Ex-VW-Chef Diess:Deutsche werden Automarkt "nicht mehr drehen"
von Michael C. Starke
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Hat die deutsche Autobranche das E-Auto verpennt? FDP-Politiker Dürr wirbt bei "Lanz" erneut für "Technologieoffenheit" - fällt damit in der Expertenrunde aber knallhart durch.
Zu den Perspektiven der kriselnden deutschen Automobilindustrie und den Herausforderungen bei der Transformation zur Elektromobilität. Gäste: FDP-Fraktionschef Christian Dürr, Ex-VW-Vorstand Herbert Diess, Journalistin Christina Kunkel, Autoexperte Stefan Bratzel24.10.2024 | 75:50 min
"Das stimmt so nicht". "Das sieht die FDP nicht richtig." Oder: "Die Politik hat Kunden dramatisch verunsichert." Diese und ähnliche Sätze musste sich Christian Dürr, FDP-Fraktionschef im Bundestag, am Donnerstagabend bei Markus Lanz vielfach anhören.
Doch wirklich beeindrucken ließ sich der Liberale davon eher wenig - trotz heftiger Kritik für die zögerliche Haltung seiner Partei beim Thema Elektro-Mobilität.
Stresstest für FDP-Konzept der "Technologieoffenheit"
Schuld daran war vor allem eine zentrale FDP-Vokabel, die sich wie ein roter Faden durch die Sendung zog - und zu deren Anwalt sich Dürr gleich mehrmals machte, nämlich: die "Technologieoffenheit". In der TV-Runde ging es zentral um die Frage: Wie sieht die Zukunft der deutschen Autoindustrie aus?
Der frühere VW-Vorstandschef Herbert Diess gab zu Protokoll, er stehe weiter zu seinem früheren Satz, die Chancen, "dass die deutsche Automobilindustrie in zehn Jahren noch Weltspitze ist, liegen bei 50/50". Das lehre schon die historische Erfahrung, ergänzte Diess:
Nach der Billigung für EU-Zölle auf E-Autos aus China, setzt China weiter auf Verhandlungen. Deutsche Autobauer wie VW fragen sich nun, was Gegenmaßnahmen für sie bedeuten würden.04.10.2024 | 2:35 min
Diess von China-Dynamik überrascht
Diess meinte damit den Technologiewechsel weg vom Verbrenner-Auto, hin zur Elektro-Mobilität. Warum ist die deutsche Industrie da so ins Hintertreffen geraten gegenüber China?
Während der frühere VW-Manager angab, selbst von der Dynamik in China überrascht worden zu sein, warf die SZ-Journalistin Christina Kunkel deutschen Herstellern vor, zu lange nur auf den Heimatmarkt geschaut zu haben. Das gute Standing der Chinesen heute ist für sie Ergebnis einer "jahrzehntelangen Strategie":
Bratzel: "Versäumnis fing an, als Tesla aufkam"
Für Auto-Experte Stefan Bratzel nahm die Misere der deutschen Hersteller damit ihren Lauf, den E-Auto-Hersteller Tesla nicht als ernste Konkurrenz zu betrachten. "Wir reden da übers Jahr 2013, 2014", so der Direktor des "Center of Automotive Management".
Sein Befund für Chinas Dominanz: Das Land habe sich "die Wertschöpfungsketten gesichert", denn 40 Prozent der Kosten für ein E-Auto mache die Batterie aus. Zudem habe man, so Bratzel, "unterschätzt, dass in der Batterie auch ein hohes Innovationspotenzial drin ist."
Mercedes Benz eröffnet seine erste Batterie-Recyclingfabrik im baden-württembergischen Kuppenheim. Dort sollen zukünftig alte E-Auto-Batterien recycelt werden. Auch Bundeskanzler Scholz ist bei der Eröffnung dabei.21.10.2024 | 1:41 min
Schlechte Aussichten für den deutschen Standort und neue Abhängigkeit von China - in dieser Einschätzung waren sich Bratzel und Kunkel einig. Auch Diess pflichtete bei: "Den Rückstand können wir nur aufholen zusammen mit den Chinesen."
Dürr kritisiert Politik der EU
FDP-Mann Dürr argumentierte, China habe nicht auf ein Verbot für Verbrennungsmotoren gesetzt und sei eben technologieoffen unterwegs - und setzte zum Seitenhieb auf die EU an: "Ich glaube, der Fehler in Europa war, dass Politik sich angemaßt hat, zu entscheiden, was die richtige Technologie ist." Und der FDP-Politiker legte nach:
Dürr löst Widerspruch aus
Was folgt, ist eine Salve an Einsprüchen zu Dürrs Ausführungen. Erster Widerspruch von Journalistin Kunkel: Auch China hätte de facto ein Verbrennerverbot - wenn man denn bedenke, dass man dort "drei Jahre auf eine Verbrenner-Zulassung warten muss".
Widerspruch ebenfalls von Ex-Automanager Diess: Niemand habe je infrage gestellt, dass es eine Technologieoffenheit gebe, vielmehr hätte man es gänzlich Herstellern überlassen, wie diese ihre Flottenziele erreichen. Mit dem weltweiten Ergebnis, so Diess: E-Autos und Plug-in-Fahrzeuge hätten sich als beste Lösung für Kunden durchgesetzt - vorgeschrieben hätte das E-Auto aber niemand.
EX-VW-Manager Herbert Diess widerspricht FDP-Politiker Christian Dürr vehement in der Lanz-Sendung vom 24.10.2024.
Quelle: Markus Hertrich
Zudem seien Flottenziele "auch keine europäische Erfindung, sondern kommen aus den USA", wo es diese schon 20 Jahre lang gebe.
Dürr: "Politiker sollen nicht über Technologien entscheiden"
Und auch Widerspruch von Mobilitätforscher Bratzel. Sein Punkt: Als Regierungspartei müsse Dürrs FDP auch darüber nachdenken, was seine Partei mit ihren Äußerungen auslöse. An anderer Stelle wurde Bratzel konkreter:
In Grünheide ist die Stimmung aufgeheizt. Die Mehrheit der Bürger hat gegen eine Erweiterung des Tesla-Werks gestimmt. Doch heute entschied der Gemeinderat: Tesla darf bauen. 17.05.2024 | 2:30 min
Mit Blick auf den Kurs der Autobranche plädierte Bratzel für "einen gewissen Fokus" - und wurde konkret, was er sich vorstellt: "ein Pakt mit Autoherstellern, zwischen Gewerkschaften und der Politik". Doch diese Idee wies Dürr zurück:
Er rate dringend davon ab, "dass Politiker sich hinstellen und über Technologien entscheiden sollen, die die Zukunft bestimmen", so der FDP-Politiker. Auch neuen Subventionen im Rahmen einer Verkehrswende, wie eine Kaufprämie für E-Autos, erteilte Dürr eine Absage.
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Diess: "E-Fuels sind Fata Morgana"
Das brachte erneut den früheren VW-Boss Diess auf den Plan, er entgegnete Dürr: "Jetzt sind wir aber in einer Situation, wo die Welt sich anders entschieden hat. Die Welt macht Flottenziele. Amerika, China, USA."
Diess schloss mit einem Plädoyer in Richtung Politik, mehr zu tun: "Wir brauchen einen starken Heimatmarkt für Elektrofahrzeuge." Die Debatte über E-Fuels kritisierte der Ex-Manager hingegen als "Fata Morgana".
Quelle: ZDF
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