Neuwahlen im März? Wie es nach dem Ampel-Aus weitergeht
Neuwahlen im März?:Wie es nach dem Ampel-Aus weitergeht
von Daniel Heymann
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Die Ampel-Koalition ist am Ende, am Haushaltsstreit ist sie endgültig zerbrochen. Welchen Plan das Grundgesetz für das Scheitern einer Regierung vorsieht.
Sarah Tacke erklärt den von Bundeskanzler Scholz eingeschlagenen Weg, was die Verfassung vorsieht, und was dieser für die Regierung in der Übergangszeit bedeutet.06.11.2024 | 1:58 min
Die selbsternannte "Zukunftskoalition" ist Vergangenheit. Die seit Monaten schwelenden Streitigkeiten zwischen SPD, Grünen und FDP haben sich in den letzten Wochen so zugespitzt, dass der Bruch unvermeidlich schien. Die unterschiedlichen Ansichten zum Haushalt 2025 haben schließlich auch in der Ampel-Spitze das Fass zum Überlaufen gebracht: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) um die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) bitten.
Neuwahlen, wie sie von der Opposition schon lange gefordert werden, gibt es damit zwar nicht automatisch - der Weg dorthin ist nun aber ein ganzes Stück kürzer. Ein Überblick, wie es in den nächsten Tagen und Wochen weitergehen könnte:
Scholz kündigt Vertrauensfrage an
Auch wenn die Koalition mit Lindners Rauswurf faktisch beendet ist, gilt zunächst: Scholz ist weiterhin im Amt, denn er wurde zu Beginn der Legislaturperiode von der Mehrheit der Abgeordneten gewählt. Und der Bundeskanzler hat in seiner Pressekonferenz angekündigt, die Regierungsarbeit bis Weihnachten fortsetzen zu wollen. Bis dahin wolle man Gesetze vorlegen, die "keinen Aufschub dulden": Dabei geht es unter anderem um Sofortmaßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft, die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und die Rentenstabilisierung.
In der ersten Sitzungswoche des Bundestages im neuen Jahr will Scholz dann die Vertrauensfrage stellen, über die die Abgeordneten am 15. Januar 2025 abstimmen sollen. Ohne die FDP hat der Bundeskanzler keine Mehrheit im Parlament - und wird die Vertrauensfrage voraussichtlich verlieren. Damit wäre der Weg zu Neuwahlen geebnet.
Nach knapp drei Jahren im Amt ist die Koalition aus SPD, Grünen und FDP gescheitert. Mitte Januar will Scholz die Vertrauensfrage stellen, um Neuwahlen im März zu ermöglichen.06.11.2024 | 3:27 min
Steinmeier kann Bundestag auflösen und Neuwahlen ansetzen
Scheitert nämlich der Bundeskanzler mit einer Vertrauensfrage, kann er dem Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Dann wäre Frank-Walter Steinmeier am Zug. Binnen 21 Tagen, so steht es in Artikel 68 Grundgesetz, kann er den Bundestag in diesem Fall auflösen. Der Bundespräsident muss dem Vorschlag des Kanzlers zwar nicht zwingend folgen - er würde es aber wahrscheinlich tun, um durch Neuwahlen wieder die Bildung einer stabilen Regierung zu ermöglichen.
Der Finanzminister habe Scholz "auf der ganzen Linie enttäuscht", sagt ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann. Lindners neue Wirtschaftspläne waren dann "eine Reizung zu viel."06.11.2024 | 2:49 min
Sollte Steinmeier das Parlament auflösen, muss eine Neuwahl gemäß Artikel 39 Grundgesetz innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Mit diesen zeitlichen Vorgaben aus der Verfassung kann man ungefähr ausrechnen, wann im Fall der Fälle ein Termin für eine Neuwahl angesetzt würde, nämlich im März 2025 - so hat es Scholz auch selbst in seiner Pressekonferenz in Aussicht gestellt. Die Berechnung erscheint realistisch, wie ein historischer Vergleich zeigt: Bei der letzten Vertrauensfrage, gestellt von Gerhard Schröder am 1. Juli 2005, vergingen etwa zweieinhalb Monate bis zur Neuwahl am 18. September 2005.
Gibt es noch andere Optionen?
Vertrauensfrage mit anschließenden Neuwahlen, das ist aktuell der wahrscheinlichste Verlauf - zwingend ist das aber nicht. In seiner Pressekonferenz hat Scholz angekündigt, auch das Gespräch mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) suchen zu wollen:
Nach mehreren Krisentreffen der Ampel-Koalition hat der Kanzler seinen Finanzminister entlassen und stellt die Vertrauensfrage. Das Statement von Olaf Scholz bei ZDFheute live.06.11.2024 | 30:44 min
Union als Juniorpartner?
Theoretisch könnte die SPD zusammen mit CDU/CSU bis zum regulären Termin für die nächste Wahl im September 2025 noch verschiedene Projekte umsetzen, eine ausreichende Mehrheit im Bundestag wäre dafür gegeben. Es erscheint allerdings fraglich, ob die Union sich darauf einlässt. Sie wäre dann quasi Teil einer großen Koalition - als Juniorpartner. Wenig überraschend fordern Unionspolitiker deshalb - auch mit Blick auf die aktuellen Umfragen - seit Wochen Neuwahlen.
Auf die Frage, ob die Ampel-Koalition zusammen Weihnachten feiern werde, antwortete Bundeskanzler Scholz Ende Oktober auf seiner Indien-Reise vielsagend: "Weihnachten wird immer gefeiert." Nach dem Mittwochabend steht fest: Besinnliche Feiertage werden es nicht - es sieht danach aus, dass an Heiligabend schon der nächste Bundestagswahlkampf vorbereitet wird.
Daniel Heymann ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: ZDF
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