FAQ
Bauer Jung verklagt EU:Landwirtschaft: Big Brother ist watching
von Nicola Albrecht
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Reinhard Jung ist Biobauer in Brandenburg. Er liebt seinen Beruf. Aber er findet, es gibt zu viel Überwachung und Regulierung durch die EU.
Biobauer Reinhard Jung engagiert sich für seinen Betrieb und für eine bessere Agrarpolitik.
Quelle: ZDF
Reinhard Jung ist kein Europa-Feind, aber er ist wütend auf Europas Agrarpolitik. Der Biobauer aus Lennewitz, einem kleinen Ort in der Prignitz, liebt seine Wahlheimat und seinen Beruf und findet, dass die Welt für Landwirte hier in Ordnung sein könnte. Doch im europäischen Bauern-Konzert und im Zusammenspiel mit den Behörden empfindet er großen Missklang.
Für Regeln aber gegen "Bürokratiemonster"
Es sind die Vorgaben und Regeln, die ihm zunehmend zu schaffen machen. Dass Europa für ihn den ökonomischen Rahmen durch die Außenhandelspolitik und die gesetzlichen Vorgaben setze, findet er ok. Aber das Förderprogramm "GAP" (gemeinsame Agrarpolitik) sei zum "Bürokratiemonster" mutiert, dass ihm das Leben schwer mache.
27 Hektar Grünland mit Mutterkuhhaltung und Ochsenmast hat Jung - und damit als Kopf eines Familienbetriebs jede Menge zu tun.
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EU überwacht Felder mit Satelliten
Während er erzählt, überprüft er schnell, ob Strom auf seinem Weidezaun ist. Und eine dieser Kontrollen ist er nicht mehr bereit zu tolerieren: Ungefähr drei Mal pro Woche schickt die EU einen Satelliten über die Felder aller Landwirte in Europa, auch über die von Bauer Jung.
Die Aufnahmen erfassen nicht nur die von ihm angegebenen Flächen, sondern auch bestimmte Tätigkeiten - also ob er beispielweise zur verbotenen Zeit seine Felder düngt.
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Alle erfassten Bilder werden dann in einem Rechenzentrum in Ungarn unter anderem mit den Angaben in Bauer Jungs Subventionsanträgen abgeglichen. Das System sei ungenau und fehlerbehaftet, aber zwinge die Bauern zu ständiger Korrespondenz mit den Behörden. Jung erläutert: "Wenn dann irgendwelche Unklarheiten sind, kriegen wir Push-Nachrichten auf unser Handy und müssen dann dem Amt für ländliche Räume mithilfe von georeferenzierten Fotos darlegen, dass alles in bester Ordnung ist. Oder die Kontrolle kommt zu uns raus."
Jung hat jetzt gegen die EU Klage eingereicht. Eine Antwort vom Gericht steht noch aus. Jung wünscht sich mehr Vertrauen und einen anderen Blick auf die Zunft. Eine solide regionale Agrarlandschaft gepaart mit einer gut aufgestellten europäischen sei entscheidend für die Zukunft aller Landwirte. Die Politik dürfe dabei die kleinen Betriebe nicht aus den Augen verlieren.
Reinhard Jung (58), ist Politikreferent der "Freien Bauern" und Mutterkuhhalter aus Lennewitz in Brandenburg. Die "Freien Bauern" mit 1.860 Mitgliedern verstehen sich als unabhängige Interessenvertretung der bäuerlichen Familienbetriebe. Hinter der bundesweiten Initiative steht eine GmbH, die sich nur aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Sie lehnen personelle oder finanzielle Verflechtungen zu Politik, Industrie oder Umweltverbänden ab, redeten aber mit allen Parteien einschließlich der AfD. "Menschenverachtende Positionen in Teilen der AfD" lehnen sie aber ab. (Quelle: ZDF)
Subventionen zum Überleben "entwürdigend"
Ohne die Subventionen von rund 16.000 Euro pro Jahr käme Jung nicht über die Runden. Das weiß er - und empfindet die Tatsache als entwürdigend.
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Dafür verbringt er immer mehr Zeit vor dem PC statt auf der Wiese oder im Stall: "Wir brauchen weniger Auflagen und mehr unternehmerische Freiheit," meint Jung. Europas Regelwerk für die Landwirtschaft habe aber noch ein Problem, findet er.
Trotz aller Kritik versucht Biobauer Jung optimistisch zu bleiben. Die Landwirtschaft könne eine großartige Zukunft haben, schließlich würden immer alle Menschen essen. Sein Motto bleibt: Sich mehr trauen und vertrauen.
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