FAQ
Brisanter Netzwerk-Antrag:Worüber der AfD-Parteitag streiten dürfte
von Nicole Diekmann, David Gebhard, Julia Klaus
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Eigentlich könnte sich die AfD nach den Europawahl-Ergebnissen entspannen. Doch auf ihrem Parteitag droht Streit. Ein Netzwerk jüngerer Funktionäre will die Parteistruktur umbauen.
Aktuelle AfD-Doppelspitze Alice Weidel und Tino Chrupalla.
Quelle: epa
Die Grugahalle in Essen wirbt damit, ein "Garant für Spitzen-Entertainment" zu sein. In der Geschichte der AfD steht sie eher als Garant für Zoff um die Spitzen. 2015 wurde hier Parteigründer Bernd Lucke mit "Lügen-Lucke"-Sprechchören geschmäht und - nach verlorener Wahl gegen Konkurrentin Frauke Petry - vom Hof gejagt. Die erste Häutung der AfD, es sollten weitere folgen.
Zusammen mit der Person Bernd Lucke schmetterten die Delegierten damals auch dessen Idee ab, wie andere Parteien einen Generalsekretär einzuführen. Doch neun Jahre später ist dieser Vorschlag plötzlich zurück - und der Streit darum ebenso.
Auf dem Bundesparteitag der AfD in Essen soll die Parteispitze neu gewählt werden. Das Führungsduo der Partei stehe in der Kritik, berichtet ZDF-Korrespondentin Nicole Diekmann.29.06.2024 | 1:39 min
Ein Antrag auf dem Parteitag dieses Wochenende - wieder in Essen - sieht vor, dass ab 2025 eine Einzelspitze plus Generalsekretär gewählt werden kann. Die Liste der Unterzeichner ist lang und prominent. Bisher wurde die AfD stets von mindestens zwei gleichberechtigten Vorsitzenden geführt.
Netzwerk will Alice Weidel als alleinige Vorsitzende
Der brisante Vorstoß stammt aus einem Netzwerk junger Karrieristen. Sie sind in ihren 30ern und scharen sich um den Rheinland-Pfälzer Sebastian Münzenmaier, den stellvertretenden AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag.
…versammelt Abgeordnete aus Ost und West, darunter:
- Damian Lohr, parlamentarischer Geschäftsführer Landtag Rheinland-Pfalz
- Hannes Gnauck, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der AfD-Jugendorganisation
- René Springer, Bundestagsabgeordneter und Brandenburg-Chef
- René Aust, Europaabgeordneter und Delegationsleiter
Sie wollen die Partei professioneller aufstellen, wie sie betonen. Zeichen inhaltlicher Mäßigung zeigen sie nicht. Wie das ZDF erfuhr, wünscht sich die Gruppe die aktuelle Co-Chefin Alice Weidel perspektivisch als alleinige Spitze - mit einem Generalsekretär Münzenmaier an ihrer Seite.
Gefährlich könnte das für den jetzigen Bundessprecher Tino Chrupalla werden. Der Sachse bemühe sich zwar, übernimmt viele Termine, wie auch Kritiker zugeben - doch Weidel ist beliebter.
Münzenmaier selbst will von Streit nichts wissen, schreibt: "Ich halte den medial herbeifantasierten Konflikt für Quatsch. Die mittelfristige Einführung eines Generalsekretärs dient der weiteren Professionalisierung der AfD (…). Selbstverständlich wähle ich am Wochenende Alice Weidel und Tino Chrupalla, mit denen ich auch im Fraktionsvorstand eng und vertrauensvoll zusammenarbeite."
In Essen beginnt heute ein zweitägiger Parteitag der AfD. Für das Wochenende werden Protestaktionen mit rund 100.000 Teilnehmern erwartet.29.06.2024 | 0:25 min
Was sagen Weidel und Chrupalla zum brisanten Vorstoß?
