Abschlussbericht zur Flut-Katastrophe im Ahrtal öffentlich

    Abschlussbericht veröffentlicht:Flut-Katastrophe im Ahrtal - wer war schuld?

    von Kai Remen
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    Rund drei Jahre nach der verheerenden Flut im Ahrtal hat der Untersuchungsausschuss den Abschlussbericht veröffentlicht. Es geht um Verantwortung und Schuldzuweisungen.

    Rheinland-Pfalz, Rech: Nur noch ein Haufen Trümmer ist von der Nepomukbrücke übrig geblieben.
    Der rheinland-pfälzische Untersuchungsausschuss legte den Abschlussbericht zur Flutkatastrophe im Ahrtal vor. Koalition und Opposition ziehen unterschiedliche Schlüsse. 02.08.2024 | 1:26 min
    Fährt man dieser Tage ins Ahrtal, sieht man sie noch immer. Die Schäden, die die verheerende Flut hinterlassen hat, sind auch drei Jahre nach der Katastrophe allgegenwärtig. Doch der Wiederaufbau läuft - mal schneller, mal langsamer. Kommt man mit den Menschen der Region ins Gespräch, kann jeder etwas dazu sagen: Die Versicherungen würden nur langsam zahlen, es sei schon viel gemacht, aber noch mehr zu tun. Einige sind optimistisch, andere haben resigniert.
    Doch da ist noch ein anderer Wunsch, eine Enttäuschung, teilweise Wut. Auch drei Jahre nach dem Ereignis, das mindestens 135 Menschen das Leben kostete, beschäftigt viele die Frage der Verantwortung. Wer war schuld, dass so spät gewarnt wurde? Welche Fehler wurden gemacht? Was müsste bei der nächsten Flut besser gemacht werden?

    47 Sitzungen, 226 Zeugen, 23 Sachverständige

    Es waren diese Fragen mit denen sich ein Untersuchungsausschuss im Mainzer Landtag der politischen Aufarbeitung stellte. Seit heute ist der Abschlussbericht des Gremiums für jede und jeden online einsehbar. Rund 2.100 Seiten, in denen die Flutnacht rekonstruiert wird, Zeugen gehört, Sachverständige zu Rate gezogen werden und die Parteien zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen kommen.
    Die zentrale Erkenntnis: "Das Ereignis war in seinem Ausmaß" und seiner Einzigartigkeit "so gut wie unvorhersehbar". Dennoch kam es bei politisch Verantwortlichen am 14. und 15. Juli 2021 zu massivem Versagen.
    Angehörige der Flutopfer
    Inka und Ralph Orth trauern um ihre Tochter Johanna. Sie kam in der Flut im Ahrtal ums Leben. Johanna war 22, Konditormeisterin. Ihre Eltern fordern Konsequenzen vor Gericht.28.03.2024 | 3:11 min

    Der Landrat, die Landesregierung und die Schuldfrage

    Im Fokus der Aufarbeitung stand der damalige Landrat Jürgen Pföhler (CDU). Er schwieg vor dem Ausschuss zu seiner Verantwortung und den Vorwürfen, falsch, zu spät, gar nicht gehandelt zu haben. Ein Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt.
    Der Untersuchungsausschuss kommt zu dem Ergebnis, dass es "sowohl vor als auch während der Flutkatastrophe zu massiven Versäumnissen des Landkreises bzw. des damaligen Landrats des Kreises Ahrweiler gekommen ist". Dies habe in der Folge den Verlauf und die Folgen der Katastrophe "negativ beeinflusst."
    Mit Blick auf die Ampel-Landesregierung resümiert der Bericht, dass vor dem Hintergrund der ihr zur Verfügung stehenden Informationen "alle Handlungsoptionen vollumfänglich abgewogen und angemessen ausgeschöpft worden sind, die im Angesicht des verfügbaren Lagebildes möglich und angemessen waren."
    Jedoch sei die Kommunikation und Einschätzung auf verschiedensten Ebenen aus heutiger Sicht "unterdimensioniert" gewesen. Dies sei in großen Teilen "Informationsabbrüchen auf der zuständigen Ebene vor Ort geschuldet".
    Ahrtal
    Die Folgen der schrecklichen Flut sind im Ahrtal weiterhin sichtbar – auch drei Jahre danach. Mittlerweile gibt es hier mehr Hochwasserschutz, doch kein Sicherheits-Gesamtkonzept.12.07.2024 | 3:01 min

    Opposition mit scharfer Kritik

    Wo in der Politik schwere Fehler gemacht werden, sind personelle Konsequenzen häufig die Folge. So trat Anne Spiegel (Grüne), zum Zeitpunkt der Flut Umweltministerin in Rheinland-Pfalz, als Bundesfamilienministerin zurück. Sie war kurz nach der Katastrophe vier Wochen im Urlaub. Auch der damalige SPD-Innenminister Roger Lewentz musste seinen Hut nehmen. Die Kritik an seinem Krisenmanagement während und im Anschluss an die schreckliche Nacht war zu groß. Malu Dreyer, noch bis vor Kurzem Ministerpräsidentin, musste zweimal vor den Ausschuss. Viele Menschen von der Ahr hatten auf eine Entschuldigung von ihr gehofft - bis heute vergeblich.
    Die Opposition stimmte im Juli gegen das Fazit des Berichts und sieht das Versagen auch deutlich bei der rheinland-pfälzischen Ampel-Regierung. Die Beweisaufnahme würde das bestätigen, so die CDU. Der Untersuchungsausschuss habe so akribisch gearbeitet, dass sich die Regierung nicht hinter dem "unentschuldbaren Versagen" des Landrats "verstecken" konnte, erklärt Dirk Herber, CDU-Obmann im U-Ausschuss. Diese Taktik sei "im Verlauf des Ausschusses immer weiter zerbröckelt, sodass am Ende auch zwei Minister haben gehen müssen."
    Die Regierungspartei SPD verweist hingegen einzig auf die Schuld des CDU-Landrats. Es habe keinen Verwaltungsstab und keine technische Einsatzleitung gegeben, so der SPD-Obmann Nico Steinbach. "Wir müssen klar herausstellen, dass der seinerzeitige Landrat im Kreis Ahrweiler leider das 1 und 1 des Katastrophenschutzes überhaupt nicht berücksichtigt und bewältigt hat."
    Archiv:In der Eifel haben heftige Regenfälle und Dauerregen für Überschwemmungen und Überflutungen gesorgt. Im Ahrtal trat der Fluss vielerorts über die Ufer und überschwemmte nicht nur Keller sondern ganze Ortschaften.
    Im Juli jährte sich die Flutkatastrophe im Ahrtal zum dritten Mal. Mima-Reporterin Marion Geiger hat sich in Ahrweiler umgehört, wie es den Menschen heute geht. 04.07.2024 | 5:59 min

    Das Trauma der Betroffenen

    Und die von der Flutkatastrophe Betroffenen? Für sie ist der Untersuchungsbericht unzureichend und kein Schlusspunkt. Viele haben alles verloren, sind noch immer traumatisiert. Jeder Regen verursache ihr ein ungutes Gefühl, erzählt eine Anwohnerin. Eine andere kämpft mit den Tränen, sie habe Sachen gesehen, die könne man nicht vergessen.
    Ob der Bericht zumindest der politische Schlusspunkt der Aufarbeitung ist, wird sich zeigen. Der Landtag in Mainz will sich nach der Sommerpause im September mit dem Ergebnis befassen.
    Kai Remen ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.

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