Wie die AfD um Migranten wirbt - und "Remigration" fordert

    Vor EU-Wahlen:Wie die AfD um Migranten wirbt

    von David Gebhard und Julia Klaus
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    Vor der Europawahl wirbt die AfD gezielt um Menschen mit Migrationshintergrund - dabei fordert sie in Teilen "Remigration". Wie passt das zusammen?

    Archiv: Demonstranten halten Plakat vor Bundestag mit Schrift "Unser Land Zuerst!"
    "Unser Land zuerst" - Wahlplakat der AfD vor dem Bundestag (Archivfoto von 2022).
    Quelle: epa

    "Türken in Deutschland sollten AfD wählen", findet Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl. In einem Tiktok-Video begründet der für seinen Populismus bekannte Europa-Parlamentarier das unter anderem so: "Sie sollten eine Partei wählen, die weitere Zuwanderung blockiert. Denn diejenigen, die jetzt reinkommen: Wem nehmen sie denn die Wohnung und die Arbeitsplätze weg?"
    Krah und andere Prominente seiner Partei bemühen sich derzeit verstärkt um Menschen mit Migrationsgeschichte. AfD-Chef Tino Chrupalla sagte Ende März bei einer Rede:

    Auch diese Menschen mit Migrationshintergrund gehören zu Deutschland. Sie gehören auch zu unserer Partei. Wir können nur gemeinsam Wahlen gewinnen.

    Tino Chrupalla, AfD-Vorsitzender

    Erstarken der rechten Parteien in Europa
    Vor den Europawahlen haben rechte Parteien in vielen Ländern mehr Zulauf. Wo sind sie besonders stark?08.01.2024 | 2:03 min
    Knapp neun Millionen Wahlberechtigte in Deutschland haben Migrationsbiografien. Würden sie alle gemeinsam für eine Partei stimmen, könnten sie ihr zu rund 14,5 Prozent verhelfen. Die AfD und auch andere Parteien haben das Potenzial erkannt. Doch warum sollten Menschen mit Migrationshintergrund ausgerechnet jene Partei wählen, die in Teilen "Remigration" fordert?
    Naika Foroutan, Leiterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, nennt gegenüber ZDF Frontal drei Motive:
    • "Erstens gibt es Migranten, die politisch rechtsaußen stehen und entsprechend wählen.
    • Zweitens wählen manche migrantischen Wähler - so wie nicht-migrantische auch - aus Protest die AfD. Nach dem Motto: Die anderen Parteien tun seit Jahren ohnehin nichts für uns.
    • Drittens kann auch ein internalisierter Rassismus stattfinden und eine Art Überassimilation, in der möglichen Hoffnung, die AfD werde schon nur die 'schlechten' Migranten wegschicken, aber doch nicht 'die Guten', die ihnen ihre Stimme geben."

    Russlanddeutsche wählten überproportional oft die AfD

    Die größten Einwanderergruppen in Deutschland sind Menschen mit einem türkischen, polnischen oder russischen Migrationshintergrund. Die Zahlen basieren auf dem Mikrozensus 2022 und beinhalten deshalb nicht alle ukrainischen Kriegsflüchtlinge.
    Überproportional oft wählten Russlanddeutsche bei den vergangenen Bundestagswahlen die AfD. ZDF Frontal konnte mit einer Russin sprechen - wir nennen sie Maria - die 2021 für die AfD stimmte. Als einen Grund für ihre damalige Wahlentscheidung nennt sie die Migrationspolitik: "Ich finde es nicht gut, wenn sich Migranten auch nach langer Zeit nicht integrieren, nur in ihrer eigenen Kultur weiterleben und das nicht ändern wollen. Schwerkriminelle Migranten sollten außerdem abgeschoben werden."
    Zweitstimmenanteil nach Gruppen (Bundestagswahl 2021)

    ZDFheute Infografik

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    Ein Blick in die Statistiken zeigt auch: Türkeistämmige wählten bislang eher die SPD. Doch das müsse nicht so bleiben, sagt Soziologin Foroutan.

    Keine etablierte Partei kämpft derzeit offensiv um migrantische Wähler. Doch die AfD wirbt besonders auf Tiktok um sie. Aus AfD-Sicht ist das extrem smart, weil ihre Narrative dadurch eher unwidersprochen bleiben und dann besser verfangen.

