AfD-Verbot im Bundestag: Scharfe Warnungen und viel Skepsis

    Analyse

    Bundestagsdebatte zu AfD-Verbot:Scharfe Warnungen, doch die Skepsis bleibt

    Nicole Diekmann
    von Nicole Diekmann
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    Einig sind sich an diesem Tag viele Abgeordnete darüber, dass die AfD eine Gefahr darstellt. Aber längst nicht alle unterstützen ein Verbotsverfahren. Sie fürchten die Folgen.

    Philipp Amthor (CDU) spricht während einer Sitzung im Plenarsaal des Bundestages.
    Erstmals hat der Bundestag zwei Initiativen zu einem AfD-Verbotsverfahren diskutiert. Die Debatte verlief in Teilen hitzig. Ein Parteiverbotsverfahren gilt als umstritten.30.01.2025 | 2:51 min
    Lange hat Marco Wanderwitz (CDU) daran gearbeitet, heute nun fand sich sein Projekt auf der Tagesordnung des Bundestages wieder: Der ehemalige Ost-Beauftragte der Bundesregierung fordert seit Längerem ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Er hat dafür getrommelt, er hat geworben - und er hat 123 weitere Abgeordnete hinter sich versammelt.
    "Wir als Antragstellende sind überzeugt davon, dass die AfD keine Partei ist, die mal eben ein bisschen rechts ist, Sie sind Verfassungsfeinde, Sie sind Feinde unserer Demokratie, Sie sind Menschenfeinde", begründete er heute als erster Redner der Debatte seinen Antrag.
    Darin fordern er und andere Bundestagsabgeordnete, das Bundesverfassungsgericht solle prüfen, ob die AfD verfassungswidrig ist - und sie dann gegebenenfalls verbieten.
    ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke in Berlin.
    Der Bundestag hat sich über die Anträge zu einem AfD-Parteiverbot beraten. ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke gibt eine Einschätzung über die Lage und die möglichen Folgen.30.01.2025 | 1:04 min

    Auch Gegenstimmen aus Unions-Fraktion

    Parteien verbieten - das kann nur das Bundesverfassungsgericht. Das Verfahren starten können Bundesregierung, Bundesrat - oder eben der Bundestag. Hier aber sind viele dagegen. Auch die überwiegende Mehrheit aus Wanderwitz' eigener Bundestagsfraktion.
    "Uns eint eine Sorge um die fortschreitende Erosion der Demokratie", sagte Wanderwitz' Parteifreund Philipp Amthor, der sich für Wanderwitz' Engagement bedankte. Und sich dennoch gegen den Antrag aussprach: "Wir sehen die Gefahr eines Scheiterns eines Verbotsverfahrens, als die Möglichkeit, dass sich diese Fraktion ein demokratisches Gütesiegel anheftet, das ihr nicht zusteht."

    Viele einig: AfD Gefahr für Demokratie

    Kaum jemand trat heute ans Rednerpult, ohne dort klarzumachen: Er oder sie hält die AfD für eine Gefahr für die Demokratie. Die Gründe dafür, sich Wanderwitz nicht anzuschließen, liegen woanders.
    SGS Wanderwitz Goekdemir
    "Sind überzeugt davon", dass "die AfD verbotsfähig ist", sagte Marco Wanderwitz im November im ZDF.14.11.2024 | 4:21 min
    Auch bei der FDP. Von ihr stammt nicht eine einzige Unterschrift unter dem Antrag. FDP-Mann Konstantin Kuhle begründete die Entscheidung so: "Es gibt unter den Menschen, die heute AfD wählen, Menschen, die sich mehr Ordnung und mehr Kontrolle in der Migrationspolitik wünschen. Und das sind legitime Anliegen. Heute diesen Anträgen zuzustimmen, das hieße das Gespräch mit diesen Menschen von einem Tag auf den anderen Tag abzubrechen um das können sich Demokraten nicht erlauben."

    Grüne bringen weiteren Antrag ein

    Auch viele Grüne sind skeptisch. Aus ihren Reihen stammt ein weiterer Antrag. Er kommt vorsichtiger daher und zielt darauf, erstmal die Erfolgsaussichten eines etwaigen Verbotsantrags zu prüfen. Denn: Die Hürden für ein Verbot liegen hoch.
    "Selbst wenn der Verfassungsschutz sagt, Sie sind extremistisch, das ist Verfassungsfeindlichkeit, das erfüllt noch nicht den hohen Korb der Verfassungswidrigkeit, den wir für ein Antragsverfahren brauchen", sagte Renate Künast, Initiatorin dieses Antrags.

    AfD sieht sich als Opfer

    Und die AfD selbst? Sieht sich als Opfer einer Verschwörung des Verfassungsschutzes, der sie als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft, der anderen Parteien, der Presse. Und lehnt natürlich beide Anträge ab: "Selbstverständlich liegt der AfD in ihrer gesamten Breite nichts ferner als die Verletzung des Demokratieprinzips", so ihr stellvertretender Parteivorsitzender Peter Boehringer.
    Tino Chrupalla
    "Man hatte uns schon nach zwei oder drei Jahren totgesagt, und unser Erfolg geht weiter", sagte AfD-Parteivorsitzender Tino Chrupalla zu 10 Jahren AfD.06.02.2023 | 6:25 min

    Keine Abstimmung über Anträge

    Es war eine laute Debatte. Und eine, in die sich auch Matthias Helferich einbrachte. Der sich in einem Chat als das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus bezeichnete und der bei der Bundestagswahl auf der Landesliste der nordrhein-westfälischen AfD kandidiert. Eine Debatte, in deren Verlauf der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner einen Ordnungsruf kassierte. Eine Debatte, in der man viel gehört hat - von der und über die AfD.
    Abgestimmt wurde über die Anträge nicht. Es hätte wohl auch keine Mehrheit gegeben. Sie werden stattdessen nun in die Ausschüsse für Inneres und für Justiz überwiesen. Sehr unwahrscheinlich, dass noch vor der Bundestagswahl etwas passiert. Und auch fraglich, ob danach. Marco Wanderwitz wird dem Bundestag dann nicht mehr angehören. Er tritt nicht mehr an. Die Anfeindungen gegen ihn und seine Familie seien zu heftig geworden, sagt der Sachse.
    Nicole Diekmann ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin.

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    Quelle: dpa

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