Bärbel Bas: "Demokratien sind immer in Gefahr"

    Interview

    75 Jahre Grundgesetz:Bas: "Demokratien sind immer in Gefahr"

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    Das Grundgesetz sichert zwar seit 75 Jahren die Demokratie. Eine Selbstverständlichkeit ist das aber nicht, sagt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Es gebe noch viel zu tun.

    Berlin: Bärbel Bas (SPD), Bundestagspräsidentin, spricht zu Beginn der Sitzung im Plenarsaal im Bundestag.
    Bärbel Bas (SPD), Bundestagspräsidentin, lobt das Grundgesetz. Bei Artikel 3 sei aber noch einiges zu tun.
    Quelle: Michael Kappeler/dpa

    ZDFheute: Was verbinden Sie persönlich mit dem Grundgesetz?
    Bärbel Bas: Vieles, was wir im Alltag erleben - sei es die Pressefreiheit, sei es die Meinungsfreiheit oder die Versammlungsfreiheit - stehen im Grundgesetz. Insofern verbinde ich es mit Alltäglichem.
    Und noch etwas: Zur Vereidigung des Kanzlers darf ich das Original-Grundgesetz in den Händen halten. Und das ist dann schon ein erhebendes Gefühl.
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    ZDFheute: Dem ZDF-Politbarometer zufolge sinkt gerade die Zufriedenheit mit der Demokratie. Man spürt mancherorts große Wut, aktuell geht es auch um körperliche Angriffe gegen Politikerinnen und Politiker. Ist das Grundgesetz gefährdeter als noch vor einigen Jahren?
    Bas: Demokratien sind immer in Gefahr. Und sie schützen sich auch nicht von alleine. Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Wir nehmen zunehmende Wut und Hass, insbesondere gegen Politikerinnen und Politiker, wahr, aber das darf doch kein Mittel sein.

    Die Demokratie muss von Demokratinnen und Demokraten geschützt werden und das schafft die Politik nicht alleine. Da sind die Bürgerinnen und Bürger gefragt.

    Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD)

    ZDFheute: Woher kommt die Wut der vergangenen Jahre?
    Bas: Es hat schon eine Polarisierung gegeben. Das hat sicherlich auch mit Corona zu tun. Dort mussten wir als Politik stark in die Freiheitsrechte eingreifen aufgrund der Gesundheitssituation. Da sind viele Wunden gerissen worden, die bis heute nicht verheilt sind. Und das merkt man zunehmend.
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    ZDFheute: Im Grundgesetz sind Schutzmechanismen festgeschrieben, zum Beispiel das Verbot von Parteien oder der Entzug von Rechten von Einzelnen. Experten aber sagen, wenn man das Grundgesetz aushöhlen will, dann würde man das anders machen. Dann würde man etwa bei der Justiz anfangen. Sind Sie dafür, das Grundgesetz zu ändern, also wehrhafter zu machen?
    Bas: Wir prüfen natürlich immer, ob wir Dinge verändern müssen. Im Moment haben wir im Bundestag die Diskussion, ob wir tatsächlich das Bundesverfassungsgericht sicherer machen müssen. Weil wir in anderen Ländern sehen, wie schnell es gehen kann, diese Gerichte zu beeinflussen.
    Es geht darum, Verfassungsorgane resilienter zu machen. Darum, dass die nicht mit einfachen Mehrheiten außer Kraft gesetzt werden können. Das ist alles aber noch in der Prüfung.
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    ZDFheute: Das Verbot von Parteien wird oft als schärfstes Schwert bezeichnet, wenn es um Verteidigungsmechanismen im Grundgesetz geht. Gerade hat das Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden, dass die AfD weiter als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet werden darf. Damit werden auch wieder die Forderungen nach einem Verbot der Partei lauter. Befürworten Sie ein solches Verbotsverfahren?
    Bas: Ich finde gut, dass es diese Möglichkeit gibt. Sie hat aber hohe Hürden und das ist auch gut. Man kann nicht einfach unliebsame Konkurrenz durch ein Verbot ausschließen. Wenn aber deutlich wird, dass eine Partei in Gänze verfassungsfeindlich agiert, dann muss ein Verbot geprüft werden.  
    ZDFheute: Die AfD, gegen die es möglicherweise zum Verbotsverfahren kommt, liegt in den Umfragen für die Landtagswahlen im Herbst - in Sachsen, Thüringen und Brandenburg - jeweils vorn.
    Bas: Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, wie ihre Demokratie gestaltet wird. Die Umfragen sind sicherlich besorgniserregend, aber mir macht Mut, dass in den letzten Wochen und Monaten viele Menschen auf die Straße gegangen sind für Demokratie und Freiheit.

    Populistische Parteien hat es immer gegeben und wird es immer geben. Aber die eigentliche Kraft dagegen sind die Bürgerinnen und Bürger.

    Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD)

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    ZDFheute: Würden Sie dem AfD-Spitzenkandidaten in Thüringen, Björn Höcke, zu einem möglichen Wahlsieg gratulieren?
    Bas: Ich sehe den noch nicht, diesen Wahlsieg. Insofern ist das, glaube ich, auch nicht erforderlich.
    ZDFheute: Das Grundgesetz ist ja kein starrer Rahmen, sondern entwickelt sich zusammen mit dem Land. Deshalb: Was würden Sie gern am Grundgesetz ändern?
    Bas: Sie haben jetzt hier eine Frau vor sich sitzen, die natürlich den Artikel 3 im Blick hat, in dem steht, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Und, dass der Staat darauf hinwirken soll, Benachteiligungen zu reduzieren.

    Wir haben aber immer noch keine Gleichberechtigung. Wir haben keine Parität in den Parlamenten, wir haben immer noch die Ungleichheit bei Lohn und Gehalt.

    Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD)

    Wir haben zwar den Grundgesetz-Artikel, aber es dauert sehr, sehr lange, bis der Anspruch, der da formuliert ist, auch tatsächlich umgesetzt wird. Also da gibt es noch viel zu tun.
    Das Interview führte Bernd Benthin, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.

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