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Was rechtlich möglich ist:Könnte Deutschland Zuwanderung allein regeln?
von Daniel Heymann
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Scharfe Forderungen sind beim Thema Migration an der Tagesordnung. Oft zu hören: Wir müssen wieder alleine bestimmen. Doch ginge das wirklich? Ein rechtliches Gedankenspiel.
Bei der Regelung der Zuwanderung haben europäische Bestimmungen und andere internationale Abkommen ein hohes Gewicht.
Quelle: dpa
Fachkräfteeinwanderungsgesetz, ein gemeinsames europäisches Asylsystem, Genfer Flüchtlingskonvention - Zuwanderung hat viele Facetten, die auf unterschiedlichen Stufen geregelt werden. Früher lenkte der deutsche Gesetzgeber die verschiedenen Bereiche der Migration überwiegend autonom. Mit der Zeit hat sich die politische Gestaltung indes zunehmend auf überstaatliche Ebenen verlagert - und mit ihr die Regelungstätigkeit. Europäische Bestimmungen und sonstige internationale Abkommen haben heute deshalb hohes Gewicht.
Für den Geschmack einiger politischer Akteure: ein zu hohes Gewicht. So heißt es etwa im Europawahlprogramm der AfD: "Die Selbstbestimmung der Mitgliedstaaten der EU in der Asyl- und Zuwanderungspolitik muss wiederhergestellt werden."
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Unabhängig davon, wie man solche Forderungen politisch bewertet, stellt sich die Frage: Wäre das überhaupt möglich? Welche rechtlichen Maßnahmen müssten getroffen werden, damit Deutschland Migration, vor allem in den Bereichen Asyl und Flucht, vollständig autonom steuert? Ein Überblick über hypothetische Schritte und deren Folgen.
Deutschland könnte aus Konventionen austreten
Deutschland ist Unterzeichnerstaat der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Vor allem die GFK ist ein zentrales Regelwerk und enthält unter anderem die Definition des Flüchtlingsstatus. Als Reaktion auf die durch den Zweiten Weltkrieg ausgelösten Migrationsbewegungen stellt sie bis heute die Grundlage des internationalen Flüchtlingsrechts dar.
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Dennoch könnte Deutschland relativ einfach austreten. Eine Mitteilung an den UN-Generalsekretär genügt, um das Abkommen zu kündigen. Nach einem Jahr wäre Deutschland dann nicht mehr Konventionsmitglied. Ähnlich verhält es sich mit der EMRK: Dort würde nach einer entsprechenden Mitteilung die Kündigung schon nach sechs Monaten wirksam.
So viele Flüchtlinge leben in Deutschland
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EU-Grundrechtecharta gilt in Deutschland
Damit wäre es jedoch nicht getan. In Deutschland gilt die EU-Grundrechtecharta, die in Art. 18 ausdrücklich ein Recht auf Asyl normiert - nach Maßgabe der GFK. Im Gegensatz zur Konvention kann die Grundrechtecharta aber nicht so einfach aufgekündigt werden. Sie zählt zum sogenannten Primärrecht der EU und steht damit neben den EU-Gründungsverträgen an der Spitze der europäischen Bestimmungen - und sogar über dem deutschen Grundgesetz.
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Zentrale Garantie des Asylrechts nach der Grundrechtecharta ist das sogenannte Non-Refoulement-Gebot. Es verbietet die Abschiebung in Länder, in denen Verfolgung, Folter oder unmenschliche Behandlung drohen. Dieser Grundsatz wird in zahlreichen Verordnungen und Richtlinien der EU weiter ausgestaltet. Wenn Deutschland sich entschlösse, diese Regeln nicht mehr zu befolgen, könnte der Rat der Europäischen Union die deutschen Mitgliedschaftsrechte aussetzen.
"Wenn das politisch gewollt ist, kommt man aus vielem raus"
Änderungen der Charta sind nur im Zusammenspiel mit allen anderen Mitgliedsstaaten möglich. Ansonsten bliebe Deutschland die Möglichkeit des EU-Austritts - im gleichen Verfahren, wie es zuletzt die EU und Großbritannien beim Brexit durchlaufen haben.
Die Völker- und Asylrechtsexpertin Pauline Endres de Oliveira von der Berliner Humboldt-Universität fasst die hypothetischen, rechtlichen Möglichkeiten wie folgt zusammen:
"Wenn das politisch gewollt ist, kommt man aus vielem raus", sagt Endres de Oliveira. Allerdings ändere das nichts am Völkergewohnheitsrecht "und dazu zählt auch das Non-Refoulement-Gebot".
Das könne man sehr gut am Beispiel des Brexit beobachten.
Europäische Regeln überlagern Art. 16a Grundgesetz
Sollte Deutschland sich aus den genannten internationalen Abkommen sowie aus der EU verabschieden, lägen tatsächlich Fragen der Zuwanderung nahezu ausschließlich in deutscher Hand. Maßgeblich wäre dann vor allem wieder Art. 16a Grundgesetz, wonach politisch Verfolgte Asylrecht genießen. Diese Bestimmung spielt momentan faktisch keine Rolle, weil sie von den genannten europäischen und internationalen Regelungen vollständig überlagert wird. Sie würde im beschriebenen Fall aber wieder Bedeutung erlangen.
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Wenn man hieran nun Änderungen vornehmen wollte, bräuchte man dafür eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Könnte man damit das Grundrecht auf Asyl abschaffen? Darüber ist man sich in Rechtsprechung und Fachliteratur uneins. Selbst wenn man aber die ausdrückliche Erwähnung in Art. 16a Grundgesetz streichen würde, bliebe indes noch die Menschenwürde, die nach Art. 1 Grundgesetz bekanntlich unantastbar ist.
Daraus - und aus der Entwicklungsgeschichte des Asylrechts gerade in der deutschen Historie - zieht die Verfassung nach Ansicht von Expertin Endres de Oliveira eine finale Grenze:
Daniel Heymann ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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