Nach Geheimtreffen: Heftige Kritik an der AfD im Bundestag

    Abschiebepläne Rechtsextremer:Debatte im Bundestag: Alle gegen die AfD?

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Eigentlich sollte die Demokratie im Bundestag selbstverständlich sein. Am Donnerstag ist sie Gegenstand der Debatte. Wer ist noch demokratisch genug? Darüber wird gestritten.

    AfD Spitze Alice Weidel, Tino Chrupalla neben Bernd Baumann, dem ersten Fraktionsgeschäftsführer der Alternative für Deutschland
    Im Angriffs- und Verteidigungsmodus: Die Fraktion der AfD in der Aktuellen Stunde des Bundestages.18.01.2024 | 1:44 min
    Der Abstand zwischen den Fraktionen im Plenarsaal des Bundestages ist nicht groß. An diesem Donnerstag klafft ein Graben. Eine Kluft zwischen dem Block der AfD und den anderen Parteien. Und so wollen sie es auch.
    Seit Tagen weist die AfD jede Verbindung zu den bekannt gewordenen Abschiebeplänen von Menschen mit Migrationsgeschichte zurück, obwohl AfD-Mitglieder verstrickt sind und der Referent von Parteichefin Alice Weidel deswegen gehen musste.
    Jetzt rufen die Abgeordneten ständig dazwischen, klatschen, johlen bei der Aktuellen Stunde zum Potsdamer Treffen, die die Ampel-Parteien im Bundestag initiiert haben. Als müssten sie sich verteidigen. Als ginge es um das letzte Gefecht. Oder das Finale kurz vor dem Fall des Vorhangs des Stücks "Wir gegen die".

    Narrativ vom "Bevölkerungsaustausch" mitten im Bundestag

    Die AfD-Fraktion ist, wie immer bei diesen wichtigen Debatten, fast vollzählig anwesend. Sie demonstriert Stärke. "Lüge", "Quatsch", "Sie sind durchschaut" rufen die Abgeordneten dazwischen. Was wohl noch das harmloseste sein dürfte. Immer wenn das Wort AfD fällt, ruft jemand laut "CDU" und zeigt auf die Fraktion der Union. Weil auch zwei CDU-Mitglieder bei dem Treffen in Potsdam dabei gewesen sind.
    Demonstration gegen Rechtsextremismus in Köln.
    Nach dem Treffen von Rechtsextremisten, an dem auch AfD-Politiker teilnahmen, gehen immer mehr Menschen auf die Straße. In Köln demonstrierten Zehntausende gegen Hass und Hetze.17.01.2024 | 1:44 min
    Wichtig scheint lautes Klatschen, lautes Rufen, demonstratives Lachen aus den hinteren Reihen. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Bernd Baumann dreht den Abgeordneten am Rednerpult oft lange den Rücken zu und unterhält sich mit den Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. Ab und zu gibt er Handzeichen nach oben. In seiner Rede sagt er dann auch deutlich, was er von der ganzen Veranstaltung hält.
    Die Ampel-Regierung fahre das Land "vor die Wand", so Baumann. Die "Industrie flieht aus dem Land hinaus und Millionen kulturfremder Asylanten strömen ungehindert hinein". Das Narrativ vom "Bevölkerungsaustausch" mitten im Bundestag. Das Potsdamer Treffen, das das Medienhaus Correctiv veröffentlicht hatte, sei eine "hinterhältige Kampagne". Es habe sich dabei nur um einen "kleinen Debattierklub" gehandelt, kein strategisches Treffen der AfD.
    Nach Correctiv-Recherchen war auch die Abgeordnete Gerrit Huy bei dem Treffen Ende November. Zudem mit Mario Müller, einem Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt.
    Baumann glaubt: "Der Wind hat sich gedreht." Jetzt sei die AfD am Zug, ob das die anderen Parteien wollten und nicht. In Sachsen sei man fünf mal so stark wie die Kanzlerpartei SPD.

    Man kann ihre Angst geradezu riechen.

    Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD

    Amthor: Mit Demokratie "in ekelhafter Weise auf Kriegsfuß"

    Von seiner Partei bekommt Baumann dafür Applaus im Stehen. Und die anderen Frakionen? Sie sind sich in vielem einig. Das Treffen von Potsdam sei "eine große Gefahr für unsere Demokratie", sagt der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei. Das dürfe man nicht unterschätzen. Gemeinsam müsse man dagegen aufstehen, so Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD):

    Nichts davon ist harmlos. Nichts davon ist bürgerlich. Nichts davon dürfen wir dulden.

    Nancy Faeser, Innenministerin (SPD)

    Diese Demokratie "weiß sich zu wehren", so Faeser. Der Verfassungsschutz werde die AfD "genau beobachten" und alle Instrumente der wehrhaften Demokratie einsetzen. "Wir werden alles nutzen, was uns zur Verfügung steht."
    Schaltgespräch Ebner
    "Am Höhepunkt ihrer Radikalität und ihrer Popularität", sieht Extremismusforscherin Julia Ebner die AfD. Statt über ein Verbot müsse Politik über die Ursachen dafür sprechen.16.01.2024 | 6:25 min
    Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor wirft allen vor, wer - wie bei den Abschiebeplänen - Menschen nach ethnischer Herkunft beurteile oder sie in Staatsbürgerschaft erster und zweiter Klasse unterteile, stehe mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung "in ekelhafter Weise auf dem Kriegsfuß". Und Richtung AfD:

    Diejenigen, die sich nicht von Extremisten abgrenzen können, sind nicht besser als die Extremisten selbst.

    Philipp Amthor (CDU)

    SPD-Chef Lars Klingbeil glaubt der AfD nicht, Weidel sei "ein Wolf im Schafspelz". Die AfD mag demokratisch gewählt sein, sagt Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. "Aber Sie sind keine Demokraten."

    Union: Ampel treibt Menschen zur AfD

    Wenn es um die Ursachen der neuen Stärke der AfD geht, sind die Parteien allerdings weniger geeint. Der Vorwurf, dass die SPD in Sachsen nur noch einstellig ist, scheint zu sitzen. Noch mehr, als ihr der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei das aktuelle Interview mit dem früheren Außenminister Joschka Fischer (Grüne) vorhält, der von einer "Kanzlerkrise" spricht.
    Oft ist es still in der SPD-Ecke. Fraktionschef Rolf Mützenich stützt den Kopf in die Hände. Die Berichte der "Süddeutschen Zeitung", dass einige in der Fraktion Kanzler Olaf Scholz durch Verteidigungsminister Boris Pistorius austauschen wollen, dürften noch dazu kommen.
     Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, gibt vor Beginn der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands ein Statement ab.
    Die Diskussion um ein Parteiverbot der AfD nimmt weiter Fahrt auf. Mit Daniel Günther hat sich nun auch ein CDU-Ministerpräsident dafür ausgesprochen. 13.01.2024 | 1:54 min
    Besser Regieren als die Ampel, das ist das Mantra der Union. "Dann werden wir diese Typen auch wieder klein kriegen", so Amthor. Der CSU-Abgeordnete Alexander Hoffmann wirft der Bundesregierung vor, mit ihrer Politik treibe sie die Menschen "in die Arme der AfD". Nicht jeder Fehler, so sein Unions-Kollege Frei, sei ein Kommunikationsproblem. Die Ampel regiere "an den Bedürfnissen der Menschen vorbei""

    FDP fordert "Maß und Mitte" bei Kritik

    Da ist man schon wieder mitten drin, in dem anderen Stück "Wir gegen die". Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle ist eher ein einsamer Rufer. Bei aller Kritik: Er bittet um "Maß und Mitte". Denn es gehe doch gar nicht um die Ampel, um irgendeine Koalition. Es gehe um die Demokratie. Und er betont:

    Wir sitzen alle in einem Boot - als demokratische Parteien.

    Konstantin Kuhle, Abgeordneter FDP

    Spätestens drei Abgeordnete später, bei der Rede von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), scheint die AfD ohnehin keinen Lust mehr zu haben. Mehrere gehen, Weidel ist schon länger weg. Nur bei Baumann - und einigen in der hinteren Reihen - funktioniert der Reflex bis zum Schluss. Auf jedes "AfD" am Rednerpult ein "CDU" Richtung Union.

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