Verfassungsschutz alarmiert:AfD-Mann will "Parteienstaat abschaffen"
von Oliver Klein und Nicola Albrecht
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Der Brandenburger AfD-Abgeordnete Hünich fordert in einer Rede, den "Parteienstaat" abzuschaffen - zu sehen im ZDF. Der Verfassungsschutz ist alarmiert.
Der Landtagsabgeordnete der AfD Lars Hünich bei seiner Rede in Falkensee bei Berlin: den "Parteienstaat" abschaffen.01.02.2024 | 0:29 min
Es sind irritierende Worte des Brandenburger AfD-Abgeordneten Lars Hünich beim Bürger-Stammtisch des AfD-Ortsverbands in Falkensee bei Berlin, dokumentiert von der Kamera der ZDF-Sendung Länderspiegel. Hünich schimpfte zunächst über angeblich "korrupte" Parteipolitiker. Dann erklärte er, was seine Partei bei einem Einzug in die Regierung des Landes plant:
Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.
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Lars Hünich, AfD-Abgeordneter im Brandenburger Landtag
"Wir brauchen keine Parteien, die von dem Staat bezahlt werden, den sie eigentlich kontrollieren und lenken sollen", erklärte Hünich weiter. Die rund 40 Gäste spendeten Applaus.
Empörung nach Ausstrahlung von ZDF-Länderspiegel
Nach Ausstrahlung der Sendung am Wochenende kochte die Empörung hoch: "Es gibt in Deutschland keinen 'Parteienstaat', wie behauptet wird, sondern eine pluralistische Demokratie mit freien, gleichen und geheimen Wahlen. Wer einen Ein-Parteien-Staat will, der stellt das Grundgesetz in Frage und gefährdet die freiheitlich-demokratische Ordnung", entgegnete Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD). Sie kündigte ein Gespräch mit den Fraktionen an, "um diesen offenen Angriff auf den Parlamentarismus und den sozialen Frieden abzuwehren."
Der Begriff "Parteienstaat" stammt aus der Zeit der Weimarer Republik. Er war von Anfang an diffamierend gemeint und "als politisches Schlagwort gegen die neu entstandene Parteiendemokratie gerichtet", schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages.
Heute werde die Entwicklung der Parteiendemokratie in der Bundesrepublik häufig als Entwicklung zum "Parteienstaat" beschrieben, heißt es weiter. Das Problem: Beide Begriffe, "Parteiendemokratie" und "Parteienstaat" werden sehr unterschiedlich definiert und bewertet. Manche AfD-Politiker behaupten, politische Parteien würden alle Macht an sich reißen und eine dominierende Herrschaft ausüben. Der AfD-Abgeordnete Hünich macht mit dem Begriff "Parteienstaat" Parteien verächtlich, spricht bei X (ehemals Twitter) von einer "Übernahme der demokratischen Institutionen durch die Parteien".
Aber: Ohne Parteien geht es nicht - Aufgaben, Rechte und Pflichten von Parteien sind in der Verfassung der Bundesrepublik verankert. Das Grundgesetz hebt sie in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution.
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Auch im Innenausschuss des Potsdamer Landtags, der gestern tagte, war Hünichs Rede das große Thema. Mit dabei: Der Chef des brandenburgischen Verfassungsschutzes, Jörg Müller. Er reagierte noch während der Sitzung: Das ZDF-Video werde nun in die Bewertung zur Einstufung der AfD miteinfließen, sagte er. Bisher ist Brandenburgs AfD nur ein rechtsextremer Verdachtsfall. Das könnte sich nach einer Neubewertung ändern.
Verfassungsschutz: AfD will Grenzen verschieben
Die Forderung nach Abschaffung des Parteienstaats sei die Forderung nach Abschaffung der demokratisch legitimierten Parteien, heißt es vom brandenburgischen Verfassungsschutz auf Nachfrage von ZDFheute.
Eine solche Forderung ist daher ein klarer Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung.
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Einschätzung des Verfassungsschutzes Brandenburg
Das gehöre zur Strategie der stetigen Verschiebung von Grenzen, so die Einschätzung: "Erst wird ganz offen die Demokratie in Frage gestellt, der Applaus der Anhänger mitgenommen und dann der eigene Vorstoß verharmlost und mit Nebelkerzen versehen."
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) erklärte gegenüber ZDFheute:
Mit dem Kampfbegriff Parteienstaat wurde schon einmal die parlamentarische Demokratie abgeschafft. Das war 1933 und danach folgte eine Diktatur des Schreckens.
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Michael Stübgen (CDU), Innenminister Brandenburg
"Um es mit den Worten der AfD-Vorsitzenden zu formulieren - mit solchen Forderungen zeigt die AfD eins ganz deutlich: Diese Partei hasst die Demokratie." (AfD-Chefin Alice Weidel hatte am Mittwoch bei einer Rede im Bundestag gesagt: "Diese Regierung hasst Deutschland.")
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AfD spricht von "Hetzkampagne" und "Falschdarstellung"
Die AfD sieht sich unterdessen als Opfer einer "fortgesetzten Hetzkampagne", wie es in einer aktuellen Stellungnahme heißt. Die Rede ist von einer "vermutlich bewussten Falschdarstellung der Aussage von AfD-Mitglied Lars Hünich durch das ZDF", die ganze Berichterstattung darüber sei ein "ungeheuerliches Schauspiel", schreibt die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin.
"Die AfD will keinesfalls die Abschaffung von Parteien, sondern es wird allerhöchste Zeit, dass das gesamte Volk mehr Mitsprachemöglichkeiten im Rahmen der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild erhält, die Hürden dafür müssen deutlich gesenkt werden", so Bessin.
Oliver Klein arbeitet beim ZDF als Redakteur für Verifikation und Factchecking. Nicola Albrecht leitet das ZDF-Studio Brandenburg in Potsdam.
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