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Kommunalwahl in Wolgast:AfD-Wahlerfolge: Brandmauer oder Kooperation?
von Anne Stadtfeld
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Die AfD holte in Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern so viele Stimmen wie kaum woanders. Wie wird nun im Stadtparlament gearbeitet - und wie leben die Menschen mit dem Rechtsruck?
Bei der Kommunalwahl in Wolgast im Landkreis Vorpommern-Greifswald ist die AfD mit 33,5 Prozent stärkste Kraft. Die Ampel-Parteien waren gar nicht erst angetreten. Wie wird hier mit dem Rechtsruck umgegangen?22.07.2024 | 1:58 min
Am schmucken Marktplatz mit bunten Giebel- und Backsteinhäuschen liegt das Café "bunt und wertvoll". Hier trifft sich das Demokratiebündnis Wolgast, mit dabei der 18-jährige Tjark Edwardson.
Bisher haben sich Tjark Edwardson und seine Mitstreiter mit Kundgebungen für Toleranz und Vielfalt eingesetzt. Der Wahlsieg der AfD bei der Kommunalwahl (33,5 Prozent): für sie alle "niederschmetternd". Auf einem Flipchart steht deshalb in Großbuchstaben: "Wie machen wir weiter?"
Bei der Kommunalwahl in Wolgast wird die AfD stärkste Kraft und gestaltet nun das Leben in der Kleinstadt mit. Von einer Brandmauer wollen die Koalitionspartner hier nichts wissen.18.07.2024 | 2:52 min
Frust in Wolgast - Nährboden für die AfD
12.000 Einwohner leben hier, kaum Industrie, wenig gut bezahlte Jobs, viel Leerstand. Der Frust der Einwohner steigt seit Jahren. Bei der Kommunalwahl wird die AfD stärkste Kraft, schon in der vergangenen Legislatur ist sie vertreten. Die Ampel-Parteien sind 2024 erst gar nicht mehr angetreten.
"Wir wollen uns nichts vormachen. Die AfD stellt Fragen, die andere sich nicht zu fragen trauen", sagt Karin Braun bei einer Umfrage auf dem Marktplatz.
Doris Breimann ist gegen die verstärkte Präsenz der AfD: "Manche Sachen kann man nicht verstehen, was sie so von sich geben, und eigentlich erreicht haben sie mit ihrem ganzen Gedöns auch nichts."
Das Oberverwaltungsgericht in NRW bestätigt die Einstufung der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz. Dies erlaubt weiterhin die Beobachtung der Partei.13.05.2024 | 2:52 min
Brandmauer im Stadtparlament?
Im neu gewählten Stadtparlament ist die CDU zweitstärkste Kraft mit etwa 18 Prozent der Stimmen. Dazu verschiedene Wählerbündnisse und die AfD. Die ist laut Verfassungsschutz ein rechtsextremistischer Verdachtsfall.
In Wolgast wollen sie trotzdem auf Zusammenarbeit setzen: Hier geht's nicht um bundes- oder landespolitische Themen, sondern zum Beispiel um die geplante Ortsumgehung.
"Wir sind alles Menschen, die wir hier kennen, aus dem Alltag, mit denen wir ganz normal unsere Freizeiten verbringen, in Vereinen zusammenarbeiten", sagt der parteilose Bürgermeister Martin Schröter.
Und die AfD? Sie ist selbstbewusst, kann und will mitgestalten. Für sie ist das mehr als nur Kommunalpolitik:
Demokratiebündnis will Zivilgesellschaft stärken
Zurück beim Demokratiebündnis im Café "bunt und wertvoll". Ines Eppinger hat es vor einem halben Jahr mitbegründet. Motiviert haben sie regelmäßige Demos durch Wolgast, zum Teil unterwandert von Rechtsextremisten, sagt sie: "Es wurde gefordert, die Regierung muss weg, die Ampel muss weg. Es wurde getrommelt, es wurden Straßen blockiert, wir mussten uns überlegen, wann gehen wir einkaufen."
Durch die Kommunalwahlen hat die AfD zahlreiche Mandate gewonnen. So viele, dass sie mancherorts nicht genug Kandidaten hat um die Stellen zu besetzen, die dann einfach verfallen.04.07.2024 | 3:04 min
In Mecklenburg-Vorpommern ist laut Innenministerium die Zahl der rechts motivierten Delikte, wie zum Beispiel ausländerfeindlicher Hass und Hetze, im Vergleich zum Vorjahr um fast 20 Prozent gestiegen.
Soziologe Christian Ulbricht leitet das Regionalzentrum für demokratische Kultur, berät neben Vereinen und Verbänden auch das Wolgaster Demokratiebündnis, zum Beispiel im Umgang mit rechtsextremen Parolen: "Das Schlimmste, was man machen kann, ist, sofort in so eine Argumentation zu verfallen." Stattdessen solle man "die typische sokratische Methode" nutzen und Gegenfragen stellen, beispielsweise "Wie meinst du das?" Dadurch werde die eigene Argumentation hinterfragt.
Ursachen für Rechtsruck in Ostdeutschland
Mit dem Rechtsruck bei der Kommunalwahl wird sichtbar, was schon lange in der Region spürbar ist, sagt Ulbricht.
Mit der Wende musste sich die Mehrheit beruflich neu ausrichten, es gab viel Abwanderung und der Ausländeranteil 1990 lag in der Region bei 0,6 Prozent, so der Soziologe.
Für das Demokratiebündnis steht fest, sie machen weiter, setzen sich jetzt verstärkt ein: zukünftig mit Podiumsdiskussionen zu Themen der Region, wie Mobilität und gesundheitliche Versorgung auf dem Land.
Quelle: ZDF
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