Nach Terrorangriff in München:Warum die islamistische Gefahr gestiegen ist
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Extremismusforscher Schindler sieht Islamisten im Aufwind. Durch den Rückzug von Truppen etwa in Afghanistan fühlten sich Terrorgruppen als Sieger. Warum weitere Anschläge drohen.
Mannheim, Solingen, jetzt der vereitelte Anschlag in München: Extremismusexperte Schindler erklärt, wie sich Islamistengruppen auf die Motivation von Tätern in Europa verlagern. 06.09.2024 | 22:37 min
"Wir reden jetzt seit Monaten darüber, dass der Konflikt im Nahen Osten die extremistisch-islamistische Szene, aber auch die extremistisch-linksextremistische Szene weiter radikalisiert", erklärt Extremismusforscher Hans-Jakob Schindler von der Organisation "Counter Extremism Project" bei ZDFheute live.
Sehen Sie oben das Interview in voller Länge oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt Schindler zu ...
... dem Eindruck, dass islamistische Anschläge zunehmen
"Das ist natürlich absolut der Fall", sagt Schindler. Terrorangriffe wie in Solingen oder Mannheim seien auch immer ein Motivationsfaktor für andere, es auch zu versuchen. Er verweist auf zentrale Faktoren, die bei der Radikalisierung eine wichtige Rolle spielen. Zum einen fühle sich die islamistische Szene derzeit weltweit als Sieger, weil sich beispielsweise 2021 die internationalen Truppen aus Afghanistan zurückgezogen haben.
Zudem befänden sich seit 2023 die internationalen Truppen auch auf dem Rückzug aus Westafrika. Auch dort gebe es laut Schindler eine enorme Ausbreitung des Islamischen Staates und auch von Al-Qaida.
Vielerorts beginnt in diesen Wochen die Volksfest-Saison. Nach dem Attentat von Solingen machen sich die Menschen Gedanken, ob sie auf Großveranstaltungen noch sicher sind.06.09.2024 | 2:37 min
In Syrien sei seit Monaten eine stetig steigende Anzahl von Anschlägen zu beobachten.
Sie seien viel weniger als noch vor ein paar Jahren "mit dem Überleben der eigenen Struktur" beschäftigt, erklärt Schindler: "Und können sich jetzt wieder konzentrieren auf die Organisation und die Motivation von Anschlägen im Ausland, was der Kernpunkt ihrer Ideologie ist."
Als weiteren wichtigen Faktor sieht der Extremismusforscher soziale Medien: Propaganda von der Hamas oder vom Islamischen Staat könnten nahezu unbegrenzt verbreitet werden, so Schindler. Radikalisierungsprozesse seien zudem schwer aufspürbar. Es fehle zudem die rechtliche Verpflichtung für die Plattformen, verdächtige Aktivitäten zu melden.
Quelle: Uli Sapountsis
... ist Senior Director beim "Counter Extremism Project". CEP ist eine gemeinnützige, überparteiliche, internationale Organisation, die das Ziel verfolgt, der Bedrohung durch extremistische Ideologien entgegenzuwirken und pluralistisch-demokratische Kräfte zu stärken. Neben Büros in den Vereinigten Staaten verfügt CEP über Standorte in Berlin, Brüssel und London.
... Verbindungen des mutmaßlichen Täters zur radikalislamischen Gruppe HTS
"Die Haiʾat Tahrir al-Scham (HTS) ist eine Gruppe in Syrien, die nannte sich früher die Al-Nusra-Front", erklärt Schindler. Diese war ein Ableger von Al-Qaida in Syrien und hatte sich umbenannt, als eine Militärkampagne gegen den IS in Syrien und im Irak begann.
Sie habe das Narrativ gestreut, sie sei "die Taliban von Syrien", erklärt Schindler, "eine reine syrische Widerstandsgruppe". Der Attentäter von München hatte sich laut ersten Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden für diese Ideologie interessiert.
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... der Frage, ob Reisebeschränkungen die Tat hätten verhindern können
Reisebeschränkungen können laut Schindler grundsätzlich helfen, Straftaten zu verhindern. Sie würden beispielsweise regelmäßig im Bereich von Hooligans angewendet, um gewaltbereite Menschen am Grenzübertritt zu hindern.
Um Reiseverbote auszusprechen, brauche es aber eine sehr konkrete Einschätzung zur Gefährdung der Person, die im Fall des mutmaßlichen Täters nicht vorgelegen haben. "Das Grundrecht abzusprechen, braucht mehr als eine eingestellte Ermittlung", so Schindler.
Ein bewaffneter Mann hat in der Nähe des israelischen Generalkonsulats und des NS-Dokumentationszentrums in München auf Polizisten geschossen. Er wurde von den Beamten getötet. 05.09.2024 | 3:28 min
... dem Erkenntnisstand über die Tatwaffe
Inzwischen haben die Ermittler sich auch zu der Tatwaffe näher geäußert. Der mutmaßliche Täter hatte die Waffe einen Tag vor der Tat in Österreich in einem Geschäft gekauft. Schindler verweist darauf, wie unbeholfen der Täter mit der Waffe umgegangen sei:
Der mutmaßliche Täter habe zwar auf die Polizisten geschossen, aber nicht getroffen. Schindler kritisiert zudem die Gesetzeslage. Denn der Täter hatte ein Waffenverbot bis 2028 und hätte somit den Kauf gar nicht tätigen dürfen. Die Überprüfungsfrist beim Kauf einer Waffe von sechs Wochen in Österreich sei zu lang.
Eine solche Überprüfung hätte ergeben, dass er gar nicht das Recht zum Waffenkauf habe. In Deutschland seien die Regeln strenger, da niemand hier eine Waffe ohne Waffenschein kaufen könne.
Das Interview führte Carsten Rüger, in Auszügen zusammengefasst hat es Kristina Kaiser.