Alltagsrassismus in Deutschland: Wie Betroffene ihn erleben
Umgang mit Alltagsrassismus:"Müssen uns alle mehr kennenlernen"
von Jenifer Girke
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Wo fängt Diskriminierung an? In Solingen erzählen Menschen mit Migrationshintergrund, was sie im Alltag erleben. Eine Expertin sagt: Jeder könne etwas gegen Alltagsrassismus tun.
Alltagsrassismus geschieht oft unbewusst. (Symbolbild)
Quelle: Colourbox.de
Verstehen, wie sich Rassismus äußert und wie ihn Menschen mit Migrationshintergrund erleben: Um das zu erreichen, kommen Betroffene und Nicht-Betroffene Anfang April in Solingen zusammen. Ein besonderer Gast: der türkischstämmige Filmemacher und Grimmepreisträger Bilal Bahadır.
Scheitern ist halt nicht gern gesehen. Vor allen Dingen nicht, wenn du einen Migra-Background hast oder einen dunklen Bart und dunkle Haare, so wie ich.
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Bilal Bahadır, Filmregisseur
Nach dem aktuellen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor erleben 54 Prozent der Menschen in Deutschland, die sich Minderheiten zugehörig fühlen, mindestens einmal im Monat Rassismus.20.03.2025 | 1:35 min
Die Beratungsstelle für Antidiskriminierungsarbeit der Diakonie hat eingeladen, zeigt die Serie "Uncivilized" und möchte so ins Gespräch kommen. Die Serie setzt sich kritisch mit Themen wie Alltagsrassismus, Identität und gesellschaftlichen Konflikten auseinander. Regisseur und Headautor Bahadır möchte damit postmigrantischen Menschen in Deutschland eine Stimme geben.
Bundestagswahl hat Rassismus-Erfahrungen verstärkt
Im Publikum sitzt Lehrerin Hüsne Kacar. Sie erzählt, dass das Gefühl ausgegrenzt zu werden, zuletzt wieder zugenommen hätte; bei ihren Schülern und Schülerinnen, aber auch im eigenen Leben: "Das letzte Jahr hat an diesem Gefühl, angekommen zu sein, extrem gekratzt. Für uns war eigentlich immer klar: Ja, wir bleiben hier, und Deutschland ist meine Heimat."
Aber plötzlich fangen wir an, über einen Notfallkoffer nachzudenken und darüber, wo wir hingehen, wenn es so weit kommt, dass wir hier nicht mehr willkommen sind.
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Hüsne Kacar
Bahadır beschreibt es so: "Wir sind zu Gast bei guten Freunden und so fühlt es sich leider auch immer wieder an."
Nein-Sagen zu Diskriminierung: Der DFB hat eine Anti-Rassismus Kampagne gestartet für mehr Weltoffenheit.19.03.2024 | 1:41 min
Der letzte Wahlkampf habe dazu beigetragen, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund wieder mehr ausgeschlossen fühlen, sagt Karima Benbrahim, Konflikt-Mediatorin und Expertin für politische Bildung, im ZDFheute-Interview: "Die Migrationsdebatten, die wir in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, waren sehr problematisch, weil sie sehr viele Ängste und auch Überfremdungsfantasien hervorgebracht haben."
Benbrahim: "Jeder hat Stereotype im Kopf"
Um strukturellen Rassismus zu bekämpfen, sei vor allem die Politik gefragt, sagt Benbrahim, die auch die Bundesregierung berät. Es brauche eine stärkere, lösungsorientierte Debatte über Migration und Integration. Auch der Umgang mit diesen Themen in den Medien und die Darstellung von Menschen mit Migrationshintergrund spiele eine entscheidende Rolle.
Quelle: privat
... leitet die landesweite Fachstelle Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW (IDA-NRW). Sie ist Mitglied des Unabhängigen Expert*innenkreises Muslimfeindlichkeit des Innenministeriums (UEM) und berät die Bundesregierung. Sie forscht und publiziert zu Rechtsextremismus, intersektionaler Rassismuskritik sowie Community- und Empowermentarbeit in der politischen Bildung.
Rassismus finde sich nicht nur in Strukturen, sondern auch im alltäglichen Miteinander. "Wo kommst du eigentlich her?", "Du sprichst aber gut Deutsch!" - Menschen, die solche Aussagen hörten, fühlten sich oft diskriminiert. Auch wenn diese Formulierungen nicht rassistisch gemeint seien, seien sie ein Ausdruck von Alltagsrassismus, sagt Benbrahim:
Jeder hat Stereotype im Kopf. Es geht nicht darum zu sagen: 'Du bist ein Rassist', sondern: 'Das, was du gerade gesagt hast, ist rassistisch.'
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Karima Benbrahim, Rassismus-Expertin IDA-NRW
Von Sachbeschädigung bis zu körperlichen Angriffen: die Initiative Claim hat für 2023 doppelt so viele antimuslimische Vorfälle erfasst wie im Jahr 2022.24.06.2024 | 1:36 min
Bahadır: "Uns alle ein bisschen mehr kennenlernen"
Diskriminierung finde oft im Subtilen statt. Das bestätigt auch die Diakonie in Solingen, Anlaufstelle für Betroffene in der Region: "Subtile Formen des Rassismus können sehr charmant daherkommen", sagt Geschäftsführerin Ulrike Kilp. "Jemandem, der Person of Color ist, wird zugeschrieben, dass er super musikalisch ist oder gut tanzen kann." Das sei auch eine Form des Rassismus, dessen man sich nicht unbedingt bewusst sei.
Um Alltagsrassismus zu verhindern, könne jeder und jede etwas tun, sagt Benbrahim. Dazu gehöre: Eigene Vorurteile reflektieren, Solidarität mit Betroffenen zeigen und sich in sie hineinversetzen: "Um zu verhindern, Menschen anders zu behandeln, als man selbst behandelt wird."
Der Appell des Filmregisseurs Bahadır: "Wir müssen uns alle ein bisschen mehr kennenlernen, ohne irgendwelche Fahnen, irgendwelche politischen Richtungen, und eher mal den Menschen sehen." Denn:
Wir müssen miteinander leben, miteinander auskommen, und die aktuellen Geschehnisse verpflichten uns sogar, dass wir genau das tun. Ansonsten werden wir daran zerbrechen.
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Bilal Bahadır, Filmregisseur
Quelle: ZDF/Kollektiv Zwo
... thematisiert den Einfluss globaler Ereignisse und Schlagzeilen auf das Leben postmigrantischer Menschen in Deutschland, deren Alltag durch diskriminierende und rassistische Erfahrungen geprägt ist.
Sie setzt sich kritisch mit Themen wie Alltagsrassismus, Identität und gesellschaftlichen Konflikten auseinander. Regisseur und Drehbuchautor ist Bilal Bahadır. Die Serie ist eine gemeinsame Co-Produktion von ZDF/Das kleine Fernsehspiel/ Cocktailfilms und KollektivZwo.
"Uncivilized" gewann 2025 den 61. Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion.
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