75 Jahre Grundgesetz: Wie steht es um die Demokratie?
75 Jahre Grundgesetz :Wie es um die wehrhafte Demokratie steht
von Virginia Baumbach
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Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz ins Leben gerufen. Doch die Vorfälle, bei denen unsere verfassungsmäßige Ordnung bedroht wird, häufen sich. Wie wehrhaft ist unsere Demokratie?
Am 23. Mai 2024 wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt.
Quelle: imago/penofoto
Zunehmender Rechtsextremismus, islamistische Forderungen nach einem Kalifat, eine Reichbürgerszene, die den Umsturz Deutschlands plante: Die freiheitlich demokratische Grundordnung scheint fragiler denn je.
Zu einer wehrhaften Demokratie gehört, dass sich Verfassungsfeinde zur Durchsetzung ihrer Ziele nicht zugleich auf die garantierten Freiheitsrechte berufen dürfen. Ist das Grundgesetz zukunftsfähig und welche Mittel hält es bereit, um sich vor Verfassungsfeinden zu schützen?
Grundgesetz - Gegenstück zum Nationalsozialismus
Am 23. Mai 1949 wurde das ursprünglich als Übergangslösung konzipierte Grundgesetz verkündet. Als Reaktion auf das Scheitern der Weimarer Republik und die nationalsozialistische Schreckensherrschaft sollte das Grundgesetz den Weg für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie ebnen.
An seiner Spitze stehen die Grundrechte, zugleich Werteentscheidung der Verfassung: Das Individuum im Zentrum des Rechtsstaates. Dennoch verlieren immer mehr Deutsche Vertrauen in die Demokratie.
Während im Herbst 2021 ein Drittel (30 Prozent) der Befragten angab, weniger großes oder geringes Vertrauen in die deutsche Demokratie zu haben, stimmen dieser Aussage im Sommer 2023 mehr als die Hälfte der Deutschen (54 Prozent) zu.
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Körber Stiftung
Bundesverfassungsgericht: Mehr Schutz nötig?
Um den Rechtsstaat besser schützen zu können, wurde das Bundesverfassungsgericht als unabhängiges Kontroll- und Überprüfungsorgan gegründet. Seine Entscheidungen als "Hüter des Grundgesetzes" sind unanfechtbar. Hier häufen sich die Stimmen, die mehr Sicherungsinstrumente für das Gericht fordern.
Besorgniserregende Entwicklungen in anderen Ländern zeigen, dass Regierungen immer häufiger das Ziel verfolgen, oberste Gerichte in ihrer Unabhängigkeit zu schwächen.
Die Gerichte sind in der freiheitlichen Demokratie ganz zentrale Akteure, denn die Demokratie ist Mehrheitsherrschaft und Gerichte können immer auch die Rechte von Minderheiten sichern. Deswegen werden sie auch gerne ausgeschaltet von autoritären Parteien.
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Nora Markard, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Münster
Acht Monate dauerte die Ausarbeitung. Ziel: eine rechtliche Grundlage für ein friedliches und gerechtes Leben aller. Unterzeichnet wurde es am 23. Mai 1949. Die BRD war gegründet.20.05.2024 | 2:12 min
Verbote für Parteien und Vereinigungen
Parteien, die aktiv kämpferisch gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorgehen und so den Bestand Deutschlands gefährden, können verboten werden. Zuletzt befasste sich das Bundesverfassungsgericht 2017 mit der Frage, ob die NPD verboten werden sollte.
Gleiches gilt für verfassungsfeindliche Vereinigungen. Erst kürzlich fiel der Verein "Muslim-Interaktiv" durch seine Kalifatsforderungen und Demos in Hamburg auf und ließ diejenigen Stimmen, die ein Verbot fordern, lauter werden.
Die Initiative "Muslim Interaktiv" tarnt sich mit Aufklärung über Rassismus. Doch sie gehört zu den islamistischen Gruppierungen, die dafür sorgen, dass die Gräben im Land wachsen.27.10.2023 | 13:16 min
Grundrechteverwirkung für Höcke gefordert
Mehr als 1,6 Millionen Menschen haben Anfang des Jahres eine Petition unterzeichnet, in der eine Grundrechteverwirkung des nun erstinstanzlich verurteilten AfD-Politikers Björn Höcke gefordert wurde. Ziel ist es dabei, die politische und gesellschaftliche Wirkungsmacht Einzelner zu beseitigen, von denen aktiv eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung ausgeht.
Dabei ist die Grenze zwischen politisch "unangenehmer" Opposition und tatsächlichem Missbrauch von Grundrechten zu ziehen. Bisher wurde dem Artikel in erster Linie symbolische Bedeutung beigemessen.
Kann das Grundgesetz abgeschafft werden?
Wäre ein Szenario denkbar, in dem das Grundgesetz - auch auf demokratischem Wege - abgeschafft werden könnte? Artikel des Grundgesetzes können mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden.
Nicht jedoch der Kern des Grundgesetzes: Fundamentale Prinzipien wie beispielsweise die Würde des Menschen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind durch die Ewigkeitsklausel geschützt, können daher niemals geändert oder abgeschafft werden.
Das Grundgesetzhat immer wieder bewiesen, dass es in der Lage ist flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren - wie auch die erfolgreiche Klimaschutzklage aus 2021 zeigt.
Demokratie keine Selbstverständlichkeit
Aber 75 Jahre, in denen sich das Grundgesetz bewährt hat, machen es nicht immun gegen gesellschaftliche Überzeugungen und Passivität.
Im Grundgesetz gibt es eine ganze Reihe von Regelungen, um die Demokratie zu schützen. Es braucht aber auch die Menschen in den Institutionen, die im Geiste des Grundgesetzes handeln. Und wenn das verloren geht, dann schützt uns das Recht als solches einfach nicht mehr.
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Nora Markard, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Münster
Grundlage für ein zukunftsfähiges Grundgesetz ist eine Gesellschaft, die auch bereit ist, sich für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzusetzen. Und auch der Blick in Nachbarländer wie Ungarn und Polen zeigt, dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie längst keine Selbstverständlichkeit mehr sind.
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