Bundestag: Gesetz soll vor Abtreibungsgegnern schützen

    Debatte im Bundestag:Gesetz soll vor Abtreibungsgegnern schützen

    von Anna Gürth
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    Die Regierung will Schwangere besser vor radikalen Abtreibungsgegnern schützen. Der Bundestag diskutiert ein neues Gesetz gegen Belästigung vor Beratungsstellen und Kliniken.

    Immer häufiger werden schwangere Frauen vor Beratungsstellen, wie Pro Familia, von Abtreibungsgegnern belästigt.
    Immer häufiger werden schwangere Frauen vor Beratungsstellen wie Pro Familia von Abtreibungsgegnern belästigt. Der Bundestag berät nun über ein Gesetz, das davor schützen soll.10.04.2024 | 1:30 min
    "Abtreibung ist nicht nur Mord, sondern auch Selbstmord", steht auf einem Plakat. Auf einem anderen: "Das Problem sind nicht ungewollte Kinder, sondern unwillige Eltern." Abtreibungsgegner*innen aus Deutschland und Schweiz versammelten sich am Freitag in Freiburg - zogen singend und betend durch die Stadt. Start der Demonstration: Vor dem ehemaligen Büro von Pro Familia. Weil der Verein auch Beratungen zum Thema Schwangerschaftsabbruch anbietet, steht er seit Jahren im Fokus der Abtreibungsgegner*innen.
    Bücher und Informationshefte zu Schwangerschaftsabbrüchen liegen in einem Raum.
    Abtreibungsgegner protestieren vor Beratungsstellen gegen Schwangerschaftsabbrüche – für Betroffene ein Spießrutenlauf. Dagegen will die Ampelregierung vorgehen.24.01.2024 | 1:32 min

    Beratungsstellen von Pro Familia im Fokus von Abtreibungsgegnern

    Bundesweit gibt es immer wieder Proteste vor Beratungsstellen von Pro Familia, Arztpraxen oder Kliniken, die Abtreibungen durchführen. Etwa der internationalen christlichen Bewegung "40 Days for Life" aus den USA, deren Ziel es ist Abtreibungen durch Mahnwachen, Gebete und Fasten zu verhindern. Allein vor der Beratungsstelle in Pforzheim fanden seit 2022 vier dieser 40-tägigen Mahnwachen statt. Jede Frau, die dann zu einer Beratung möchte, muss an den Abtreibungsgegner*innen vorbei. Das setze ratsuchende Schwangere moralisch unter Druck, sagen die Berater*innen.

    Sie fühlen sich bedrängt in ihrer Entscheidung.

    Eva Rebholz, Pro Familia Freiburg

    "Und sie fühlen sich auch nicht gesehen in ihrer persönlichen Notsituation, die sie eigentlich gerne bearbeiten würden, in einer kompetenten Beratung. Und wollen nicht von irgendwelchen Menschen auf der Straße belästigt werden, die auf sie zukommen und meinen, sie müssten ihre Meinung kundtun", sagt Eva Rebholz von Pro Familia Freiburg.
    informationsmaterial zu schwangerschaftsabbruch
    Die Regierung will das Thema Abtreibung angehen. Aktuell ist die in Deutschland strafbar. Die Ampel hat eine Kommission eingsetzt - deren Bericht wurde vorzeitig öffentlich wurde.10.04.2024 | 3:52 min
    Mit der sogenannten "Gehsteigbelästigung" haben sie in Freiburg viel Erfahrung gemacht. Frauen - hinter denen die Abtreibungsgegner*innen Schwangere vermuteten - bekamen hier schon vor mehr als zehn Jahren unfreiwillig Plastik-Föten, Broschüren und Bilder in die Hand gedrückt. Im Jahr 2011 war diese Belästigung so massiv, dass die Stadt Freiburg dem Verein "Lebenszentrum - Helfer für Gottes Kostbare Kinder Deutschland e. V." die gezielte Ansprache von Frauen vor der Beratungsstelle untersagte.

