Migranten über Asyl-Debatte: Was diese fünf Menschen denken

    Fünf Stimmen junger Menschen:Deutsch-Türkin: Migration braucht Kontrolle

    Ninve Ermagan
    von Ninve Ermagan
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    Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg - nach den Gewalttaten in den Städten ist die Diskussion über eine härtere Migrationspolitik entflammt. Wie blicken Migranten auf die Debatte?

    Eklat im Bundestag - Risse in der Brandmauer?
    Am 31.01.25 stellte die Union das sogenannte "Zustrombegrenzungsgesetz" vor. Im Zentrum: strengere Regeln und schnellere Verfahren. Der Antrag wurde im Bundestag abgelehnt. Film von Martha Peters und David Damschen.02.02.2025 | 45:11 min
    ZDFheute hat mit jungen Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen, die sich gesellschaftlich und politisch engagieren und kritisch auf die aktuelle Migrations- und Asyldebatte blicken.

    Mirjam Prokofieva, 24, russisch-iranische Wurzeln, Studentin, Wiesbaden

    Mirjam
    Mirjam Prokofieva verfasst Beiträge über ihre Identität in dem Portal "Junge Russlanddeutsche."
    Quelle: Alfred Schulze

    Nach dem 7. Oktober wurde mir klar, dass es gefährlich sein kann, zu sagen: ’Ich bin jüdisch.’ Es gibt Stadtviertel, in denen sich Juden nicht mehr auf die Straße trauen. Aber wenn wir das ansprechen, werden wir ignoriert oder zum Schweigen gebracht. Natürlich gibt es auch einheimischen deutschen Antisemitismus.

    Aber ein großer Teil der Bedrohung geht von Menschen aus, die islamistisch motiviert sind.

    Mirjam Prokofieva

    Es geht mir nicht darum, Migration generell abzulehnen. Aber wir müssen schauen, wer zu uns kommt und ob eine Gefahr besteht. Jeder Staat hat die Verantwortung, Migration zu steuern.

    Doch sobald man das sagt, wird einem unterstellt, man paktiere mit der AfD oder man sei ein Nazi. Dabei sollte es darum gehen, was gesagt wird, nicht, wer es sagt.

    Mirjam Prokofieva

    Ich kenne Menschen, die absolut keine Nazis sind, aber überlegen, die AfD zu wählen - einfach, weil sie das Gefühl haben, dass ihre Sorgen nicht ernst genommen werden. Linke Parteien ignorieren diese Probleme und tun so, als wäre jede Kritik an Migration automatisch rechts. Aber es gibt reale Missstände.

    Tayfun Guttstadt, Deutsch-Türke, 37, Musiker und Jugendarbeiter, Berlin

    Tayfun Guttstadt
    Tayfun Guttstadt ist Jugendarbeiter beim Gewaltpräventionsprojekt "Heroes". Der Autor und Religionssoziologe arbeitet als Musiker mit zahlreichen Institutionen und Vereinen, wie dem Jüdischen Museum und der "Initiative 19. Februar", zusammen.
    Quelle: Anton Tal

    Attacken wie in Aschaffenburg sind schrecklich - und ich verstehe, dass sich viele fragen: ’Warum konnte diese Person frei herumlaufen?‘

    Doch die Debatte auf Migration zu reduzieren, als wäre sie die Hauptursache aller Probleme, ist gefährlich.

    Tayfun Guttstadt

    Es gibt viele weitere Faktoren: psychische Erkrankungen, Defizite im Gesundheitssystem und andere gesellschaftliche Missstände.
    Dass Migration jetzt das zentrale Wahlkampfthema wird, ist Agenda-Setting der Rechten. Es ist für mich unverzeihlich, dass die CDU mitzieht - und die anderen Parteien nichts entgegensetzen.

    Migration ist ein Thema, ja. Aber warum schafft es niemand zu sagen: 'Es gibt drängendere Probleme, die wir lösen müssen'?

    Tayfun Guttstadt

    Ich arbeite selbst mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Sie hinterfragen kritisch, setzen sich mit traditionellen Rollenbildern auseinander. Und sie wissen: Extremismus - egal aus welcher Richtung - ist eine Bedrohung.

    Meltem Seker, 24, Deutsch-Türkin, Studentin, Tübingen

    Meltem Seker
    Meltem Seker publiziert auf TikTok und in Online-Medien politischen Content. Sie war bis 2023 Mitglied der Linkspartei - heute sieht sie die Partei sehr kritisch. Zwischenzeitlich warb sie für das BSW, distanzierte sich aber später von der Partei.
    Quelle: Privat

    Ich bin nicht gegen Migration, aber ich finde, sie sollte kontrolliert und geordnet ablaufen. Es ist wichtig, Menschen zu helfen, die vor Krieg fliehen. Aber wir können nicht unbegrenzt Menschen aus Kriegsgebieten aufnehmen, weil irgendwann unsere Kapazitäten erschöpft sind.

