Koalitions-Aus: Wie Scholz und Lindner die Ampel zerbrachen

Woran ist die erste rot-gelb-grüne Bundesregierung zerbrochen? Die Antwort ist ganz simpel: letzten Endes am Geld. Die Ampel schafft es nicht, einen gemeinsamen Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 aufzustellen.

Der buchstäbliche Knackpunkt zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der schließlich das Bündnis am Mittwochabend entzweit, ist da fast auf den Tag ein Jahr her.

Am 15. November 2023, das ist auch ein Mittwoch, macht das Bundesverfassungsgericht dem Finanzminister einen Strich durch seine Haushaltsrechnung. Deutschlands höchste Richter urteilen, dass Gelder zur Bewältigung der Corona-Krise nicht in einen sogenannten Klima- und Transformationsfonds hätten fließen dürfen.

So fehlten von einem Tag auf den anderen 60 Milliarden Euro im Haushalt für das Jahr 2024.

Das war der Hammer, der die Ampel so hart trifft, dass sie genau zwölf Monate später daran zerbricht. Dieser Schlag ist der Anfang vom Ende des eigentlich guten Miteinanders der Duzfreunde Olaf und Christian.

Denn Finanzminister Lindner setzt im Jahr 2022 den Vorschlag des Kanzlers um, diese Corona-Milliarden zu Klima-Geld umzuwandeln. Schließlich ist Scholz vor ihm selbst Finanzminister gewesen und versichert, dass die Umwidmung der 60 Milliarden rechtens sei.

Lindners Arglosigkeit wandelt sich in immer tieferes Misstrauen gegen Scholz um; langsam, aber stetig, wie die Risse einer angeschlagenen Schüssel. Bis alles zerspringt am Mittwoch gegen 20 Uhr. Weil Lindner permanent immer wieder auf rote und grüne Projekte einschlägt.

Bankettsaal heißt der Raum im fünften Stock des Kanzleramts, in dem die Ampel ihre allerletzten zwei Stunden verbringt - ihr Sterbezimmer. Um 18:00 Uhr trifft sich dort der Koalitionsausschuss: die 17 führenden Frauen und Männer von SPD, FDP und Grünen, die Spitzen der drei Parteien und Fraktionen sowie das Trio Kanzler, Vize und Finanzminister.

Lindner und sein Fraktionschef Christian Dürr sitzen tatsächlich mit dem Rücken zur Wand, haben aber den Platz mit der besten Aussicht, den Panoramablick durch die bodentiefen Scheiben links auf den Reichstag, geradeaus auf den Potsdamer Platz. Draußen ist es dunkel, neblig und so kühl wie die Stimmung drinnen. Der Kanzler und die SPD-Leute haben den Reichstag im Rücken, die Grünen sitzen Lindner und Dürr gegenüber.

Scholz will den Haushaltsentwurf 2025 nicht mehr diskutieren, sondern er stellt seine Lösung vor. Er ist vorbereitet auf drei Szenarien:

Für jedes Szenario hat der Kanzler eine Rede vorbereitet - am Ende wird er draußen vor der Presse die dritte halten.

Ein "Überschreitungsbeschluss" in Höhe von 20 Milliarden Euro ist Scholz' Vorhaben. Er versichert der Runde, das sei rechtlich möglich - trotz Schuldenbremse. All das Geld, was im Haushaltsplan für die Ukraine an Waffen und Material sowie die für Geflüchteten eingestellt worden sei, dürfe herausgenommen werden.

Diese gebündelte Hilfe solle zudem ein Zeichen an Wladimir Putin sein unmittelbar nach Donald Trumps Wahlsieg, dass das angegriffene Land weiterhin massiv unterstützt werde.

Der Kanzler fragt seine Koalitionäre, ob sie dazu bereit seien. Die Grünen sind einverstanden. Lindner fragt, ob er entlassen werde, wenn er nicht zustimme. Der Kanzler lässt das erkennen. Lindner macht einen Gegenvorschlag: Wenn die FDP dem Haushalt zustimme, könne man doch danach geordnet die Ampel auflösen. Das lehnt Scholz ab.

Die Runde macht eine Pause, die drei Gruppen ziehen sich zurück. Nach der Unterbrechung haben alle die feuerrote Bild-Eilmeldung auf dem Handy: "Ampel-Hammer: Lindner schlägt Scholz Neuwahlen vor!"

Lindner wird von SPD und Grünen für den Durchstecher dieser Nachricht gehalten. Er sagt, dass er Scholz' Vorschlag nicht mittragen werde, weil er die Schuldenbremse darin gefährdet sehe. Scholz sagt dem "lieben Christian", dass er ihn dann nicht mehr in seinem Kabinett haben wolle und morgen den Bundespräsidenten bitten werde, den Finanzminister zu entlassen.

Lindner antwortet, nun herrsche ja Klarheit und dann sei das wohl so.