    Naika Foroutan, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung

    AfD-naher Verein wirbt um Migranten

    In Hessen hat sich im vergangenen Juni ein AfD-naher Verein gegründet, der sich "Mit Migrationshintergrund für Deutschland" nennt. Sein Vorsitzender Robert Lambrou ist auch hessischer AfD-Chef. Ziel des Vereins ist laut Satzung, "Ansprechpartner für Menschen mit Migrationshintergrund zu sein, die sich der AfD programmatisch verbunden fühlen".
    Aktuell habe man 57 Mitglieder, von denen rund 90 Prozent auch in der AfD seien, schreibt Lambrou auf Anfrage von ZDF Frontal. Der Zusammenschluss erinnert stark an den Verein "Juden in der AfD", die der Zentralrat der Juden als Feigenblatt kritisiert hatte.
    Ein Smartphonebildschirm mit dem Logo von TikTok liegt auf einer Computertastatur.
    Die Videos der in Teilen rechtsextremistischen Partei wurden in den letzten beiden Jahren hunderttausendfach geklickt. Politiker anderer Parteien und User wollen nun dagegenhalten.12.03.2024 | 1:02 min

    AfD-Funktionäre und ihre diskriminierenden Aussagen

    Lambrou, dessen Vater aus Griechenland stammt, ist nicht der einzige AfD-Abgeordnete, der sich gegen das in Teilen migrationsfeindliche Bild seiner Partei bemüht. Vor Gericht läuft derzeit ein Verfahren, in dem sich die AfD dagegen wehrt, vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft zu werden.

    X-Post von Robert Lambrou

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    Bei einem ersten Termin in Münster Anfang März trat neben Lambrou auch der gebürtige Iraner Meysam Ehtemai auf. Sie sollten dort für die Partei eine Art migrantisches Unbedenklichkeitszeugnis ablegen. Ehtemai, der als Referent bei der hessischen Landtagsfraktion arbeitete, sagte etwa, dass er in der AfD nie Rassismus erfahren habe.*
    Ein Smartphonebildschirm zeigt das App-Icon von Tiktok; im Hintergrund sind verschwommen Rechenprozesse zu sehen.
    Keine Partei ist auf der Videoplattform TikTok so erfolgreich wie die AfD. Gesundheitsminister Lauterbach und private Nutzer wollen dagegenhalten. Wie? Analyse bei ZDFheute live. 12.03.2024 | 30:12 min
    Dass AfD-Funktionäre Menschen aufgrund ihrer Herkunft immer wieder diskriminieren, belegen zahlreiche Aussagen. Vom Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland - der eine deutsch-türkische Politikerin "in Anatolien entsorgen" wollte - über Björn Höcke und seine biologisch-rassistische Behauptung vom "lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp" bis hin zum Bundestagsmitarbeiter und Kurzzeit-Chef der AfD-Jugend Marvin Neumann, der getwittert hatte, "weiße Europäer" könnten Deutsche werden, "Schwarzafrikaner aber nicht".

    Remigrations-Pläne gegen Menschen mit deutschem Pass

    Als der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner bei einem Geheim-Treffen sogenannte Remigrations-Pläne vorstellte, nach denen auch Menschen mit deutschem Pass aus Deutschland verdrängt werden sollten, nahmen auch AfD-Politiker teil.
    Demo "Junge Alternative", Teilnehmer mit Banner: "Deutsche Jugend fordert Remigration!"
    AfD-Politiker hatten schon 2018 konkrete Pläne, syrische Flüchtlinge zurück ins Bürgerkriegsland abzuschieben. Interne Dokumente zeigen, wie Russland dabei helfen sollte.23.01.2024 | 6:50 min
    Schreckt das migrantische Wähler nicht ab? Nicht alle, glaubt der aus der AfD ausgetretene Ex-Politiker Nicolai Boudaghi, dessen Vater aus dem Iran stammt:

    Gerade in der ersten und zweiten Einwanderergeneration gibt es zurecht Frust über die Migrationspolitik. Dass sich das irgendwann gegen die Migranten selbst richten kann, wird erstmal ausgeblendet.

    Nicolai Boudaghi, ehemaliger AfD-Politiker

    Die Russin Maria, die bei der vergangenen Bundestagswahl AfD gewählt hatte, will künftig anders stimmen, wie sie gegenüber ZDF Frontal schreibt. Abgeschreckt habe sie unter anderem die Homophobie in der Partei.
    *In einer früheren Version hieß es, dass Ehtemai aktuell noch als AfD-Referent im hessischen Landtag arbeitet.

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