Bauernprotest: Wer Habecks Fähre im Hafen blockierte
Bauernprotest gegen Minister:Wer Habecks Fähre im Hafen blockierte
von Nils Metzger
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Wütende Bauern blockieren die Fähre von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Protest koordinierte sich vorab im Netz und über Chatgruppen. Wer war an der Aktion beteiligt?
Die Wut über die Kürzung von Agrarsubventionen kocht hoch: Zahlreiche Landwirte hindern Bundeswirtschaftsminister Habeck am Verlassen einer Nordsee-Fähre. Die Aktion erntet Kritik.05.01.2024 | 2:50 min
Ein Vizekanzler, über eine Stunde lang gefangen auf seiner Fähre, weil wütende Landwirte den Anleger blockieren. Ein Albtraum für Robert Habecks Sicherheitsteam und eine weitere Eskalation der seit Wochen anhaltenden Bauernproteste in Deutschland.
Wie genau die Demonstranten vorab mitbekamen, wann und wo der Wirtschaftsminister von seinem Urlaub auf einer Hallig zurückkehren würde, ist bislang nicht bekannt. Doch im Netz gibt es zahlreiche Spuren, die helfen nachzuzeichnen, wie es zu der Eskalation am winzigen Fährhafen Schlüttsiel am schleswig-holsteinischen Wattenmeer kam.
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Wo nahm der Demo-Aufruf seinen Anfang?
Die Mobilisierung für die Protestaktion startete offenbar in lokalen WhatsApp-Gruppen von Unterstützern der Bauernproteste in Schleswig-Holstein. Einen der frühesten bislang bekannten Aufrufe postete ein Landwirt aus St. Peter Ording um 13:08 Uhr auf seinem Facebook-Account (Schreibweise wie im Original):
Er habe diese Nachricht unmittelbar zuvor in einer WhatsApp-Gruppe gelesen und dann auf seinem Account geteilt, erzählt er ZDFheute. Welche Gruppe das war, könne er nicht sagen, er lösche den Verlauf immer nach kurzer Zeit. "Ich mochte den Habeck eigentlich mal, das war der einzige vernünftige Grüne."
"Wer jetzt glaubt mit Umsturzfantasien hier Eindruck machen zu können, wird sehen, dass die Mehrheit des Landes und die Politik sehr klar steht", so Landwirtschaftminister Özdemir.05.01.2024 | 6:38 min
"Das war alles dezentral, da gab es keine Gruppe und auch vor Ort niemanden, der das koordiniert", erzählt er. Die ganze Aktion sei über Stunden gut und friedlich verlaufen - nur dass "10 von 300 Leuten" dann versucht hätten, auf die Fähre zu kommen, sei eine "Scheißidee" gewesen, sagt er ZDFheute.
Dennoch veröffentlichte er am Donnerstagabend im Anschluss an den Protest ein Video auf Facebook, worin die Aktion gefeiert wird:
Welche Gruppen warben für den Protest?
Dass der Aufruf offenbar innerhalb weniger Stunden so ein großes Ausmaß annehmen konnte, liegt auch an der guten Vernetzung der Bauernproteste in den sozialen Medien. In zahlreichen Telegram-Gruppen mit mehreren Tausend Mitgliedern wurden gleich oder ähnlich lautende Aufrufe, Habeck einen Besuch abzustatten, am Donnerstagnachmittag verbreitet.
Viele der Nutzer dort tragen die schwarz-weiß-rote Flagge der "Landvolkbewegung" in ihrem Profil. Man kann sie auch immer wieder an Traktoren bei Bauernprotesten in Norddeutschland sehen. Dabei handelt es sich um eine historische und teils militante Bewegung in den 1920er Jahren, die sich für die Interessen verarmter Bauern gegen den Staat einsetzte, aber mit ihren antidemokratischen und antisemitischen Ansichten auch dem Nationalsozialismus in der Region zum Aufstieg verhalf.
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In mehreren der Telegram-Gruppen, die zur Fähr-Blockade gegen Habeck posten, stehen Inhalte zu den Bauernprotesten gleich neben Verschwörungserzählungen über eine von verborgenen Mächten gesteuerte Pandemie oder Geraune über einen angeblichen "Bevölkerungsaustausch". Von rechten bis rechtsextremen Inhalten grenzen sich viele dieser digitalen Gruppen kaum ab.
Über die Verbreitung des Aufrufs in solchen rechtsoffenen Gruppen hatten der "T-Online"-Journalist Lars Wienand und der "Tagesspiegel"-Journalist Julius Geiler zuerst berichtet. Auch die Polizei Flensburg bestätigte inzwischen, dass Aufrufe in den sozialen Medien erfolgt seien. Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) verwies in einer Stellungnahme am Freitag auf einen Telegram-Kanal aus der "verfassungsfeindlichen Delegitimierer-Szene", der am Donnerstagnachmittag zur Verbreitung des Aufrufs beigetragen habe.
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Viele Fahrzeuge lokaler Lohnunternehmen am Fährhafen
In den Videos vom Fährhafen Schlüttsiel sind auch die Firmenlogos verschiedener lokaler Agrar- und Lohnunternehmen zu sehen. Diese Dienstleister sind für zahlreiche Bauern in der Region tätig, stehen ohne eigenen Hof aber quasi am Ende der Nahrungskette. Der ökonomische Druck ist bei ihnen oft am größten.
Vermittlungsversuch der Polizei am Anleger
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Ein Lohnunternehmen, dessen Logo auf mehreren Lkw zu sehen war, die Habeck den Weg versperrten, war Thomsenland. Geschäftsführer Holger Thomsen wollte sich gegenüber ZDFheute nicht konkret zum gestrigen Tag äußern - die Medien würden seine Aussagen verdrehen. Was er am Telefon dennoch loswerden möchte: "Die Bude brennt jetzt und ich weiß nicht, ob der Staatsschutz das noch lange halten kann. Immer mehr erkennen, dass sich in unserem Land grundsätzlich etwas ändern muss", so Thomsen zu ZDFheute.
Für ZDF-Korrespondentin Winnie Heescher markiert der Vorfall eine neue Dimension der Bauernproteste - insbesondere mit Blick auf Habeck persönlich, der aus der Region komme und in Schleswig-Holstein lange Landwirtschaftsminister war. "Mutmaßlich hat er manchen von den Demonstranten, von den wütenden Landwirten, die da gestern versucht haben, die Fähre zu stürmen, schonmal auf dem ein oder anderen Hof die Hand gegeben."
Die Ampel-Kürzungen bei Agrarsubventionen wurden teils zurückgenommen, dennoch rechnet Bauernpräsident Rukwied mit weiterem Protest. Die Blockade-Aktion gegen Habeck kritisiert er.