    "Gehsteigbelästigung": Ampel will einheitliche Regelung

    Andernorts wurden ähnliche Verbote gerichtlich gekippt - mit Verweis auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Klarheit soll jetzt eine bundeseinheitliche Regelung schaffen: Die Regierung plant eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes.
    Gesetzestexte
    Über eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Deutschland ist neuer Streit entbrannt. Experten schlagen der Bundesregierung die generelle Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der ersten zwölf Wochen vor.10.04.2024 | 1:42 min
    "Wir sind von Beratungsstellen in Deutschland angesprochen worden, von Kommunen angesprochen worden, dass es mehr und mehr ein Problem ist, dass Schwangere, die sich in einer ihrer schwierigsten Situationen im Leben befinden, wenn sie zu einer Beratungsstelle gehen wollen, dass sie dann tatsächlich belästigt und angepöbelt werden", sagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im ZDF-Interview.
    Ein neues Gesetz soll das künftig verhindern: 100 Meter um den Eingangsbereich soll ein "Verbot der Belästigung der Schwangeren" gelten - Verstöße sollen bis zu 5.000 Euro kosten.
    doro-baer
    Die Union bekräftigt ihren Widerstand gegen eine mögliche Liberalisierung des geltenden Abtreibungsrechts. "Der Schutz des Lebens muss berücksichtigt werden", so die Unionsfraktionsvize Dorothee Bär (CSU).10.04.2024 | 5:31 min

    Schwangerschaftsabbruch: Gegen das Gesetz, aber meist straffrei

    Abtreibungen sind in Deutschland nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches rechtswidrig. Ob sich das künftig ändern lässt, das hat in den letzten Monaten eine Expertenkommission der Ampel-Koalition geprüft. Am Montag werden die Ergebnisse erwartet.
    Die aktuelle Rechtslage sieht vor, dass Abtreibungen in bestimmten Fällen straffrei bleiben. Voraussetzung dafür ist immer ein Beratungsgespräch bei einer staatlich anerkannten Stelle, wie etwa Pro Familia. Die Frauen haben also keine andere Wahl, als eine Beratungsstelle aufzusuchen, auch wenn sie dort mit Abtreibungsgegner*innen konfrontiert sind.
    Ein Richter im Gerichtssaal hält das Strafgesetzbuch (StGB) in der Hand.
    Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland mit wenigen Ausnahmen grundsätzlich strafbar. Eine Expertenkommission erarbeitet Empfehlungen, ob das so bleiben soll.10.04.2024 | 2:01 min
    Wie viele solcher Versammlungen es bundesweit gäbe, sei jedoch völlig unklar, kritisiert die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Silvia Breher. Es handele sich um Einzelfälle, für die es bereits Lösungen gäbe. "Schon heute ist Nötigung nicht zulässig", so die Juristin. "Wenn jemand bedrängt und am Zugang gehindert wird, ist das strafbar. Der 100-Meter-Radius schafft etwas mehr Raum, aber ändert die Situation nicht."

    SPD sieht "radikale Frauenhasser"

    Am Nachmittag diskutierte der Bundestag den Gesetzentwurf. Es gehe um die Achtung und Verwirklichung von reproduktiven und sexuellen Rechten, so die Ministerin und warb um Unterstützung für den Entwurf. Die der Koalitionspartner von SPD und FDP hat sie da schon in der Tasche.
    Recht auf Abtreibung in der französischen Verfassung
    Als erstes Land der Welt hat Frankreich das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufgenommen. 05.03.2024 | 2:12 min
    Josephine Ortleb von der SPD spricht in ihrer Rede von "radikalen Frauenhassern" - und verweist als Landesvorsitzende von Pro Familia Saarland auch auf die herausfordernde Lage der Berater*innen, die täglich Hass ausgesetzt seien.
    Kritisch äußerte sich neben der CDU/CSU-Fraktion auch die AfD. Die Bestrebungen der Bundesregierung seien ein Armutszeugnis für Politik und Gesellschaft. "Sie engagieren sich für das Töten als vermeintlich einfachste Problemlösung", so Nicole Höchst.
    45 Minuten wurde heute über das Thema "Gehsteigbelästigung" debattiert - zwei weitere Lesungen werden noch folgen, dann stimmt der Bundestag über den Gesetzentwurf ab.
    Glaube, Macht, Ideologie - Das gefährliche Netz der Abtreibungsgegner
    Rechte und rechtsextreme Gruppierungen schließen sich verstärkt der Anti-Abtreibungsbewegung an. "Die Spur" zeigt, wie weit ihr Einfluss reicht und wie gefährlich das sein kann.20.03.2024 | 29:38 min

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