    Die Politik muss für Sicherheit sorgen und das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. Man kann eben nicht die ganze Welt retten.

    Meltem Seker

    Mich plagt eine doppelte Angst: Einerseits Angst um meine Familie und meine eigene Sicherheit vor Attentaten - andererseits die Angst, weil ich aufgrund meines Aussehens in einen Topf mit den Tätern geworfen werde.
    Ich finde, dass die linke, progressive Seite lange Zeit das Thema Migration und die Probleme mit der Integration nicht wahrgenommen hat. Migration sollte nicht nur der AfD überlassen werden, alle Parteien sollten sich an der Diskussion beteiligen und Lösungen finden.

    Es ist richtig, dass wir flüchtenden Menschen helfen, aber es ist auch wichtig darauf zu achten, dass nicht zu viele Menschen mit undemokratischen Weltbildern ins Land kommen. Das gefährdet unsere Demokratie und unsere Frauenrechte.

    Meltem Seker

    Duleem Ameen Haji, 29, Jeside aus dem Irak, Medizinstudent, Tübingen

    Duleem Haji
    Duleem Ameen Haji kam 2016 als Geflüchteter aus Mossul nach Deutschland. Er musste den Irak aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit verlassen. Er engagiert sich bei der Bildungsinitiative "GermanDream" und bei der Hilfsorganisation "HÁWAR.help e. V."
    Quelle: Privat

    Die Politik nutzt die Migrationsdebatte oft für Wahlkampf statt für eine sachliche Diskussion. Ich kenne viele Jesiden, die trotz der Flucht vor Völkermord zu Unrecht abgeschoben wurden. Natürlich gibt es auch Straftäter, aber man kann nicht alle Migranten über einen Kamm scheren - denn es trifft oft religiöse Minderheiten, die es nicht verdient haben.

    Das Problem ist jedoch, dass pauschale Entscheidungen immer die Falschen treffen.

    Duleem Ameen Haji

    Vielleicht ist es richtig, über die Straftäter zu sprechen, aber im Moment wird das Thema nur als Wahlkampf-Waffe benutzt. Wir sehen, wie menschenfeindliche Politik normalisiert wird, was der AfD zugutekommt.
    Derzeit fühle ich mich nur wie eine Zahl. In Wahlkampfzeiten bin ich interessant, aber es geht nicht um meine Geschichte, sondern um Wählerstimmen. Es spaltet die Gesellschaft, und das ist deprimierend.

    Ich habe mir die deutsche Staatsangehörigkeit erkämpft, aber jetzt wird das in Frage gestellt.

    Duleem Ameen Haji

    Mizgin Aslan, 27, Kurdin, Politikberaterin, Berlin

    Mizgin Aslan
    Mizgin Aslan engagiert sich unter anderem ehrenamtlich für die gemeinnützige Organisation "ONE" und ist Alumna bei der Deutschlandstiftung Integration. Sie war bis 2023 Stipendiatin bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ist aktiv in der Swans-Initiative. Aktuell ist sie Politikberaterin bei 365 Sherpas.
    Quelle: Privat

    Die aktuelle Schwarz-Weiß-Debatte übersieht viele wichtige Aspekte, wie zum Beispiel eine grundsätzliche Überforderung der deutschen Verwaltung, ob in der Migration, im Bau, im Schulwesen oder in weiteren Bereichen.
    Außerdem wird die schwierige Lage von religiösen und ethnischen Minderheiten, insbesondere von Menschen, die vor politischer Verfolgung fliehen mussten, komplett übersehen. Als muslimische Kurdin frage ich mich:

    Wer schützt uns eigentlich vor der Gefahr durch Extremisten - sei es durch deutsche Nazis, türkische rechtsextreme "Graue Wölfe", Islamisten oder andere Fanatiker?

    Mizgin Aslan

    Aus eigener Erfahrung wissen wir: Wer Politik auf Kosten der Schwächsten macht, wird auch nicht davor zurückschrecken, die grundlegenden Menschenrechte der gesamten Gesellschaft einzuschränken.
    Wenn grundlegende Menschenrechte wie das Asylrecht eingeschränkt oder ausgesetzt werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Rechte aller - auch die der Mehrheitsgesellschaft - angetastet werden.

    Minderheiten waren immer ein Frühwarnsystem, wenn Grund- und Menschenrechte gefährdet oder an den Fundamenten der Demokratie gerüttelt wurden.

    Mizgin Aslan

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