
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Konfliktforscher Felix Anderl sieht bei den Bauernprotesten unterschiedliche Akteure und Ziele. Die Blockade von Habecks Fähre hatte ihm zufolge wenig mit Landwirtschaft zu tun.
Es handelt sich nicht um eine neue Protestform, so Konfliktforscher Felix Anderl. Dass es in Deutschland so einen Aufruhr gibt, sei jedoch "spektakulär und ungewöhnlich".05.01.2024 | 11:35 min
Konfliktforscher Felix Anderl von der Philipps-Universität Marburg erklärt im Gespräch mit ZDFheute live, warum die protestierenden Gruppen divers sind, zum Teil unterschiedliche Ziele verfolgen und inwiefern sich die Blockade der Landwirte mit den Blockaden der Klimaaktivisten vergleichen lässt.
Sehen Sie das Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.
Das sagt der Konfliktforscher ...
... zur Ausrichtung der Gruppen, die protestieren
Anderl ist es wichtig zu betonen, dass es nicht "die einen" Bauernproteste gibt. Man müsse differenzieren:
Bei der Blockade von Habecks Fähre am Donnerstag sei besonders eine Gruppe stark vertreten gewesen - "die reiten auf der Protestwelle und versuchen, ihre Agenda da unterzubringen", sagt der Forscher.
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Dieser Gruppe gehe es nicht wirklich um die Landwirtschaft. "Die Landwirtschaft ist wie so ein Sprungbrett, und das nutzen sie, um ihre Agenda nach vorn zu führen und destruktiv zu wirken."
Es gebe verschiedene Zusammenschlüsse und Chatgruppen, die sich im Namen der Landwirtschaft mobilisierten. Bei diesen Menschen sei "extrem viel Wut im Bauch und viele Aggressionen". Es sei "Dampf im Kessel".
Bei der Blockade der Fähre am Donnerstag, aber "vereinzelt auch schon in den letzten Wochen" sieht Anderl "eine starke Aggression und wirklich den Wunsch, die Regierung zu stürzen". Die Sprechchöre seien dann auch bei großen Demos teilweise entkoppelt von der Landwirtschaft, zum Beispiel, wenn es "Die Ampel muss weg" heiße. "Das erinnert auch schon ein bisschen an die Corona-Proteste, die wir vor ein paar Jahren gesehen haben", sagt Anderl.
Davon abgesehen gebe es aber durchaus viele Bäuerinnen und Bauern, die "schon lange Frustration, Zorn und Wut" wegen wirtschaftlicher Probleme hätten und sich in der Gesellschaft nicht genug anerkannt fühlten.
... zu den Agenden der verschiedenen Gruppen
Bei den Protestierenden sieht Anderl auch unterschiedliche Ziele. "Wir haben die großen Mobilisierungen vom Bauernverband und von einigen anderen Organisationen", sagt Anderl etwa. Diese richteten sich hauptsächlich gegen die geplanten Kürzungen bei den Agrarsubventionen der Bundesregierung. Dabei geht es zum Beispiel um die geplante Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel.
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Außerdem gebe es "Mobilisierungen für ökologische Transformation", erklärt der Konfliktforscher. Auch zu diesem Zweck sei eine Bauerndemonstration in Berlin geplant.
Und es gebe auch andere Gruppen, zum Beispiel "Land schafft Verbindung". "Die sind in sich auch divers, muss man sagen, aber die sind auf jeden Fall mehr als die anderen Gruppen aus meiner Einschätzung nach rechts offen", sagt der Konfliktforscher. Zudem gebe es Akteure "am rechten Rand, die jetzt diese Bauernproteste für ihre Agenda nutzen".
Anderl betont, es sei gut, dass sich der Bauernverband von den Akteuren distanziert habe, die an der Blockade der Fähre teilgenommen hatten, wenngleich der Verband "auch zu Polarisierung beigetragen hat".
... zu Parallelen zu den Protesten von Klimaaktivisten
Zwischen den Protesten und Blockaden der "Letzten Generation" und den Bauernblockaden sieht Konfliktforscher Anderl kaum Ähnlichkeiten. "Es gibt eine Parallele, und zwar eine Blockade. Aber wenn wir uns die Rhetorik anschauen, ist es eine ganz andere."
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Zwar blockiere die "Letzte Generation" Straßen, "aber sie hat noch nie jemanden bedroht, und sie redet nicht aggressiv. Sie hat keine Umsturzfantasien, das ist schon ein ganz anderes Niveau, würde ich sagen." Die Blockaden der Klimaaktivisten richteten sich zudem nicht "gezielt gegen Menschen, auch nicht gegen Politiker". Das sei bei der Blockade der Fähre anders gewesen.