Im ZDF-Morgenmagazin spielte Chrupalla die Debatte um die Einzelspitze herunter und sagte, er sei für die Einführung eines Generalsekretärs offen. Zu diskutieren sei aber noch, "ob der Generalsekretär mit zwei Vorsitzenden ausgestattet werden kann":
Weidel sagte am Dienstag, dass sie mit Chrupalla in der Doppelspitze weitermachen wolle - aber einen Generalsekretär fände sie "perspektivisch gut". Damit hält sie sich Machtoptionen offen.
Chrupalla über Führungsdiskussionen in der AfD und Höcke.28.06.2024 | 7:10 min
Kritik an Münzenmaier-Truppe: "Hütchenspieler und Karrieristen"
Der Antragsteller Damian Lohr, der ebenfalls zum Münzenmaier-Netzwerk zählt, verknüpft die Forderung nach einem Generalsekretär mit Kritik an der bisherigen Führung. Bei der Europawahl habe diese nicht das mögliche Wählerpotenzial erreicht:
Anderen AfD-Funktionären ist die Youngster-Truppe suspekt, sie finden deren Agieren anmaßend. Ein Mitglied des Bundesvorstands ätzt über die ambitionierten Nachwuchs-AfDler:
Tino Chrupalla als Auslaufmodell?
Vor den wichtigen Landtagswahlen im Osten bleibt schon jetzt hängen, dass Co-Chef Chrupalla von Teilen der eigenen Partei als Auslaufmodell gesehen wird. Der Sachse, der doch im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen soll.
Die Bundesregierung müsse mehr diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges zeigen, statt immer mehr Waffen zu liefern, sagt AfD-Fraktionschef Chrupalla.26.06.2024 | 7:19 min
In den letzten Tagen wurde in zahlreichen Gesprächsrunden versucht, den drohenden Showdown auf dem Parteitag irgendwie abzuwenden. Ein Änderungsantrag könnte den Posten des Generalsekretärs bei einer Doppelspitze möglich machen. Junge Landeschefs sehen sich nun veranlasst, Putsch-Gerüchten entgegenzutreten:
Was noch ansteht: Krah und die "Souveränisten" in Brüssel
All das zeigt die Unruhe der AfD vor dem Parteitag. In Essen wird der gesamte Bundesvorstand neu gewählt. Intern kursieren Listen mit Namen, die sich weitgehend decken und kaum Kampfkandidaturen vorsehen. Doch wie ein hochrangiger AfD-Funktionär schreibt:
Redebedarf hat die Partei auch zum weiteren Kurs in Brüssel. Nach dem skandalösen Geheimtreffen in Potsdam und weil ihr Spitzenkandidat Maximilian Krah die SS relativierte, flog die AfD aus ihrer Rechtsaußen-Fraktion im Parlament.
Vorwurf der Käuflichkeit, Spionage-Verdacht im eigenen Büro und fragwürdiger Content auf TikTok: Was ist los bei Maximilian Krah, dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl?02.05.2024 | 22:01 min
Ihr neuer Delegations-Leiter René Aust verhandelt derzeit über eine neue "Souveränisten"-Fraktion.
Gegenüber dem ZDF sagte er am Donnerstag: "Wir sind weiter in Gesprächen." Zuletzt soll auch mit einer Partei sondiert worden sein, die im Gespräch den Holocaust geleugnet habe, was Aust nicht kommentieren wollte.
"Einbürgerung ist heutzutage viel zu einfach", sagt René Aust, AfD-Spitzenkandidat und verteidigt "Remigration". Die AfD sei Partei für "alle deutschen Staatsbürger".31.05.2024 | 7:25 min
Meuthen: "Krasse osteuropäische Nationalisten, Rassisten und Antisemiten"
Für Jörg Meuthen, langjähriger AfD-Chef, wäre das eine "Rechtsaußenkleinfraktion", sagt er im Gespräch mit ZDF frontal, in der dann "krasse osteuropäische Nationalisten, Rassisten und Antisemiten" seien.
Als sich die AfD vor neun Jahren in der Essener Grugahalle zerfleischte, wurde eine damals völlig unbekannte Frau in den Parteivorstand gewählt. Sie hat bis heute alle Häutungen überstanden - und heißt Alice Weidel.
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